MIZ 4/17 erschienen: Wunder, Heiler, Aberglauben

Glaube und Aberglaube nehmen in diesen Zeiten, die von einem Rückgang des Glaubens gekennzeichnet sind, zu. Auf diese Paradoxie verweist Chefredakteur Christoph Lammers im Editorial der gerade ausgelieferten MIZ 4/17.

Zwei Beiträge des Schwerpunktes über Wunder, Heiler und Aberglaube beschreiben beispielhaft die Phänomene. Bernd Harder schreibt über Stigmatisierte, also Menschen mit Wundmalen. Hier verharrt Glaube in einem Bereich, den die Kirchen zumindest in Europa weitgehend aufgegeben haben, weil ihnen diese Formen der Volksfrömmigkeit peinlich sind. Der Glaube erobert aber auch Felder, in denen die Wissenschaft eigentlich die Definitionshoheit hat, wie Christa Federspiel am Beispiel der Geistheilerei demonstriert. Die Irrationalität des medizinisch-industriellen Komplexes, in dem medizinisches Personal mehr Zeit für Verwaltung als für Patienten aufbringen muss, macht’s möglich.

Glaube bedient Bedürfnisse

Aber auch wenn Spiritualität sich von den Kirchen trennt, vage wird, vagabundiert, stellt sich die Frage, wie dieser beharrliche Rückgriff auf Glauben zu erklären ist. Rüdiger Vaas verweist in seinem Aufsatz auf ein Defizit: Wissenschaft bietet (seriöserweise) keine Letztbegründungen an, doch viele Menschen sind auf der Suche nach solchen. Und Stuart Vyse kommt bei seinen Überlegungen, ob abergläubische Rituale vielleicht wirklich funktionieren, zu einem nicht unbedingt zu erwartenden Ergebnis: Sie funktionieren in einem gewissen Rahmen tatsächlich, wie wissenschaftliche Studien zeigen. Dass dies freilich nichts mit dem Glaubensaspekt zu tun hat, ist für die, die in einer konkreten Situation nach Hilfe suchen, nebensächlich.

Evangelische Kirche in der DDR

In der letzten Folge der Serie #Luderei 2017 erinnert Karsten Krampitz an die Rolle der evangelischen Kirche in der DDR. Die konnte trotz rasant sinkender Mitgliedszahlen wachsenden gesellschaftlichen Einfluss verzeichnen. Der Historiker sieht einen Grund im Konzept "Kirche für andere" und wundert sich, dass in der EKD der seinerzeitigen theologischen Positionen und gesellschaftlichen Bemühungen der ostdeutschen Protestanten kaum gedacht wird.

Neutralitätsgesetz und Feiertagsschutz

In der Rubrik "Staat und Kirche" geht es um die aktuelle Debatte um das Berliner Neutralitätsgesetz. MIZ stellt die PRO-Neutralitätsgesetz-Initiative vor und spricht mit Lale Akgün über die Situation. Sie gehört zu den Erstunterzeichnerinnen des Aufrufs zur Verteidigung des Gesetzes, hält es für richtig, dass der Staat "keine Religion" hat und der politische Islam als gefährlich einzustufen ist.

Mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bochumer Karfreitagsbußgeld setzt sich Gunnar Schedel auseinander. Angesichts des Revolutionsjahres nimmt er sich die Freiheit, die Ausführungen der Karlsruher Richter zu Ausnahmeregelungen vom Feiertagsgesetz mit der in Deutschland unumstößlichen Verpflichtung, einen Bahnhof nur mit Bahnsteigkarte zu betreten, zu vergleichen.

Nordkorea und Türkei

Im "Prisma" dominieren diesmal die internationalen Themen. Nicolai Sprekels berichtet über die Verfolgung religiöser Organisationen in Nordkorea und bietet eine interessante Erklärung: Die Ideologie des Regimes ist vor allem christlichen Mythen so ähnlich, dass die Herrscherdynastie diese als Konkurrenz ansieht.

Noch vor dem Überfall türkischer Truppen auf kurdische Gebiete in Syrien fertiggestellt wurde der Beitrag von Kemal Bozay. Darin beschreibt er, wie Präsident Erdoğan die Türkei derzeit umbaut. Dabei dient das islamische Osmanische Reich als verklärter historischer Bezugspunkt, der seine ins Auge gefasste Ein-Mann-Diktatur rechtfertigen soll.

Daneben gibt es noch einen Artikel von Assia Maria Harwazinski über Stellenausschreibungen von Einrichtungen im kirchlichen Dunstkreis sowie die Rubriken Internationale Rundschau, Netzreport und die Glosse Neulich... beim päpstlichen Teufel.

Mehr zum aktuellen Heft finden Sie auf der Webseite der MIZ.