Münster

"Suche Streit" – Das Gegenprogramm zum Katholikentag

Parallel zum Katholikentag in Münster fand mit dem "Ketzertag" eine kirchen- und religionskritische Gegenveranstaltung statt. Neben ausgiebigen Diskussionen kam dabei auch der Humor nicht zu kurz. 

Fünf Tage lang befand sich Münster im religiösen Ausnahmezustand. Wohin man auch blickte, überall hasteten Besucher des 101. Katholikentags mit ihren türkisfarbenen Schals durch die anonsten von Fahrradfahrern dominierte Innenstadt. An zahlreichen Veranstaltungsorten wurde unter dem Leitwort "Suche Frieden" gebetet, gepredigt, geredet und gesungen – und das zum Ärgernis vieler Münsteraner, die mit Straßensperrungen und der Beeinträchtigung des öffentlichen Nahverkehrs zu kämpfen hatten.

Katholikentag in Münster – Foto: © Florian Chefai
Katholikentag in Münster – Foto: © Florian Chefai

Zu allem Übel hatte das fromme Fest auch einen stolzen Preis: 9,3 Millionen Euro kostete der Katholikentag, wovon etwa ein Drittel durch die öffentliche Hand – und somit auch von den Steuerngeldern von anders- und nichtgläubigen Menschen – finanziert wurde. Vorausgegangen waren deswegen hitzige Debatten über die Zulässigkeit der Förderung einer Kirchenveranstaltung angesichts der zunehmenden Säkularisierung der Gesellschaft. 

Suche Frieden? Suche Streit!

Auch während des Katholikentags setzte sich der Protest gegen eine einseitige Privilegierung fort. Unter dem Motto "Suche Streit – Für eine vernünftige Streitkultur" veranstalteten der Internationale Bund der Konfessionsfreien und Atheisten (IBKA) und die Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) den "Ketzertag Münster 2018" mit einem vielfältigen Gegenprogramm. 

Thematisiert wurde dabei nicht nur die großzügige Finanzierung der christlichen Kirchen, sondern auch die Religion als solche. So klärten Maximilian Steinhaus und Johann-Albrecht Haupt in der Auftaktveranstaltung über die Staatskirchenleistungen, die finanziellen Dimensionen des Katholikentags und die sich dort manifestierende Verquickung von Staat und Religionsgemeinschaft auf. Der Autor und Religionskritiker Philipp Möller erklärte anschließend in einem kurzweiligen Vortrag, warum die Gesellschaft ohne Religion besser dran wäre. 

Am folgenden Tag hielt die Juristin und ehemalige SPD-Politikerin Ingrid Matthäus-Maier ein Plädoyer gegen die religiöse Diskriminierung am Arbeitsplatz, von der Beschäftigte in kirchlichen Einrichtungen betroffen sind. Der Kabarettist "Gunkl" unterhielt am späteren Abend das Publikum mit seinem Soloprogramm "Zwischen Ist und Soll".  

Hartmut Zinser untersuchte am dritten Ketzertag, ob Religionen wirklich Frieden suchen, wie es das Motto des Katholikentags suggeriert, oder ob sie eher Zündstoff für Konflikte liefern. Laut dem Religionswissenschaftler müsse konstatiert werden, dass Religionen aus inneren Gründen nicht friedfertig seien, sondern dass ihnen Friedfertigkeit erst aufgedrängt werden musste. Michael Schmidt-Salomon gab im Anschluss eine Antwort auf die Frage, ob der Mensch heute noch Religion braucht. Der Philosoph und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung erklärte, dass die Wissenschaft die Welt nicht nur entzaubert, sondern ihr zugleich einen neuen Zauber verliehen habe. Ein institutionalisierte Glaube sei jedenfalls nicht erforderlich, um Sinn und Hoffnung zu finden. 

Michael Schmidt-Salomon beim Ketzertag – Foto: © Florian Chefai
Michael Schmidt-Salomon beim Ketzertag – Foto: © Florian Chefai

Am letzten Tag stellte der Wissenschaftsjournalist Rüdiger Vaas zunächst verschiedene Gründe vor, warum Menschen glauben und welche sozialstrukturellen Folgen sich aus der Religiösität ergeben. Sein Fazit: Religionen sind für prekäre gesellschaftliche Verhältnisse in großem Maße mitverantwortlich.

Der Abschluss der Ketzertag-Veranstaltungsreihe wurde schließlich andächtig begangen: Nach einem Einführungsvortrag zum "Pastafarianismus" von Daniela Wakonigg wurde eine "Heilige Nudelmesse" der Kirche des fligenden Spaghettimonsters mit Rüdiger Weida alias "Bruder Spaghettus" und seiner Frau "Elli Spirelli" gefeiert. Statt Hostien gab es Nudeln, statt Wein wurde ein Kelch mit Bier weitergereicht. Selbst ein paar junge Besucherinnen des Katholikentages hatten – offensichtlich erfreut – an der satirischen Zeremonie teilgenommen.

"Bruder Spaghettus" und "Elli Spirelli" von der "Kirche des fliegenden Spaghettimonsters" – Foto: © Florian Chefai

"Bruder Spaghettus" und "Elli Spirelli" von der "Kirche des fliegenden Spaghettimonsters" – Foto: © Florian Chefai

Wenige Stunden zuvor erregte die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters bereits die Aufmerksamkeit vieler Passanten in der Innenstadt: "Bruder Spaghettus" entweihte den Münsteraner Hauptbahnhof, der 2017 vom katholischen Bischof Felix Genn gesegnet wurde. Sodann sprach er den Segen der "einzig wahren Religion", nämlich den des fliegenden Spaghettimonsters. Zunächst wollten Sicherheitsbeamte der Deutschen Bahn den Zutritt in das Bahnhofsgebäude verhindern. Da es dafür keine rechtliche Grundlage gab, mussten sie die kleine Prozession jedoch gewähren lassen.

Kritik ist nicht erwünscht

Der Katholikentag selbst wurde während der gesamten Dauer von der Kunstaktion "11. Gebot: Du sollst deinen Kirchentag selbst bezahlen!" begleitet, die seit 2014 die verfassungswidrige Subventionierung von Kirchen- und Katholikentagen kritisiert. Sonderlich erfreut darüber waren weder die Veranstalter des Katholikentags noch die Behörden vor Ort. So wurden die Demonstranten mehrmals von der Polizei des Platzes verwiesen.

Der Initiator der Aktion David Farago zeigte sich verärgert: "Es ist einfach unverschämt: Während die Stadtverwaltung dem Katholikentag jeden Wunsch erfüllt, versucht man uns von den zentralen Veranstaltungsplätzen fernzuhalten. Obwohl wir unsere Aktion bereits vor über einem Jahr angemeldet haben, hat uns das Polizeipräsidium Münster hingehalten. Stattdessen will man uns hinter die Absperrungen der Fußgängerzone verbannen, wo wenig Publikumsverkehr zu erwarten ist. Das kommt faktisch einem Verbot unserer Demonstration gleich."

Kunstaktion "11. Gebot" – Foto: © Giordano-Bruno-Stiftung

Kunstaktion "11. Gebot" – Foto: © Giordano-Bruno-Stiftung


Der Ketzertag ist zur Marke geworden

Trotz aller Widerstände erreichten die Aktionen und Veranstaltungen rund um den Ketzertag ein großes Publikum. Innerhalb weniger Tage etablierte er sich damit zu einer Marke, die das Stadtbild prägte und selbst von religiösen Menschen Zuspruch erhielt.

Angesichts des massiven Aufgebots, mit dem der Katholikentag von Seiten der Kirche und Politik inszeniert wurde, blickt die Organisatorin des Ketzertags Daniela Wakonigg daher zufrieden auf die ereignisreichen Tage zurück: "Ich bin überwältigt von dem Zuspruch, den wir für diesen Ketzertag erhalten haben. Bei den Veranstaltungen, in den sozialen Medien und von den Münsteranerinnen und Münsteranern auf der Straße. Einige haben sogar schon gefragt, wann der nächste Ketzertag stattfindet."