Am Dienstag wurde bekannt, dass es im niedersächsischen Landkreis Schaumburg zukünftig keiner Frau mehr möglich sein wird, eine Abtreibung vorzunehmen zu lassen. Der Betreiber eines neuen Klinikums, der Agaplesion-Konzern, beruft sich dabei als gemeinnützige Aktiengesellschaft auf sein christliches Leitbild.
Das neue Klinikum soll die drei bisherigen Krankenhäuser im Landkreis Schaumburg ersetzen. Dort war bislang in zwei Krankenhäusern, die der Landkreis in eigener Trägerschaft hat, eine Abortion möglich. Das wird mit der Eröffnung des neuen Krankenhauses in der Trägerschaft des "christlichen Gesundheitskonzernes AGAPLESION gemeinnützige AG" nicht mehr möglich sein.
Bislang unterhält das Klinikum Schaumburg in Stadthagen und Rinteln zwei Akutkrankenhäuser, in Bückeburg besteht ferner mit dem Krankenhaus Bethel ein weiteres Akutkrankenhaus. "Am 16. Dezember 2008 wurde eine Zusammenlegung der drei bestehenden Krankenhäuser unter dem Dach der proDiako, die ihrerseits von Agaplesion übernommen wurde, eine Schließung der bisherigen Krankenhäuser und ein Neubau in Obernkirchen beschlossen." (Wikipedia)
Frauen, die ihr Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen wollen, müssen zukünftig also Krankenhäuser außerhalb des Kreises aufsuchen. Selbst wenn sich einzelne Ärzte gegen diese rückwärtsgewandten Regelungen des christlichen Konzerns auflehnen möchten: Es wird ihnen vom neuen Arbeitgeber verboten und sie müssten mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Der Verstoß gegen die Regeln der Medizin und des Anstands läßt die Kassen des christlichen Gesundheitskonzerns ordentlich klingeln: Der Konzern konnte nach eigenen Angaben "die Umsatzerlöse gegenüber dem Vorjahr auf insgesamt 969,7 Mio. Euro steigern (Vorjahr: 950,5 Mio. Euro) und ein Jahresergebnis von 13,6 Mio. Euro erwirtschaften." Der Landkreis hat den Bau der neuen Klinik mit 95 Millionen Euro aus Steuermitteln mitfinanziert.
Ein Boykott der christlich-fundamentalistischen Gesundheitsverkäufer wird kaum möglich sein: Für die rund 160.000 Einwohner des Landkreises ist es vor allem im Krankheitsfalle so gut wie unmöglich, sich in anderen Kliniken – so zum Beispiel im Krankenhaus in Minden – behandeln zu lassen.
Nach Angaben der Schaumburger Zeitung soll noch vor Eröffnung des Krankenhauses ein Kompromiss gefunden werden. Landrat Jörg Farr versprach, "eine Lösung mit einem externen Kooperationspartner" zu finden. Die Mitteilung, dass die christliche Klinik jede Abtreibung ablehnen wird habe ihn ebenso überrascht wie den Rest der Bevölkerung seines Landkreises. In einer Landtagssitzung am vergangenen Dienstag sagte er: man sei "selbstverständlich davon ausgegangen", dass nach der Fusion mit dem kirchlichen Haus das gesamte medizinische Leistungsspektrum erhalten bleibe.
43 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"... man sei "selbstverständlich davon ausgegangen", dass nach der Fusion mit dem kirchlichen Haus das gesamte medizinische Leistungsspektrum erhalten bleibe."
Das nennt man landläufig 'Naivität'. Klein-Fritzchen sieht man das nach, aber bei einem Landrat gruselt es mich...
Wolle am Permanenter Link
kann man da nicht Kündigen ? Für die Arbeitnehmer wäre das auch das vernümtich !!
Wolfgang am Permanenter Link
Wird für viele Frauen kein Hinderungsgrund sein, es gibt noch genug andere Krankenhäuser, da schaut dann ein Jesus nicht so genau hin!
David am Permanenter Link
es gibt viele gläubige Frauen in der Kirche wenn die das so wollen, ist es ok. ich als Mann habe dazu keine Meinung
agender am Permanenter Link
ES GEHT UM GEMEINDEN UND KREISE, nicht um "Kirchengemeinden" - aus denen man/frau/tre austreten könnte!!!
Oli am Permanenter Link
Dass sie das aber für alle anderen Frauen mit-wollen, ist ganz bestimmt nicht ok. Sollen sie für sich aus religiösen Gründen entscheiden, Abtreibungen abzulehnen.
Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Diese Meinung stellt ein Armutszeugnis dar!
Thomas Göring am Permanenter Link
Begründung?
Sim am Permanenter Link
Sehr gute Nachricht. Wenn das bundesweit bekannt wird schneiden sich die christlichen Vereine damit selbst ins eigene Fleisch.
Thomas Göring am Permanenter Link
Hoffentlich! Aber welche politische Bewegung trägt denn den lauten Unmut über die deutsche "Kirchenrepublik"?
Andy am Permanenter Link
Ich fühle mich als würde ich Nachrichten aus den USA lesen -.-.
Der Artikel ließt sich so als sei diese Art der Leistungseinschränkung legal.
Verstehe ich das richtig?
agender am Permanenter Link
Die ganze Kirchenprivilegierung ist "legal".
Ulf am Permanenter Link
Die Kirchen dürfen alles. Zumindest tut niemand etwas dagegen.
Tom am Permanenter Link
Jeder Arzt kann den hippokratischen Eid ablegen! Nach dem ist ein Schwangerschaftsabbruch wie aktive Sterbehilfe verboten!
Gila am Permanenter Link
Das ist nicht korrekt:
Gesetz zur Vermeidung und Bewältigung von Schwangerschaftskonflikten (Schwangerschaftskonfliktgesetz - SchKG) § 12 Weigerung
(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Mitwirkung notwendig ist, um von der Frau eine anders nicht abwendbare Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung abzuwenden.
Elfie am Permanenter Link
es wird aber in diesem Kreis wohl noch andere KKH als eine Agaplesion Klinik geben
kalkfalke am Permanenter Link
Ja, eine psychiatrische Klinik in Rinteln, eine ambulante Augenklinik in Stadthagen sowie diverse Kurkliniken in Bad Nenndorf und Bad Eilsen. Keine davon führt Abtreibungen durch.
agender am Permanenter Link
bitte artikel lesen - einer der vielen Kreise, wo schon alles kaputtgespart ist.
Christian Knuth am Permanenter Link
Leider nein.
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Landkreis_Schaumburg
Peter Hortig am Permanenter Link
Haben Sie den Artikel nicht gelesen? Dort steht, dass es keine andere Klinik und kein anderes KKH im Kreis gibt.
Siegrun am Permanenter Link
Wieso ist sowas zulässig?
Zur Abtreibung gibt es eine klare rechtslage in Deutschland, die finde ich zwar immer noch zu restriktiv, aber wieso darf ein Krankenhaus das außer Acht lassen?
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ein Skandal ist es für mich auch, dass damit eine große Anzahl Beschäftigte de facto zwangsweise dem kirchlichen Arbeitsrecht unterworfen (!) werden !
Braucht man wirklich viel Phantasie, um sich vorstellen zu können, dass das einen selbst mal betreffen könnte ? Dass die eigene Tochter Opfer einer Vergewaltigung werden könnte? Dass man dann händeringend nach einem Arzt sucht, der eine Abtreibung durchführt und zwar ohne hochnothpeinliche Verhöre im Stil „hat sie sich auch wirklich richtig gewehrt ?“ oder „war ihr Rock auch nicht zu kurz ? ...“. Ein(e) Polenkenner(in) möge mich berichtigen, wenn das zur Zeit in Polen nicht genau so läuft.
Und sollte sie auch nur die „Pille danach“ genommen haben, wird sie von diesen „Marschierern fürs Leben“ als Mörderin beschimpft !
Was für eine bodenlose Unverhältnismäßigkeit. Die Kirchen habe ein gestörtes Verhältnis zu Tätern und Opfern: Die Barmherzigkeit lassen sie lieber den Tätern angedeihen.
Menschen mit Geld und Beziehungen werden immer einen Weg finden, ihren Töchtern zu „helfen“; so gesehen ist diese Entwicklung, dass die Kirchen immer unverblümter ihre überhöhten Moralvorstellungen mithilfe ihrer vom Staat zugestandenen Privilegien durchsetzen, auch ein weiterer Beitrag zur Spaltung der Gesellschaft und zur Festigung der Kumpanei von Thron und Altar.
Svoernie am Permanenter Link
Die Zahl der Abtreibungen wird dadurch nicht verringert werden - die Abortion wird nur vom medizinisch Überwachten in das gefährlich Verborgene verschoben!
SaoiAebi am Permanenter Link
Ach, wieder mal die Fundis, die keinen einzigen Beweis für ihr übernatürliches (i.e.
Und dann gleichzeitig Millionenfach andere Lebewesen töten, nur weil es gut schmeckt, aussieht oder just for fun (Jagd).
Willkommen in der Welt der Heuchelei.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Man muss nicht an Gott oder sonst irgendetwas Übernatürliches glauben, um gegen Abtreibung zu sein. Man kann z.B.
Die Reduktion auf die Genetik ist natürlich etwas eng geführt. Ein Mensch wird nicht nur durch die Gene definiert, sondern auch durch seine Umwelt, seine Wahrnehmung und seine Geschichte (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft). Je nach Blickpunkt wird man den Beginn des Lebens etwas anders einordnen.
Nach vielen Abtreibungsdiskussionen bin ich zum Schluss gekommen, dass fünf Fragen entscheidend sind. Auf keine dieser Fragen gibt es eine einwandfreie, alle überzeugende Antwort.
1) Was ist Leben?
2) Was ist ein Lebewesen?
3) Was ist ein Mensch?
4) Woher kommen / Wer vereiht die Menschenrechte?
5) Was ist einem Menschen zumutbar, um ein Menschenleben zu retten?
Die fünfte Frage ist nur themenrelevant, wenn man nach den ersten vier Fragen dem Embryo Menschenrechte zugesteht.
Meine Ansicht lautet: Solange wir nicht ganz sicher sein können, dass ein Embryo kein Mensch mit Menschenrechten ist, dürfen wir auch keine Embryonen töten.
Sie sehen: Ich komme ganz ohne "übernatürliches (i.e. fiktives) Über-Ich" aus. Außer, Sie betrachten Menschenrechte schon als fiktives Über-Ich.
Manfred H. am Permanenter Link
Darüber gibt es ein sehr empfehlenswertes Büchlein: "Wann ist der Mensch ein Mensch? Antworten der Neurowissenschaft auf ethische Fragen" von Michael S. Gazzaniga.
Gazzaniga zieht übrigens bei dieser Frage die Grenze "bei der 23. Woche, wenn der Fötus mit ein wenig Hilfe auf einer Neugeborenenstation überleben und sich zu einem denkenden Menschen mit normalem Gehirn entwickeln kann. Das ist dasselbe Alter, das der Supreme Court in einer Entscheidung im Jahr 1992 als Beginn der Lebensfähigkeit des Fötus festgelegt hat."
Gila am Permanenter Link
Einem Embryo, bis zur 11. Woche ohne Hirnstamm, bis zur 24.
Siegrun am Permanenter Link
Danke, Gila, Sie haben es auf den Punkt gebracht!
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Menschenrechte sind an das Vorhandensein eines Bewusstseins gebunden" - Können Sie das begründen? Muss das Bewusstsein gerade im Moment vorhanden sein?
Manfred H. am Permanenter Link
"Muss das Bewusstsein gerade im Moment vorhanden sein?"
Hm. Was ist ein Bewusstsein in der Vergangenheit? Wie wollen Sie das Bewusstsein Napoleons töten bzw. dessen Menschenrechte verletzen? Wie wollen Sie die Menschenrechte von jemandem verletzen, von dem Sie überhaupt nicht wissen, ob er jemals geboren wird?
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Manche Menschen sind bewusstlos. Manche sind im Koma. Bei denen ist das Bewusstsein im Moment nicht vorhanden. Aber es war einmal vorhanden.
Dazu ein reichlich konstruierter, aber doch denkbarer Fall:
Ein Jugendlicher hat einen schweren Unfall und er fällt ins Koma. Aus irgendwelchen Gründen stellen die Ärtze fest, dass ausschließlich sein Gedächtnis geschädigt ist, dieses aber vollständig. Das heißt: Wenn er aus dem Koma erwacht, dann wird er keinerlei Erinnerung an sein bisheriges Leben haben. Ansonsten aber wird er wieder völlig gesund werden - auch geistig. Hat er ein recht auf Leben?
Um auch andere Aspekte der Abtreibungsproblematik abzudecken, kann man dieses Gleichnis weiter ausbauen. Man kann den Jugendlichen z.B. zum Waisenknaben machen, der in einem schlecht geführten Heim lebt (um auch die sozialen Aspekte zur Geltung zur bringen).
Oder, um den Aspekt der werdenden Mutter einzubauen: Der Komatöse ist einer von nur zwei Überlebenden eines Schiffsunglücks auf einer einsamen Insel. Die andere Überlebende muss sich während seiner Rehabilitationsphase um ihn kümmern, was zu Lasten anderer höchst wichtiger Dinge geht (Hüttenbau, Nahrungssuche, Signale an Rettungsmannschaften). Darf sie ihn während seines Komas töten? Er würde nichts spüren, und sein früheres Leben ist ohnehin ausgelöscht.
Hier erscheint mir die Parallele zum Embryo recht gut dargestellt. Beide - ein Embryo wie ein Komapatient mit Amnesie - haben jetzt kein Bewusstsein, haben keine verwertbare Vergangenheit, aber sehr wohl eine Zukunft.
Manfred H. am Permanenter Link
Jetzt weiß ich, was sie meinten, vielen Dank.
Ansonsten möchte ich eigentlich nur noch bzgl. Ihrer Aussage: "Meine Ansicht lautet: Solange wir nicht ganz sicher sein können, dass ein Embryo kein Mensch mit Menschenrechten ist, dürfen wir auch keine Embryonen töten." anmerken, dass ich dies insofern unbefriedigend finde, als wir das ja nie herausfinden werden und auch gar nicht können.
Es handelt sich ja schlichtweg um eine rein willkürliche Definition einer Gesellschaft, ab welchem Zeitpunkt man von einem Menschen mit Menschenrechten spricht.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Manfred H.!
Ich finde es schön, dass Sie sich bemühen, andere Meinungen zu verstehen - auch dann, wenn Sie sie nachher nicht teilen. Nur so funktioniert ein Zusammenleben.
Zu "willkürlich": Ich hoffe sehr, dass man den Menschen und die Menschenrechte nicht willkürlich vergibt. Ich halte z.B. die derzeit auch auf dieser Seite sehr energisch geführte Debatte um Primatenrechte sehr wichtig. Und hier wird viel argumentiert - naturwissenschaftlich und philosophisch - und nicht willkürlich beschlossen.
Unser Wissen über Embryologie hat sich immerhin in den letzten Jahrzehnten vervielfacht. Wir wissen jetzt, dass ein Embryo im zweiten Monat weder ein Mensch im Miniaturformat noch ein amorpher Zellklumpen ist. Das führt zu keiner endgültigen Entscheidung.
Aber dass z.B. Afrikaner genauso Menschen wie Europäer sind, dass ist keine willkürliche Entscheidung, sondern eine wissenschaftliche Gewissheit. Vielleicht wissen wir eines Tages über Embryos genauso sicher Bescheid.
Unwissenheit ist natürlich immer unbefriedigend. Deshalb bin ich sehr für interdisziplinäre Forschung (zwischen Medizinern, Biologen, Philosophen, Juristen). Aber den Grundsatz "Im Zweifel nicht töten" halte ich doch für seriös.
Zu Ihre Buchempfehlung: Ich habe inzwischen ein paar Rezensionen gelesen. Selbst wenn ich mit den Schlussfolgerungen des Autors nicht einverstanden bin (Warum will er das Lebensrecht an die Lebensfähigkeit mit etwas klinischer Hilfe und nicht mit der natürlichen Hilfe der leiblichen Mutter koppeln?), scheint es ein hochinteressantes Buch mit wichtigen Informationen für dieses für mich brennende Thema sein. Ich hoffe, dass ich demnächst dazu komme, es zu studieren.
Danke für Ihre Empfehlung und Ihre sachliche Diskussionskultur!
Gila am Permanenter Link
"Warum reicht dann kein höchstwahrscheinlich in der Zukunft eintretendes Bewusstsein?"
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Der männliche Same ist einwandfrei ein Körperteil des Mannes. Ein Embryo hingegen ist, jedenfalls aus genetischer Sicht, kein Körperteil der Frau. Das ist der eine Unterschied.
Außerdem sollte man nicht "potentiell möglich" mit "im Werden" verwechseln. Aus jedem Samen, wie aus jeder Eizelle, kann möglicherweise später einmal ein neues Lebewesen entstehen. Aber vor der Verschmelzung ist noch nichts Neues entstanden. Es ist nur möglich.
Ab der Verschmelzung ist aber bereits etwas Neues entstanden. Und dieses Neue entfaltet sich. Ein Prozess hat begonnen, der erst beim Tod enden wird.
Onanieren verhindert also einen Prozess vor vorhinein. Eine Abtreibung unterbricht ihn. Hier sehe ich einen großen Unterschied.
Es gibt tatsächlich Theologen, die das Onanieren mit der von Ihnen erwähnten Begründung ablehnen. Ich halte diese Begründung aber für falsch.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Es gibt tatsächlich Theologen, die das Onanieren mit der von Ihnen erwähnten Begründung ablehnen. Ich halte diese Begründung aber für falsch."
Es ist sogar noch extremer. Da "Gott" beim Diktat der Bibel noch nichts von Samen- und Eizelle wusste, gingen die Menschen von der Präformationslehre aus, die Anaxagoras im 5. Jh. v. u. Z. entwickelte. Der zufolge trägt die Frau nichts zum werdenden Kind bei, sondern ist nur das Gefäß für die Minimenschen, die der Mann in die Frau spritzt.
Nur so funktioniert das Märchen von Maria, die einen "Gott" gebären kann, weil Josef seinen Minimensch nicht in seine Frau spritzte, sondern der heilige Geist den Sohn Gottes in dem Gefäß hinterlegte, um ihn jungfräulich austragen zu lassen. Hätte man damals schon etwas von weibl. Eizellen gewusst, hätte das Märchen anders geschrieben werden müssen.
Aber wegen dieser erst im 19. Jh. von Gregor Mendel widerlegten Präformationslehre hielt man Onanie und Homosexualität für Mord, weil die Minimenschen dabei ja nie in ihrem Gefäß ankommen können. Analog ist die Verwendung von Verhütungsmitteln Mord, weil sie Minimenschen zum Tode verurteilen. Die Abtreibung fällt da gar nicht stärker ins Gewicht, denn die Größe des Minimenschen ist sekundär. Onan musste durch "Gottes" Hand sterben, weil er seinen Samen nicht in die ihm zugeteilte Frau spritzte.
Es ist schon blöde, wenn man pseudoethische Begründungen auf Basis fehlerhaften Wissens der Antike aufbaut. Religiöse wollen ja nicht einmal Toten ein würdevolles Ende ihrer Existenz gestatten und verurteilen sie zu einem "ewigen Leben" mit ihrer unsterblichen Seele.
Wenn diese Seele existiert und bereits in einer befruchteten Eizelle zu finden ist, dann wird ja durch die Abtreibung etwas Wunderbares eingeleitet: Der beschleunigte Umzug an die Seite eines gütigen, liebevollen "Gottes", der sich um seine Schäfchen sorgt. Was Schöneres kann einer Seele geschehen...?
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Ihre Ausführungen über Präformationslehre überraschen mich etwas. Zunächst deshalb, weil ich davon noch nie etwas gehört habe.
Überhaupt nicht passt die Präformationstheorie zur Dogmengeschichte und zum Marianismus. Und da kenne ich mich dann doch besser aus als in der Medizingeschichte.
In der Antike wurde lange darüber diskutiert, ob Jesus Christus Gott oder Mensch oder beides ist. Das ist heilsgeschichlich wichtig, was Sie, Herr Kammermeier, wahrscheinlich wenig interessiert. Zum obigen Thema aber ist die Antwort auch erhellend: Jesus Christus ist Gott und Mensch. Er hat die göttliche Natur von Gott Vater, die menschliche Natur von Maria. Maria hat Jesus eben nicht nur als Gefäß ausgetragen; sie hat ihm die menschliche Natur gegeben. Ganz offensichtlich waren die Kirchenväter keine Anhänger des Anaxagoras.
sven behrens am Permanenter Link
Zuerst einmal es gibt kein Recht auf vorgeburtliche Kindstötungen!
§218 ist da ganz deutlich
https://dejure.org/gesetze/StGB/218.html
Verzichtet wird lediglich auf Strafverfolgung wenn gewisse Regeln eingehalten werden, dazu gehört ein Beratungsschein, der u.a. auch von Organisationen wie " pro familia " ausgestellt werden.
Im übrigen ist es ein Armutszeugnis für eine zivilisierte Gesellschaft wenn sie die Tötung von Menschen als Option zu Lösung von " Problemen" sieht.
Man sollte erwarten das wir aus unserer Geschichte des letzten jahrhunderts gelernt hätten. Bei einigen Kommentatoren hier bezweifel ich das allerdings!
Manfred H. am Permanenter Link
Sie haben leider zu früh mit dem Lesen aufgehört. Es geht nämlich weiter mit §218a: (1) "Der Tatbestand des § 218 ist nicht verwirklicht, wenn..."
"Nicht verwirklichen" übersetzen Sie offenbar recht willkürlich mit "auf Strafverfolgung verzichten". Da war wohl der Wunsch Vater des Gedankens.
Im ersten Dritt... am Permanenter Link
Bitte mal dieses Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 1993 komplett lesen. Damit könnte man die Entwicklung einsortieren.
http://groups.csail.mit.edu/mac/users/rauch/nvp/roe/bv088203_nonav.html
Ich zitiere:" § 218 des Strafgesetzbuches in der Fassung des Schwangeren- und Familienhilfegesetzes findet keine Anwendung, wenn die Schwangerschaft innerhalb von zwölf Wochen nach der Empfängnis durch einen Arzt abgebrochen wird, die schwangere Frau den Abbruch verlangt und dem Arzt durch eine Bescheinigung nachgewiesen hat, daß sie sich mindestens drei Tage vor dem Eingriff von einer anerkannten Beratungsstelle (vgl. Nummer 4 dieser Anordnung) hat beraten lassen. Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen unberührt."
Ich hebe hervor " Das grundsätzliche Verbot des Schwangerschaftsabbruchs bleibt auch in diesen Fällen unberührt."
Das Bundesverfassungsgericht, so verstehe ich es räumt also die Straflosigkeit nach einer Beratung ein, ABER... Das grundsätzliche Verbot des Abbruches ist nicht aufgehoben!
Somit ist meine Aussage nicht falsch und nicht der Wunsch Vater des Gedankens wie Sie so schön formulieren!
Manfred H. am Permanenter Link
Ich weiß nicht, was Sie mit diesem Satz zum Ausdruck bringen wollen: "Verzichtet wird lediglich auf Strafverfolgung wenn gewisse Regeln eingehalten werden".
Das ist aber bei der Fristenlösung nicht der Fall. Es gibt keine generelle Kriminalisierung. Es gibt einfach eine Regel mit zahlreichen Ausnahmen. Ansonsten ist Ihre Aussage zwar sachlich richtig, aber trivial.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Manfred H.!
Juristen, die es besser wissen als ich, bitte ich um Korrektur.
In Österreich ist die Lage etwas anders:
Die Tat ist unter den bekannten Voraussetzungen "nicht strafbar".
Das ist dieselbe Formulierung wie bei der Strafunmündigkeit von unter-14-jährigen. Auch deren Taten sind "nicht strafbar".
Hingegen heißt es bei der Notwehr "nicht rechtswidrig".
Eine Abtreibung in einem Ambulatorium gilt also als ähnliches Übel wie ein Verbrechen eines 12-jährigen.
Kein Mensch wird sagen, dass ein 12-jähriger das Recht hätte, einzubrechen. Seine Tat ist nur nicht strafbar. Rechtswidrig ist sie aber durchaus.
Ebensolches scheint für eine Abtreibung zu gelten.
Der Gesetzgeber hätte ja auch die Formulierung "nicht rechtswidrig" verwenden können, wie er es bei der Notwehr getan hat. Ein Mensch hat nämlich das Recht, einen anderen zu verletzen oder gar zu töten, wenn er sein Leben nicht anders verteidigen kann.
Ein Recht auf Abtreibung scheint es nach der österreichischen Gesetzeslage aber nicht zu geben.
Noch einmal: Juristen, die es besser wissen als ich, bitte ich um Korrektur.
Manfred H. am Permanenter Link
Danke, Herr Schönecker, das war genau der Grund, weshalb ich nicht verstanden habe, was Herr Behrens mit seinem Verweis auf das mittlerweile obsolete Verfassungsurteil denn nun sagen wollte.