BERLIN. (hpd) Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad möchte mit seinem Buch "Mohamed – Eine Abrechnung" eine offene Diskussion über die bestehende Unantastbarkeit des Propheten anstoßen. Seine Kritik geht dabei vielen zu weit. Nun wurde gegen Abdel-Samad eine Anzeige wegen Volksverhetzung erstattet.
Hamed Abdel-Samad portraitiert in seinem Buch "Mohamed – Eine Abrechnung" den Propheten als einen widersprüchlichen Prediger, der in seinem historischen Kontext betrachtet werden muss. Vehement tritt Abdel-Samad dafür ein, Mohamed endlich von seinem unverdienten Thron zu stoßen und seine Unantastbarkeit zu beenden. Denn der Prophet war auch ein "Massenmörder" und ein "krankhafter Tyrann", meint der umstrittene Islamkritiker.
Dass seine Thesen kontrovers diskutiert werden, ist ein erklärtes Ziel. "Ich will mehr Unruhe stiften. Es ist Zeit, dass Mohammed als Mensch beleuchtet wird. Mohammed ist vor 1.400 Jahren gestorben, aber begraben wurde er nie richtig. Er liegt in seinem Sarg und regiert von seinem Sarg aus. Er hat Macht über unsere Welt heute, die er nicht kennt", erklärte Abdel-Samad nach der Buchveröffentlichung in einem ARD-Interview.
Nun wurden allerdings rechtliche Schritte gegen Hamed Abdel-Samad eingeleitet: "Irgendjemand hat eine Anzeige gegen mich wegen Volksverhetzung erstattet. Die Staatsanwaltschaft Berlin nimmt die Anzeige offensichtlich ernst. Also wurde ich gestern vernommen. Es geht um mein Buch 'Mohamed – Eine Abrechnung', genauer gesagt um die Aussage, dass Mohamed ein 'Massenmörder und krankhafter Tyrann' war", schrieb Abdel-Samad am Freitag Abend auf seiner Facebook-Seite und beklagte: "Dass ein Schriftsteller im 21. Jahrhundert eine historische Figur aus dem 7. Jahrhundert nicht kritisieren darf, dafür aber andere Religionsgründer und historische Figuren durch den Kakao ziehen kann, ist mir ein Rätsel. Dass dies auch noch mitten in Europa über 220 Jahre nach Kant und Voltaire geschieht, ist kein Zeichen von Fortschritt!"
In einem Kommentar äußerte sich Abdel-Hakim Ourghi, Leiter der Abteilung für Islamische Theologie und Religionspädagogik an der PH Freiburg, kritisch zur Sache: "Leider dürfen wir unser religiöses Erbe nicht mehr frei erforschen und nicht mal kritisieren. Entweder wären wir deswegen keine Muslime oder Islamophobe. Die Freiheitsforschung ist die oberste Bedingung für eine Renaissance. Inzwischen auch im Westen werden Denkverbote institutionalisiert, obwohl das Feld der Erneuerung keine Grenzen hat. Immer wenn eine derartige Zensur auftritt, gewinnt die Zeit der Stagnation und der Verschlechterung."
31 Kommentare
Kommentare
Wolfgang am Permanenter Link
Kritik an einer islamischen Religion endet als Volksverhetzung.
Aha!
Ist der christliche Glaube, es gäbe eine Wiederauferstehung nach
Götter wurden von Menschen erfunden und kein einziger Gott hat den Menschen erschaffen. Und diese Äußerung nennt man Volksverhetzung? Ach du lieber Gott!
Hayagriva Serapis am Permanenter Link
Der Koran, die Sunna und die Hadithe enthalten die scheußlichste Volksverhetzung, die es gibt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wer, wie ich, das Vergnügen haben durfte, mit Hamed über eine Stunde intensiv über sein Buch und seine Intentionen zu sprechen, wer es gelesen hat, der spürt, dass es dieser mutige Mann auf freundliche Weise ernst mei
Der Islam selbst steht sich im Weg, wenn er Aufklärer wie Hamed bekämpft. Jede Religion muss sich ihren Stiftern stellen, ob dies Zarathustra, Jesus oder Luther ist, ob Buddha oder Joseph Smith Jr. und wie sie alle heißen, die glaubten höhere Wahrheiten empfangen zu haben.
Diese Wahrheiten - so wissen wir heute - waren nie "höher". Aber das wäre nicht das Schlimmste: Muslime klagen wegen Volksverhetzung? Weil Hamed Mohamed von seinem himmlischen Thron stößt?
Was machen denn Muslime? Sie haben Jesus von seinem Thron als Gottes Sohn gestoßen. Ist das keine Volksverhetzung? Nein, das ist Volksermordung, wenn ich mir die - auch die jüngere - Geschichte ansehe.
Soll jetzt ein gläubiger Christ Anzeige erstatten wegen Volkverhetzung, weil es Webseiten gibt, auf denen Imame Jesu Gottessohnschaft bezweifeln? Auf der Ebene "Islamkritik = Volksverhetzung" wäre dies sicher geboten.
Da Letzteres offenbar nicht geschieht, sollten auch Muslime einen Gang runterschalten und den wahrhaft Islamophoben nicht dauernd Munition für ihren rassistischen Kampf gegen alles Fremde liefern. Einfach mal entspannt studieren, was denn so vorgetragen wird an Religionskritik im Allgemeinen.
Und wer die überlieferte und von Muslimen geglaubte Biografie des "Propheten" anschaut, wird feststellen, dass er in der Tat ein 'Massenmörder und krankhafter Tyrann' war. Er hatte auch ein extrem krankhaftes Verhältnis zu Frauen und eine unglaubliche Geltungssucht.
Dieser Mensch - wenn es ihn in der geschilderten Form je historisch gab - darf für niemanden ein Vorbild sein. Kein Religionsstifter oder Spalter darf bedingungslos ein Vorbild sein, wie z.B. der Antisemit Luther. Oder Joseph Smith, der bald, nachdem er als Trickbetrüger verurteilt wurde, "göttliche" Visionen hatte.
Religion ist eine Geschäftsidee von Menschen, die im Grunde mit dem Leben an sich nicht klarkommen. Es sind die Gestrauchelten, um die sich ja (angeblich) Jesus besonders gekümmert haben soll.
Wir können diese Menschenbilder (ich halte sie größtenteils für zweckdienliche Projektionen, um genau in dieser Form als "Vorbild" zu dienen) nicht mehr ungefiltert in unsere Welt lassen. Sie müssen auf den Boden der Tatsachen geholt werden, solange ihnen nachgeeifert wird.
Und Mohamed stellt ein ganz besonderes Problem im Islam dar, was wir an extremen Nacheiferern seiner Person in Form des Daesch sehen.
Diese Kritik, wie sie Hamed äußert, sollte von aufrichtigen Muslimen, die einen friedlichen Islam leben wollen, auf das herzlichste begrüßt werden. Hamed will den Islam reinigen von falschen Vorstellungen und vor allem von einem falschen Vorbild.
Wenn jemand dagegen juristisch vorgeht, dann steht dieser - wer auch immer das ist - eher auf der Seite des Daesch, als auf der Seite eines aufgeklärten, friedlichen Islams. Egal, was bei der Anzeige herauskommt - es ist ein Schuss in den Ofen, der Muslimen schaden und Islamophoben Aufwind verleihen wird.
An beidem sollte kein ernsthaftes Interesse bestehen...
Dieter Bauer am Permanenter Link
Deulicher kann man "Wolkenkuckucksheimdenkern" nicht begegnen, sie von ihren abwegig zu nennenden Gehirnkonstrukten zu lösen versuchen. Die Erfolgsaussichten sind als niedrig einzustufen.
Oliver am Permanenter Link
Bitte den Link zum Kommentar von Herrn Ourghi korrigieren.
Der zeigt auch auf Abdel-Samads Facebook-Eintrag.
Was den Inhalt angeht: diese Anzeige ist absurd. Aber vielleicht wird durch das Gericht ja einiges an Inhalten ans Tageslicht (auch ans Licht der Öffentlichkeit?) gebracht, was mit der Anzeige mundtot gemacht werden sollte?
( Eine Variante des Streisand-Effekts... )
Felix Bölter am Permanenter Link
Dass es hierzulande derart dünnhäutige Gläubige gibt, die einen solcher Schritt für notwendig erachten, ist gleichermaßen ärgerlich wie bekannt.
Zu übersehen ist aber auch nicht, dass die Verpflichtung des Staates, bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes einer Straftat ohne Ansehen der Person den Sachverhalt auf Strafwürdigkeit zu prüfen, eine wichtige rechtsstaatliche Errungenschaft ist. Abdel-Samads Empörung kann ich daher nur sehr bedingt nachvollziehen - allerhöchstens die Tatsache, dass die Anzeige nicht direkt fallen gelassen, sondern er zur Vernehmung vorgeladen wurde, erscheint diskussionswürdig.
Es entbehrt dabei allerdings nicht einer gewissen Ironie, dass dieses Instrument des weltlichen Rechtsstaates eventuell von jemandem in Anspruch genommen wurde, für den das islamische Recht bedeutender erscheint als die deutsche Rechtsordnung.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Bölter,
"Zu übersehen ist aber auch nicht, dass die Verpflichtung des Staates, bei Vorliegen eines Anfangsverdachtes einer Straftat ohne Ansehen der Person den Sachverhalt auf Strafwürdigkeit zu prüfen, eine wichtige rechtsstaatliche Errungenschaft ist."
In der Regel ja. Bei offensichtlich unbegründetem Anfangsverdacht darf eine Ermittlungsverfahren jedoch auch eingestellt werden. Wenn jeder Anzeige - egal ob begründet oder nicht - mit gleicher Akribie nachgegangen werden müsste, wäre die Justiz noch überlasteter, als sie es ohnehin ist.
Was müsste also ein Staatsanwalt tun, um die Anzeige zu überprüfen? Schließlich kann es sich ja auch um eine Rufschädigungskampagne handeln, an der er sich nicht beteiligen sollte. Er würde wohl einen Experten zu Hameds Buch befragen. Eventuell würde er mit dem Droemer Verlag Kontakt aufnahmen und mit dessen Justitiar den Fall besprechen. Schließlich handelt es sich in Hameds "Fall" nicht um islamophobe Wandschmierereien oder Hass-Mails im Internet.
Ein Buch durchläuft eine lange Wegstrecke vom Manuskript des Autors über das Lektorat (wo auch bei großen Verlagen eine juristische Prüfung [auch im Hinblick auf Plagiate] vorgenommen wird. Das erfolgt sehr gewissenhaft - zumal bei einem kitzligen Thema, wie dem Islam, dessen glühende Verehrer bekannt sind für lockersitzende "Gegenmaßnahmen".
Am Ende hätte der Staatsanwalt die Anzeige fallenlassen müssen, weil kein Anfangsverdacht einer "Volksverhetzung" erkennbar ist. Weder ist der Droemer-Verlag bekannt für rechtsradikale Schriften, noch ist Hamed je als Hassprediger - weder der einen oder anderen Seite - aufgefallen.
Eine pointierte Meinung, sogar ein wissenschaftliches Fachbuch, darf in Deutschland auch fehlerhaft sein. Wären unrichtige Aussagen in Büchern bereits strafbar, dann wäre der Kopp-Verlag längst verboten. Also muss sich der Staatsanwalt einer inhaltliche Prüfung sowieso enthalten (nur insoweit, wie Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt worden sein können. Aber der kritisierte Mohamed ist schon etwas länger tot).
Und trotzdem wird Hamed in obigem Artikel so zitiert:
"Die Staatsanwaltschaft Berlin nimmt die Anzeige offensichtlich ernst. Also wurde ich gestern vernommen."
Das ist in Anbetracht der Gesamtumstände nicht nur unangemessen, sondern setzt ein falsches Signal. Künftig müssten nur plötzlich justizaffin gewordene Muslime regelmäßig eine Anzeige gegen Hamed erstatten und er könnte praktisch ein Zimmer direkt neben dem Justizgebäude anmieten.
Nein! Der Staatsanwalt hätte klar erkennen müssen, dass Hamed kein Volksverhetzer ist, sondern ein völlig legitimes Buch in einem seriösen Verlag nach professioneller Prüfung veröffentlicht hat. Man mag mit dessen Inhalt nicht einverstanden sein, aber das muss man in einem Land der Meinungsfreiheit aushalten. So sind die Regeln und nur so funktioniert ein entspanntes Miteinander...
malte am Permanenter Link
Ich bin kein Jurist, aber ist die Tatsache, dass er zu dem Vorwurf befragt wird, tatsächlich ein Zeichen, dass die Staatsanwaltschaft die Anzeige "ernst nimmt"?
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Ich kann Abdel-Samads Empörung durchaus nachvollziehen. Dass ein wissenschaftliches Buch über Mohamed (das sowohl methodisch als auch in seinem Umgang mit dem Quellenmaterial überzeugt; s. z.B.
Elke Metke-Dippel am Permanenter Link
Es bedarf besonderen Mut, den Islam und seinen Propheten so deutlich zu kritisieren und eine Entmystifizierung zu fordern. Gut, dass diese Stimmen immer lauter werden und sich nicht den Mund verbieten lassen.
Der christliche Kulturkreis hatte schon vor 200 Jahren diese mutigen Vorreiter. Deshalb verdient Abdel Hamed-Samad unsere volle Unterstützung.
Dieter Hornemann am Permanenter Link
Wenn Sie Schutz und Beistand brauchen, Herr Abdel-Samad, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Ich bin seit über vier Jahrzehnten Ermittler in Sachen Menschenrechtsverletzungen.
Helga Beck am Permanenter Link
Die Dummheit des Menschen ist unbegreiflich groß.
Edgard L. Fuss am Permanenter Link
"..Es geht um mein Buch 'Mohamed – Eine Abrechnung', genauer gesagt um die Aussage, dass Mohamed ein 'Massenmörder und krankhafter Tyrann' war", schrieb Abdel-Samad am Freitag Abend auf s
Also wenn eine Anzeige wegen einer zu Recht umstrittenen - Passage aus einem Buch geschlossen wird daß man "eine historische Figur aus dem 7. Jahrhundert nicht kritisieren darf" spricht es weder für die Objektivität des Autors noch der hpd angesichts dieser Überschrift sondern eher um mimimi von Verschwöridioten und Sarrazinisten.
Auch die Ansicht daß es sich bei dieser Passage um Volksverhetzung handeln könne gehört zur Meinungsfreiheit, liebe "Humanisten"!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Auch die Ansicht daß es sich bei dieser Passage um Volksverhetzung handeln könne gehört zur Meinungsfreiheit, liebe "Humanisten"!"
Sicher gehört sie das. Doch niemand ist gezwungen, diese Ansicht für besonders intelligent zu halten. Und ein Staatsanwalt sollte nicht leichtfertig auf das Glatteis konservativer Islamvertreter schlittern...
Oliver am Permanenter Link
Eine Einzelperson als "Massenmörder und Tyrann" zu bezeichnen kann zutreffend/richtig oder falsch sein.
Wer darin Volksverhetzung sieht, setzt offenbar die Einzelperson und "ein Volk" / eine Personengruppe mit dieser Einzelperson gleich.
Eine solch starke Identifikation von Gruppe und Vorbild/Führerfigur findet man im faschistischen Gedankengut und seinem Führerkult. Dieses kann man also bei demjenigen finden, der diese Anzeige gestellt hat.
Abdel-Samad hat nicht grundlos vom islamischen Faschismus gesprochen, und er ist damit nicht der Einzige.
Diese Anzeige spricht daher Bände.
Antonia Colloni am Permanenter Link
Daraus schließe ich, dass auch die Daesch des "IS" faschistoid sind.
Ja, sehe ich auch so, dass der Anzeigenerstatter zunächst einmal verkünden will, dass er das islamische Volk spreche. Alleine schon das hätte diese Staats-anwaltschaft dechiffrieren können müssen. Es gibt keinen "Islamischen Staat". Gäbe es ihn, fände Erdogan das toll, doch der nennt das "Osmanisches Reich". Ja, was denn nun, beides das Selbe, oder wie?
Michael Paschko am Permanenter Link
"Auch die Ansicht daß es sich bei dieser Passage um Volksverhetzung handeln könne gehört zur Meinungsfreiheit, liebe 'Humanisten'!"
Falsches Argument. Für die Einleitung eines Strafverfahrens und den Umgang mit einer Strafanzeige durch eine deutsche Staatsanwaltschaft gelten höhere Anforderungen. Die Justiz darf eben nicht einfach eine Meinung haben. Sie muss sie auch juristisch rechtfertigen können.
Edgard L. Fuss am Permanenter Link
Ich habe den eindruck daß der Begriff der Volksverhetzung im strafrechtlichen sinne nicht klar ist:
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1. gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert
oder
2. die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet,
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Ich empfehle in diesem Zusammenhang mal die Kolumne des Bundesrichters Thomas Fischer in der ZEIT:
http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/volksverhetzung-strafrecht-fischer-im-recht
David am Permanenter Link
"Die Staatsanwaltschaft Berlin nimmt die Anzeige offensichtlich ernst. Also wurde ich gestern vernommen."
Für einen sekularen Rechtsstaat eine Schade. Den Antragsteller und den "ermittelnden" Staatsanwalt bitte benennen und kollektiv medial auslachen.
Michael Paschko am Permanenter Link
Wir sollten denen, die Öl ins Feuer gießen wollen, nicht auf den Leim gehen und mit Verkürzungen arbeiten.
Dieser Eindruck kommt allerdings dadurch zustande, das beim isolierten Zitieren dieser beiden Begriffe 99,8% der Aussagen seines Buches unterschlagen werden. An den Aussagen des Buches würde sich aber kaum etwas ändern, wenn diese beiden Begriffe nicht drin stünden. Hamed Abdel-Samad hat diese Begriffe ja gerade nicht mal einfach so rausgehauen, sondern sie sind eingebettet in eine umfangreiche wissenschaftliche Untersuchung und Argumentation. Wer die nicht zur Kenntnis nimmt, kommt zu falschen Schlussfolgerungen.
Ein weiteres Missverständnis oder vielleicht auch eine absichtliche Verdrehung ist die Verwechslung von hoheitlichem Handeln einer staatlichen Behörde wie der Staatsanwalt mit Kritik oder Meinungfreiheit.
So kommentiert z. B. Ruprecht Polenz auf Hameds Faceboookseite:
"Abdel-Samad beschwert sich, dass bei uns auch Islamkritiker nicht sakrosankt sind, sondern kritisiert werden dürfen. Er verwechselt Kritik mit Sanktionen. Er fragt rhetorisch, ob seines Buches wegen jemand geköpft worden sei statt zu überlegen, ob sein Buch vielleicht die Hemmschwelle gesenkt haben könnte, Frauen mit Kopftuch zu beleidigen."
Der Mann ist selbst Jurist. Er müsste es eigentlich besser wissen. Hamed Abdel-Samad hat ja keineswegs Kritik zurückgewiesen sondern das Handeln der Staatsanwalt kritisiert. Außerdem sollte Ruprecht Polenz vielleicht mal §130 StGB aufschlagen. Da kann man nachlesen, dass "vielleicht die Hemmschwelle senken" bei weitem nicht hinreichend ist, um auch nur in die Nähe der Kriterien für eine Volksverhetzung zu gelangen. Dass das einem Juristen unterläuft, zeigt deutlich, dass Ruprecht Polenz hier Hameds Kritik an der Staatsanwaltschaft mit Kritik an der Meinungfreiheit verwechselt.
Denn: Ja, man darf der Meinung sein, Hameds Buch würde "vielleicht die Hemmschwelle" senken, dass Frauen mit Kopftuch beleidigt werden. Das hat aber mit der Frage, ob eine Staatsanswaltschaft ein Verfahren wegen Volksverhetzung einleitet, gar nichts zu tun. Es zeigt ja auch niemand Ruprecht Polenz wegen Volksverhetzung an, weil sein Kommentar auf Facebook vielleicht die Hemschwelle senken könnte, das Islamkritiker als Islamophobe beschimpft werden.
Anke Zimmermann am Permanenter Link
Ja der Herr Polenz ist ein engagierter Kämpfer für den Islam: So barmt er auf einer Veranstaltung der Uni Münster:
"Ein „beträchtlicher Teil“ der Deutschen spreche dem Islam ab, eine Religion zu sein, kritisierte Polenz. „In Diskussionen um Moscheen oder Religionsunterricht bezeichnen sie ihn als politische Ideologie oder als faschistisch.“ Die Kirchen sollten sich daher als Leumundsbürgen für die dritte Weltreligion einsetzen. „Wenn man die christliche Botschaft ernst nimmt, gehört das dazu, ohne dass man dafür die theologischen Differenzen aufheben müsste.“ Das Recht auf Religionsfreiheit gelte auch für den Islam, betonte der Politiker. „Das wird in Deutschland aber nicht von allen ernst genommen.“
https://www.uni-muenster.de/Religion-und-Politik/aktuelles/2011/mar/PM_Ruprecht_Polenz_beklagt_Zerrbild_des_Islam.html
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Danke für den Hintergrund zu Herrn Polenz.
Dieser Satz zeigt dem Insider, wie wenig Ahnung er von der Materie hat:
"Wenn man die christliche Botschaft ernst nimmt, gehört das [das Einsetzen der christl. Kirchen für den Islam, Anm.] dazu, ohne dass man dafür die theologischen Differenzen aufheben müsste."
"... ohne dass man dafür die theologischen Differenzen aufheben müsste..."
Weiß dieser Jurist eigentlich, was er das behauptet? Allein bei Gottes Sohnschaft kommen sich die beiden Weltreligionen (das Judentum gehört offiziell nicht zu den Weltreligionen [diese sind: Brahmanismus, Buddhismus, chinesischer Universismus, Christentum und Islam]) schwer ins Gehege. Und das den Monotheismus begründende Judentum kann die christliche Trinität nicht akzeptieren.
Diese beiden Beispiele zeigen, dass sich diese "Weltreligionen" diametral widersprechen, was den erbitterten Kampf gegeneinander erklärt. Wie will Herr Polenz denn die "theologische Differenz" bei Jesu Gottessohnschaft aufheben? Ein Christ - gar ein überzeugter (die nicht überzeugten sind völlig irrelevant) - wird immer Jesus als Gottes Sohn ansehen, während ein überzeugter Moslem immer Jesu Gottessohnschaft als gotteslästerliches Teufelswerk (Die satanischen Verse in Bezug auf Allahs Töchter) ablehnt. Wie kann denn hier ein Konsens hergestellt werden, ohne diese "Differenzen" aufzuheben?
Außer - und das ist der von mir propagierte Weg - man einigt sich darauf, dass Christen nicht wissen können, wer Jesus genau war und die Muslime erklären, dass sie keine Ahnung von den familiären Verhältnisse Allahs haben. Doch dies würde implizieren, dass die Theologen ihre Behauptung, Kenntnisse über das himmlische Personal zu besitzen, widerrufen müssten.
Aber Herr Polenz hat da sicher auch einen lockeren Spruch parat, wie das zu lösen sei...
Michael Paschko am Permanenter Link
Ich glaube nicht, dass man Ruprecht Polenz als langjährigem CDU-Bundestagsabgeordneten, ehemaligen Generalsekretär der CDU und laut Wikipedia Vorsitzendem der christlich-muslimischen Friedensinitiative e. V.
Ich vermute, dass hier eine Übertragung der ökumenischen Denkweise auf den christlich-Islamischen Dialog vorliegt. Für die ökumenische Denkweise ist charakteristisch, dass man davon ausgeht, dass - weil man ja an denselben Gott glaubt - Unterschiede letztlich nur sekundär sein können, weil ja im Kern jeder Konfession das Gute selbst - Gott - sich befindet. Glaube an Gott kann daher niemals schlecht sein oder etwas, von dem man sich distanzieren kann. Daher sucht man nach Formelkompromissen, wie man trotz divergierender theologischer Traditionen von diesem einheitlichen Kern irgendwie so sprechen kann, dass beide Seiten das unterschreiben können. Anderes, wo man sich nicht einigen kann (etwa die Eucharistie bei Katholiken und Protestanten), lässt man im Dissenz stehen.
Auf ähnliche Weise wird man wohl im christlich-muslimischen Dialog verfahren.
Meiner Ansicht nach besteht der Irrtum in der ökumenischen Denkweise darin, dass man Gott als etwas Einheitliches annimmt, dass als Wirklichkeit hinter allen konfessionellen Ausprägungen steht. Schließlich kann sich jeder etwas anderes und völlig unvereinbares unter Gott verstehen, wenn er es denn nur will. Dieser Irrtum ist meiner Ansicht nach verursacht durch die Verunsicherung des Gläubigen in der Konfrontation mit anderen Konfessionen und Religionen, die seinem eigenen Glauben widersprechen. Ihre pure Existenz säht ja den Zweifel: Wenn die sich irren können (was sie ja tun müssen, denn sie widersprechen meinem Glauben), dann kann ich mich ja auch irren. Diese Verunsicherung wird dadurch behoben, dass man sich gegenseitig versichert, dass man beiderseits an dieselbe Wahrheit glaubt, die trotz aller Unterschiede im Hintergrund existiert. Dabei hilft die Logik des Glaubens, die ja darin besteht anzunehmen, dass der Glaubensakt allein schon genügt die geglaubte Wirklichkeit zu garantieren.
Man kann es auch etwas frech formulieren: Weil jeder Gläubige selbstverständlich davon ausgeht, dass Gott immer dieselbe Meinung hat wie er selbst, liegt es nahe, im Dialog mit Menschen, mit denen man sich auf genug gleiche Meinungen einigen kann, zu der Schlussfolgerung zu kommen, dass der Gott dahinter identisch sein muss. Die bestehenden Dissenzen lassen sich dann leicht als begrenzte sekundäre Irrtümer der jeweiligen Gegenseite interpretieren, auf denen man aber auch nicht allzusehr herumzureiten braucht. Und dann greift das gegenseitige Einverständnis: Wenn du mich mit meinen Irrtümern in Ruhe lässt, lasse ich dich auch mit deinen in Ruhe. So bewahren wir uns unsere Glaubensgewissheit und können ein Bier miteinander trinken (meinetwegen auch alkoholfrei).
Anke Zimmermann am Permanenter Link
Er hat einen flotten Spruch:
"...Niemand identifiziert sich allein durch seine Religionszugehörigkeit, sondern zum Beispiel auch durch sein Alter oder Geschlecht. Der eine geht oft in die Kirche, der andere nie. Die Türkenfurcht stammt noch aus der Zeit, als die Türken vor Wien lagen. Die Türkei war schon immer ein Teil des europäischen Mächtesystems, sie hat sich mal mit diesem und mal mit jenem christlichen Herrscher verbündet. Auch Spanien hat ein siebenhundertjähriges islamisches Erbe mit in die EU gebracht. Der Islam hat immer zu Europa gehört. Der Begriff christliches Abendland taucht in keinem der europäischen Verträge auf. Er wurde einst von denjenigen geschaffen, die sich gegen die Aufklärung wandten und das Mittelalter glorifizierten."
http://www.faz.net/aktuell/politik/europaeische-union/gespraech-mit-ruprecht-polenz-unsere-werte-sind-mit-dem-islam-kompatibel-1982022-p2.html
Michael Paschko am Permanenter Link
Dem würde auch Hamed Abdel-Samad zustimmen.
Er würde lediglich das Wort Islam austauschen gegen "Muslime":
Muslime haben immer schon zu Europa gehört.
Bei diesen Auseinandersetzungen ist ein gehöriges Maß an Missverständnissen im Spiel. Ich denke, dass im Kern dieser Missverständnisse steht, das religiös gebundene Menschen sich nicht mit einer prinzipiellen Religionskritik anfreunden können. Deswegen vermuten sie hinter einer grundsätzlichen Kritik an der Religion so oft Angriffe auf die Menschen.
Angelo Merkelli am Permanenter Link
Danke für diesen Klartext.
Heinz Jansen am Permanenter Link
Aber niemand braucht die Berliner Staatsanwaltschaft ernst zu nehmen.
Adrienne Schwanner am Permanenter Link
Ich verstehe nicht , wo das Problem liegt ?
Die Islam Fanatikern , wie die ticken , ich glaube müssen wir nicht näher bezeichnen ......
Gott sei dank , dass der Herr Hamed Adbel- Samad sich die Mühe genommen hat und auf die Gefahren hinweist ! Wenn die Glaubensbrüder im einen Zivilisation , sprich Europa leben wollen , MÜSSEN sie den Islam reformieren ! Europa lebt nicht mehr im Mittelalter !
Dieter Bauer am Permanenter Link
War Mustafa Kemal, genannt "Atatürk" (1881-1938), Begründer der modernen Türkei, auch ein Volksverhetzer wegen seiner Aüßerung:
Isabel Kocsis am Permanenter Link
Erdogan und die AKP würden Atatürk ja auch gerne als Apostaten verdammen und den Laizismus der Türkei beenden. Versuchsweise wurde Mustafa Kemal schon als von "jüdischer Herkunft" denunziert.
Michael Paschko am Permanenter Link
Kommentar von Michael Wolffsohn:
Der Islamkritiker als Volksverhetzer?
http://www.welt.de/debatte/kommentare/article153357890/Der-Islamkritiker-als-Volksverhetzer.html