Wir trauern in Maßen um Joseph Nicolosi, den Begründer der Homo-Heilung. Kürzlich ist der amerikanische Psychologe im Alter von 70 hoffentlich emotional und sexuell erfüllten Jahren gestorben.
Seine Vorstellung von einem "Homosexuellen-Reparaturservice", und die damit verbundene Idee, Homosexuelle seien entwicklungsgestörte Therapiefälle, lebt leider immer noch weiter. Auch im Deutschland des 21. Jahrhunderts. Vor wenigen Tagen erst hat das Bundesgesundheitsministerium mitgeteilt, die so genannte "Konversionstherapie" nicht verbieten zu wollen, die vorwiegend von christlichen Fundamentalisten getragen wird: Sie will Menschen, die sich von ihren homosexuellen Neigungen verunsichert zeigen, auf Hetero umstülpen.
Rührende Selbstbekenntnisse anonymer Hilfesuchender liest man etwa auf der Seite des einschlägigen "Deutschen Instituts für Jugend und Gesellschaft", die einander sprachlich erstaunlich ähneln, und doch von unterschiedlichen Personen aller Geschlechter stammen: "Mann", "Frau", "Muslim" (Homepage abgerufen am 20. März 2017, 12.31 Uhr).
Hier liest man Homosexualitätsgrundlagen wie aus dem Nicolosi-Lehrbuch: "Mein Vater hat nie wirklich an unserem Familienleben teilgenommen, ich habe keinen Draht zu ihm und habe nur etwas mit meiner Mutter unternommen." Genau so läuft das nämlich in Nicolosis Theorie: Abwesender Vater, überbehütende Mutter, fantasievolles Kind - zack, boing. Schon wird losgeknutscht mit dem besten Freund.
Dabei nimmt einen immer wieder wunder, wie sehr gerade bibeltreue Christen sich an Homosexualität stören: Welche andere Religion hängt sich denn an jede vierte Wand das Abbild eines fast nackten hübschen Kerls in einer sadomasochistischen Fantasieszene, um ihn anzubeten?
Dass Jesus selber schwul war, wird ja immer wieder diskutiert.
Und natürlich lässt es sich nicht mehr herausbekommen. Man weiß nur, er zog gern mit anderen jungen Männern umher, schmuste besonders innig mit dem Jüngsten von ihnen, Johannes, und gründete niemals eine Familie. Folgt man spaßeshalber einmal den Theorien Nicolosis, so war niemand prädestinierter fürs Schwulsein als Jesus: Ein Vater, der im Himmel wohnte, nur ab und zu blutrünstiges Strafgericht über die Menschheit hielt und sich sonst praktisch nie blicken ließ. Als Mutter die größte Behüterin der Weltgeschichte, Maria. Und dass Jesus ein fantasiebegabter Knabe war, darüber dürfte ja kein Zweifel herrschen. Er war Utopist, schwang gern große Reden, sah sich schließlich als Retter der Menschheit. Vielleicht hätte er in der Tat psychologischer Betreuung bedurft - am wenigsten allerdings wegen seiner sexuellen Neigungen.
Dass er die Liebe predigte, ist dabei im fundamentalistischen Bewusstsein wie in der christlichen Ikonographie weitgehend untergegangen. Alles Homoerotische an Jesus wurde auf krude Vorstellungen von Gewalt und Sadismus verschoben: Nicht nur wird er in all seiner Pracht auf einem Folterinstrument fixiert, selten wird auch vergessen, dass ihm ein römischer Soldat da dann seine Lanze reingeschoben hat, weswegen er aus der Seite blutet - Symbolik für Anfänger. Homosexualität spielt sich in christlich überhitzten Köpfen als eine körperliche Bedrohung ab, und allemal als pur sexueller Akt.
Ob Jesus seinen Johannes vielleicht einfach geliebt hat, so wie jeder brave Christ seine brave Frau? Dies sich auszumalen, scheint im geistigen Steckrahmen eines christlichen Glaubens gar nicht so leicht zu sein. In einem Glaubenssystem, das von einem tyrannischen, herrischen Ober-Obermacker ausgeht, der die ganze Welt geschaffen hat und am Ende über jedes Schicksal verfügt, in einem solchen System ist auch Sexualität nur als Instrument von Gewaltherrschaft vorstellbar, ob da nun der Mann über die Frau herrsche oder der Priester über die ihm anvertrauten Kinder.
Dass Sex aus Liebe geschieht, so wie jetzt in diesem Moment unter vielen Tausenden selig schnaufender Menschen rund um den Globus, seien sie nun homo-, hetero- oder sonstwie sexuell, diese Erkenntnis passt in keinen Fundamentalistenkopf: In ihm wird die christliche Botschaft von Liebe und Toleranz merkwürdigerweise immer wieder ausgeblendet, da er sich unter einem zornigen Kontrollfreak von Gott einfach wohler fühlt.
Joseph "Joe" Nicolosi jedenfalls, dessen Leben ein Kampf gegen homosexuelle Neigungen war, er ruhe in Frieden. Wir Weiterlebenden hoffen weiterhin auf eine plötzliche Spontanheilung bei allen Fällen von religiös motivierter Sinnesverwirrung.
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Wolfgang Brosche am Permanenter Link
https://diekolumnisten.de/2017/03/19/das-schoenste-an-der-heterosexualitaet-sind-die-schwulen/