Expertinnenkommission gibt Votum ab

Plädoyer für liberaleres Abtreibungsrecht

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Offiziell sollten die erwartet brisanten Ergebnisse erst in der kommenden Woche vorgestellt werden. Doch über den Spiegel sickerte schon am Dienstag der Kern dessen durch, was eine Regierungskommission nun vorschlagen wird: Eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts in Deutschland.

Die Bundesregierung hatte vor einem Jahr ein interdisziplinär zusammengesetztes Gremium, besetzt mit 18 Expertinnen und Experten aus den Fachbereichen Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften eingesetzt. Arbeitsauftrag: Zu prüfen, ob frühe Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr unter Strafe gestellt werden sollen. Weiterer Prüfauftrag: Mögliche Neuregelungen von Eizellspende und Leihmutterschaft.

In der neunköpfigen Arbeitsgruppe zum Thema Schwangerschaftsabbruch saßen ausschließlich Frauen, Professorinnen verschiedener Disziplinen. Das Gremium hat freilich keine gesetzgebende Kompetenz, entscheiden muss der Bundestag. Doch da dürften die politischen Lager schon in allernächster Zeit heftig in Streit geraten angesichts des Vorschlags, den die Expertinnen nun laut Spiegel machen. Empfohlen wird danach nämlich eine generelle Straffreiheit von Schwangerschaftsabbrüchen innerhalb der ersten zwölf Wochen.

Bislang ist die Rechtslage so: Schwangerschaftsabbrüche gelten nach Paragraf 218 Strafgesetzbuch grundsätzlich als rechtswidrig. Sie bleiben aber unter bestimmten Umständen straffrei, etwa wenn das Leben der Schwangeren gefährdet ist oder wenn der Schwangerschaft sexuelle Gewalt vorausgegangen ist. Auch straffrei bleibt ein Abbruch, wenn er innerhalb der ersten zwölf Wochen erfolgt und die Schwangere sich zuvor einer Pflichtberatung unterzogen sowie eine Wartefrist eingehalten hat.

Laut Spiegel kommt die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission in ihrem Abschlussbericht nun zu dem Schluss, dass die derzeitigen Regelungen im Strafgesetzbuch einer "verfassungsrechtlichen, völkerrechtlichen und europarechtlichen Prüfung" nicht Stand hielten. Stattdessen müssten Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen grundsätzlich als rechtmäßig gelten.

In der Spätphase der Schwangerschaft, also wenn der Fötus eigenständig lebensfähig ist, sollten Abbrüche laut Kommission hingegen weiterhin verboten bleiben. Diese Grenze liegt den Expertinnen zufolge ungefähr in der 22. Woche seit Beginn der letzten Menstruation. Welche Regelung in den Wochen zwischen Früh- und Spätphase gelten soll, sei nach Ansicht der Kommission dann Sache des Gesetzgebers. Aus Sicht der Expertinnen könnte es also auch rechtmäßig sein, Abbrüche über die zwölfte Woche hinaus zu erlauben, schreibt der Spiegel.

Nach der Empfehlung der Expertinnen bleibe es dem Gesetzgeber überlassen, an einer Beratungspflicht festzuhalten oder diese abzuschaffen. Dann aber solle es ein "flächendeckendes, niedrigschwelliges, barrierearmes und vielsprachiges Beratungsangebot" geben.

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Auch der Zentralrat der Konfessionsfreien sowie das von der Giordano-Bruno-Stiftung gegründete Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) hatten gegenüber der Expertenkommission ein Votum abgegeben – und sich dabei für eine vollumfängliche Legalisierung des selbstbestimmten Schwangerschaftsabbruchs ausgesprochen – ohne jegliche Fristen und Beratungspflichten, "da alles andere auf dem Boden der Verfassung juristisch nicht zu begründen wäre", plädierten ifw-Direktor Jörg Scheinfeld und seine Stellvertreterin Jessica Hamed. Lediglich der Schwangerschaftsabbruch gegen oder ohne den Willen der Schwangeren sei weiterhin unter Strafe zu stellen, "weil er ebenso wie die derzeitig geltende Austragungspflicht das Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Frauen verletzt".

Das ifw hat soeben eine ausführliche Darstellung des Falles Kristina Hänel und seiner Folgen für die neue Debatte zum Schwangerschaftsabbruch herausgegeben. Der Band aus der Reihe "Schriften zum Weltanschauungsrecht"​​​​​​​ kann auch über die Seite des Instituts heruntergeladen werden.

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