Fundamentalistisches Rollback

Keine Abtreibungen mehr im Kreis Schaumburg

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Der christlich-fundamentalistische "Marsch für das Leben"
"Marsch für das Leben"

Am Dienstag wurde bekannt, dass es im niedersächsischen Landkreis Schaumburg zukünftig keiner Frau mehr möglich sein wird, eine Abtreibung vorzunehmen zu lassen. Der Betreiber eines neuen Klinikums, der Agaplesion-Konzern, beruft sich dabei als gemeinnützige Aktiengesellschaft auf sein christliches Leitbild.

Das neue Klinikum soll die drei bisherigen Krankenhäuser im Landkreis Schaumburg ersetzen. Dort war bislang in zwei Krankenhäusern, die der Landkreis in eigener Trägerschaft hat, eine Abortion möglich. Das wird mit der Eröffnung des neuen Krankenhauses in der Trägerschaft des "christlichen Gesundheitskonzernes AGAPLESION gemeinnützige AG" nicht mehr möglich sein.

Bislang unterhält das Klinikum Schaumburg in Stadthagen und Rinteln zwei Akutkrankenhäuser, in Bückeburg besteht ferner mit dem Krankenhaus Bethel ein weiteres Akutkrankenhaus. "Am 16. Dezember 2008 wurde eine Zusammenlegung der drei bestehenden Krankenhäuser unter dem Dach der proDiako, die ihrerseits von Agaplesion übernommen wurde, eine Schließung der bisherigen Krankenhäuser und ein Neubau in Obernkirchen beschlossen." (Wikipedia)

Frauen, die ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen wollen, müssen zukünftig also Krankenhäuser außerhalb des Kreises aufsuchen. Selbst wenn sich einzelne Ärzte gegen diese rückwärtsgewandten Regelungen des christlichen Konzerns auflehnen möchten: Es wird ihnen vom neuen Arbeitgeber verboten und sie müssten mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Der Verstoß gegen die Regeln der Medizin und des Anstands läßt die Kassen des christlichen Gesundheitskonzerns ordentlich klingeln: Der Konzern konnte nach eigenen Angaben "die Umsatzerlöse gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 969,7 Mio. Euro steigern (Vorjahr: 950,5 Mio. Euro) und ein Jahresergebnis von 13,6 Mio. Euro erwirtschaften." Der Landkreis hat den Bau der neuen Klinik mit 95 Millionen Euro aus Steuermitteln mitfinanziert.

Ein Boykott der christlich-fundamentalistischen Gesundheitsverkäufer wird kaum möglich sein: Für die rund 160.000 Einwohner des Landkreises ist es vor allem im Krankheitsfalle so gut wie unmöglich, sich in anderen Kliniken – so zum Beispiel im Krankenhaus in Minden – behandeln zu lassen.

Nach Angaben der Schaumburger Zeitung soll noch vor Eröffnung des Krankenhauses ein Kompromiss gefunden werden. Landrat Jörg Farr versprach, "eine Lösung mit einem externen Kooperationspartner" zu finden. Die Mitteilung, dass die christliche Klinik jede Abtreibung ablehnen wird habe ihn ebenso überrascht wie den Rest der Bevölkerung seines Landkreises. In einer Landtagssitzung am vergangenen Dienstag sagte er: man sei "selbstverständlich davon ausgegangen", dass nach der Fusion mit dem kirchlichen Haus das gesamte medizinische Leistungsspektrum erhalten bleibe.