Evangelische Kirche in Bayern schafft Kirchensteuer für Atheisten und Muslime ab

"Wir gönnen Ihnen den Triumph"

steuererklarung.jpg

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) hat nach juristischem und öffentlichem Druck entschieden, das "besondere Kirchgeld" rückwirkend zum 1. Januar 2018 durch eine Änderung ihres Kirchensteuererhebungsgesetzes abzuschaffen. Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) begrüßt die Entscheidung, stellt jedoch in seinem Kommentar weiteren Handlungsbedarf in Sachen Kirchensteuer fest.

Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) hat auf ihrer Herbstsynode am 29. November 2018 mit großer Mehrheit und ohne Gegenstimmen beschlossen, das besondere Kirchgeld rückwirkend zum 1. Januar 2018 durch eine Änderung ihres Kirchensteuererhebungsgesetzes abzuschaffen.

Das besondere Kirchgeld war im Freistaat seit dem Jahr 2004 zu entrichten. Positiv betroffen von dieser Entscheidung sind landesweit rund 30.000 der insgesamt 2,4 Millionen Kirchenmitglieder (sowie ihre nicht-evangelischen Ehegatten). Die Landeskirche verliert damit nach Medienberichten rund 13 Mio. Euro jährlich an Steuereinnahmen. Dieser Betrag ist für die Kirche nicht erheblich, da sich die Erträge der ELKB im Jahr 2017 auf 944 Mio. Euro summierten. Wichtig war die Abschaffung des besonderen Kirchgeldes, weil durch die Anknüpfung an das gemeinsam zu versteuernde Einkommen auch Nichtkirchenmitglieder Kirchensteuer zahlen mussten, etwa Atheisten und Muslime.

Nach Berechnungen von Dr. Korndörfer vom Informationsportal kirchgeld-klage.info gibt es bundesweit mindestens eine Million glaubensverschiedene Ehen, die vom besonderen Kirchgeld betroffen sind, etwa die Hälfte davon sind Doppelverdienerehen. Auf dem Portal finden sich auch Auswertungen zu 60 Entscheidungen zum Themenkreis "besonderes Kirchgeld" unter dem Aspekt "Doppelverdiener", darunter über 30 höchstrichterliche.

Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) hatte auf juristischem Wege, u. a. durch zwei Musterprozesse (Fall 1, Fall 2), die Rechtsfigur des besonderen Kirchgeldes gezielt unter Druck gesetzt. Am Tag nach der Entscheidung gratulierten die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern (ELKB) und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm über Twitter dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw): "Wir gönnen Ihnen den Triumph."

Deutschlandweiter Handlungsbedarf bei den Kirchen

Von der evangelischen Kirche in Bayern wird das besondere Kirchgeld nun nicht mehr erhoben, jedoch nach wie vor noch von den anderen evangelischen Landeskirchen, von etlichen katholischen Bistümern sowie einer Reihe kleinerer Religionsgemeinschaften. Hierzu meldete die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) auf ihrem Portal: "Bayerische Landeskirche schafft als erste 'besonderes Kirchgeld' ab".

Das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw), das sich für die Abschaffung des staatlichen Kirchensteuereinzugs insgesamt einsetzt, hat die Abschaffung des besonderen Kirchgeldes in Bayern auf seiner Website ausführlich kommentiert.

Dr. Jacqueline Neumann vom Institut für Weltanschauungsrecht kommentiert: "Lässt die Eröffnung einer Zahlenreihe mit der Nummerierung als 'erste' erwarten, dass zwei, drei, vier, ganz viele Landeskirchen folgen werden? Dazu gibt es derzeit keine ernstzunehmenden Hinweise. Der bayerische Landesbischof, Heinrich Bedford-Strohm, ist derzeit Ratsvorsitzender der EKD. Würde die Kirche mit der Abschaffung des besonderen Kirchgeldes über Bayern nicht hinausgehen, müsste der Ratsvorsitzende erklären, weshalb er bei seiner Landeskirche in Bayern die Abschaffung für rechtlich und gesellschaftlich geboten hält, nicht jedoch zum Beispiel in NRW oder den anderen Bundesländern."

Die bayerische Landeskirche hat erklärtermaßen durch ihren Schritt vermieden, dass ein Gericht ihr rechtswidriges Handeln bescheinigt. "Dieser Strategie sollten sich die anderen 19 Landeskirchen und die betroffenen katholischen Bistümer anschließen", so Neumann. Denn: "Angesichts der Rechtslage sollten die Kirchen überall den Weg zur Abschaffung des besonderen Kirchgeldes frei machen, um die Gerichte und die Betroffenen von weiteren langwierigen Prozessen zu entlasten. Ihr kirchliches Einnahmesystem sollte verfassungskonform ausgestaltet werden."