Offener Brief an Angela Merkel

"Brechen Sie die diplomatischen Beziehungen zum Folterregime im Iran ab!"

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In einem offenen Brief wenden sich mehrere Iraner an Bundeskanzlerin Angela Merkel und fordern eine umfassende Revision der Politik der deutschen Regierung gegenüber dem Islamischen Staat Iran. Der hpd dokumentiert den Text in voller Länge.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Merkel,

Ismail Bakhshi ist einer der populärsten Arbeiterführer im Iran. Sein Name wurde besonders während des großen Streiks der Arbeiter der Zuckerrohrfabrik Haft-Tappeh in den letzten Monaten der Öffentlichkeit bekannt. Bakhshi trat in den Vordergrund, als er als Sprecher von Tausenden Arbeitern, gerichtet an die islamische Regierung sprach und die Zahlung der Lohnrückstände der Arbeiter und die Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte forderte. Er verteidigte unabhängige Arbeiterorganisationen wie Gewerkschaften und Betriebsräte und forderte, das Unternehmen Haft-Tappeh den mafiösen Fängen der jetzigen Besitzer zu entreißen und dessen Privatisierung rückgängig zu machen. Er Sprach von der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen,  von der Vernichtung vieler Arbeitsplätze und der monatelangen Nichtzahlung der Arbeitslöhne.

Das islamische Regime ließ Ismail Bakhshi und die Journalistin und Aktivistin Sepideh Gholyan verhaften. Sie wurden schließlich nach mehreren Wochen nach einer grossen Protestwelle freigelassen.

Ismail Bakhshi schwieg eine Weile, aber am 4. Januar 2019 veröffentlichte er auf Instagram einen offenen Brief, in dem er auch detailliert von brutalen Folterungen der Beamten an ihm selbst und an Frau Ghalyan berichtet, von Erniedrigungen, Beschimfungen die sie ertragen mussten und von schweren körperlichen und psychischen Schäden, die ihm zugfügt wurden. 

Er fragt die Regierungsverantwortlichen nach dem Grund, warum sie dies getan haben, ohne ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu verteidigen. Er fragte zudem, warum sie ihn einfach vom Moment der Verhaftung an geschlagen haben und ihn drei Tage lang so gefoltert haben, dass er nicht mehr wusste, wo er war und Tag und Nacht nicht mehr voneinander unterscheiden konnte. Und schliesslich fordert er den Geheimdienstminister der islamischen Regierung zu einem Fernsehduell auf, um ihn zur Rede zu stellen.

Die Verbreitung dieses Briefes hat den Finger auf die chronischen und tiefgreifenden Schmerzen in der iranischen Gesellschaft gelegt und großes Aufsehen in der Bevölkerung erregt. Jetzt rufen die Gefolterten dieses Regimes eine Kampagne aus und sprechen über die Folterungen, die sie in diesen vierzig Jahren in den Gefängnissen erlitten haben. Jetzt reden die Erniedrigten und Vergewaltigten über diese Verbrechen.

Die Familien all dieser Menschen, Ismail Bakhshi sowie die iranischen Arbeiter und alle Opfer dieses Staates erwarten von den Menschen in der Welt, dass sie sich an die Seite der Opfer stellen und gegen die Folterer Position beziehen.

Wir in Deutschland lebende Iraner, wir Menschen, die gegen die islamische Regierung protestieren, fragen Sie, wo Sie bei dieser Auseinandersetzung und diesem Kampf stehen wollen, der die iranische Gesellschaft beschäftigt. Wollen Sie immer noch den islamischen Staat Iran verteidigen und wollen Sie zu diesem erschütternden Brief schweigen, der ein neues Kräftegleichgewicht zwischen der Bevölkerung und dem islamischen Staat im Iran widerspiegelt?

Frau Merkel,

Die Bevölkerung im Iran befindet sich auf heroischer, moderner und humaner Art im Kampf gegen ein islamisches, faschistisches Regime. Ein Regime, das vom ersten Tag an durch systematische Folter, Hinrichtungen und Repression am Leben erhalten wurde. Diese Menschen kämpfen in den Fabriken und Universitäten, in Stadt und Land gegen islamische Gesetze. Frauen kämpfen gegen Zwangsverschleierung, Arbeiter für Organisations- und Streik-Freiheit und die rechtzeitige Zahlung ihrer Löhne sowie gegen Plünderung und Diebstahl öffentlicher Reichtümer durch die Regimeangehörigen. Die Familien von zu Tode Verurteilten kämpfen gegen die Todesstrafe. Und das Echo dieser Kämpfe ist sicherlich auch bis zu Ihnen und der deutschen Regierung durchgedrungen. 

Wir fordern eine umfassende Revision der Politik der deutschen Regierung gegenüber dem Islamischen Staat Iran und betrachten den Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit dem Regime als die beste Revision.In diesen Tagen, in denen sich die iranische Gesellschaft mit dem Phänomen der Folter und  Gegenmaßnahmen beschäftigt, möchten wir Sie auffordern, die Ismail Bakhshis zu verteidigen und die Islamische Republik Iran unverzüglich zu verurteilen.


ErstunterzeichnerInnen: 

Mina Ahadi, Mahboubeh Siahmardi, Sima Bahari, Sussan Saberi, Shahla Khabazzadeh, Shahnaz Morattab, Kajal Ilkhanizaden, Samir Noori, Iraj Abschar, Nahid Novin