Dem lieben Gott ist mächtige Konkurrenz erwachsen - Pokémon Monsterchen. Seine Vasallen tun alles dafür, diesen neuen Feind in seine Schranken zu weisen: In Russland steht der Blogger Ruslan Sokolovsky vor einer Gefängnisstrafe, weil er Pokémon-Go-Viecher in einer Kirche eingefangen hat. Und wie jetzt bekannt wurde, wird eine Simpsons-Folge, in der Homer Simpson genau dasselbe tut, in Russland nicht ausgestrahlt. Auf Druck der dortigen Kirche.
Vieles hat der Glaube an den einen, total unsichtbaren, total mächtigen, im Alltag und in der Weltpolitik allerdings komplett wirkungslosen Gott schon überstanden: Er hat die viel zu muntere, viel zu menschliche Götterwelt der Antike aus dem Feld geschlagen, hat Hexen und Ketzer flächendeckend eingeäschert, hat die Botschaft vom liebenden Herrn Jesus mit Feuer und Schwert um die Welt getragen. Bis heute erwehrt er sich tapfer aller Angriffe der notorischen Nervbolzen Wissenschaft, Sinn und Verstand.
Jetzt aber ist ein neuer mächtiger Feind aufgetaucht: Die Pokémons. Der liebe Gott und seine Vasallen wissen schon gut, warum sie ihn fürchten. Mit "Pokémon Go" poppt alles wieder hoch, was man in mühseliger, Jahrtausende währender Kleinarbeit vernichtet glaubte auf Gottes von ihm geliebten Lieblingsplaneten: Heidnischen Göttern gleich, wie Waldgeister oder Kobolde tollen die Monsterchen in freier Wildbahn umeinander, sie bringen den sinnfreien und antihierarchischen Spaß auf die Welt, welchen langbärtige, weihrauchschwenkende Kuttenträger schon immer gefürchtet haben. Mit ihren Superkräften verbreiten sie den kindlichen Glauben an eine Magie, die nicht allein IHM zu Gebote steht, und weswegen man damals auch die ganzen Hexen abfackeln musste - während jeder Gläubige, der sich ein Wunder wünscht, erst mal per Gebet den Instanzenweg nach ganz oben zu beschreiten hat. Zudem kommt die Pokémon-Power auch noch mit dem Ungeist der Quantifizierbarkeit daher: Jedes Monsterchen hat seine klar abgezählten Kampfstufen, wohingegen Gott sich in widersprüchlichen Überlieferungen, beliebig ausdeutbaren Prophezeiungen und schlechtem Latein zu äußern pflegt.
Was das Schlimmste ist: Pokémon-Go-Wesen taucht mitten in Kirchen auf! So öffnen sie die Tore in eine unsichtbare Parallelwelt, und zwar mit großer Leichtigkeit für jeden, der ein Smartphone besitzt. Wie soll man da denn nicht wütend werden, wenn man diese Kirchen überhaupt nur gebaut und fleißig über Generationen in ihnen gebetet hat, um eine unsichtbare Parallelwelt heraufzubeschwören, die bis heute immer noch niemand gesehen hat? Die Ablehnung ist nur zu gut nachvollziehbar. Wer immer den Allmächtigen auf seiner Seite wähnt, muss ja ein schlechter Verlierer sein.
3 Kommentare
Kommentare
Holger am Permanenter Link
Der ironische Ton mag ja stimme, aber wir dürfen nicht vergessen: Zbigniev Brzezinksi, der US-ghost, hat mal gesagt: wer Russland "knacken" will, muss dies über die Kirche tun.
Nichtsdestotrotz ist es natürlich richtig, darauf hinzuweisen, dass das allmächtige Gott wohl sehr ängstlich gegenüber Pokemon ist .-)
Markus Schiele am Permanenter Link
Sehr erfrischende Glosse. Vielen Dank dafür!
Wolfgang am Permanenter Link
Die Gläubigen haben mehr Angst vor sich selbst. Vergnügen darf nicht sein, den Teufel hat man bis heute nicht eingefangen, will man ja auch gar nicht. In den Kirchen herrscht allein