Nigerianischer Bundesstaat unterwirft Schaufensterpuppen islamischem Recht

Völlig kopflos

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Wer bei diesem Anblick "unkeusche" Gedanken bekommt, benötigt wohl dringend psychologische Hilfe.
Schaufensterpuppen

Einer der zwölf nach islamischem Recht geführten Bundesstaaten des bevölkerungsreichsten afrikanischen Landes, Nigeria, versucht sich an einer äußerst ausschweifenden Auslegung der Scharia. Seit einiger Zeit ist es Schneider*innen und Boutiquen in Kano nämlich verboten, Schaufensterpuppen zur Präsentation ihrer Kollektionen zu nutzen – außer, die Puppe hat weder Kopf noch Körperform.

In zwölf von 36 Bundesstaaten Nigerias gilt die Scharia ergänzend zu weltlichem Recht und der 1999 verabschiedeten Verfassung. Theoretisch sollten ihr nur muslimische Menschen unterworfen sein, doch eine Trennung von religiösem und weltlichem Recht erweist sich in der Praxis als schwierig.

Durchgesetzt wird die Sharia in Kano von der Hisbah, einer Art Religionspolizei. Diese ist zwar nicht bewaffnet, doch dafür anscheinend nahkampfgeschult. Bekannt ist die Hisbah besonders für ihre Abneigung gegen Alkohol: Ende vergangenen Jahres vernichtete die Organisation Bier im Wert von fast einer halben Million Euro. Dr. Harun Ibn-Sina, Kommandant der Hisbah, hat indes eine neue Gefahr für das gesellschaftliche Moralgefüge ausgemacht: Mannequins.

Sündige Gedanken

"Mit einem Kopf sieht sie [die Puppe] aus wie ein Mensch", sagte Ibn-Sina der BBC. Besser gesagt: wie eine Frau. Und die müssen gemäß Scharia bekanntlich den Großteil ihres Körpers verhüllen, um keine Unruhe im frivolen Volk aufkommen zu lassen. "Das führt zu sündigen Gedanken und Gefühlen", warnt auch Ibn-Sina.

Ganz ehrlich: Wann haben Sie das letzte Mal auf die Figur einer Schaufensterpuppe geachtet? Wahrscheinlich noch nie. Dasselbe dürfte für die meisten Menschen in Kano gelten, bemerkt auch der Twitternutzer @uchennapaul.

Halliru Maraya, ein Sprecher des Islamischen Rates Nigerias, begründet die Entscheidung wie folgt: "Der Islam verbietet das Herstellen menschenähnlicher Statuetten, ganz egal, wie man diese nennt." Es ist nicht das erste Mal, dass Mannequins als haram (verboten) bezeichnet werden: Bereits 2009 versuchte die iranische Religionspolizei die Nutzung von Schaufensterpuppen mit Kopf und Körperformen zu unterbinden, 2010 blies die Hamas ins gleiche Horn – jeweils mit mäßigem Erfolg.

Künftig soll die Hisbah also über die öffentlichen Märkte schlendern und Mannequins auf ihre Islamkonformität prüfen. Auch ein "Awareness-Programm" will Ibn-Sina der Bevölkerung verordnen, um über die Gefahren aufzuklären, die von menschenähnlichen Puppen ausgehen. In einem Bundesstaat mit über zwölf Millionen Einwohnern hat sich der verlängerte Arm der Scharia da einiges vorgenommen.


Hinweis der Redaktion: Der Bundesstaat Kano war es auch, der den humanistischen Aktivisten Mubarak Bala wegen Blashemie verhaftete und anklagte.

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