Volker Kauder ist nicht nur Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU im Bundestag, nein, er ist zudem eifriger Verfechter der Menschenrechte. Also eigentlich nur eines: Dem auf Religionsfreiheit.
Laut dem evangelikalen Magazin idea erklärte er bei einer Veranstaltung des Vereins "Verantwortung und Werte" – auf dessen Webseite unübersehbar der Spruch prangt: "Im Bewusstsein unserer Verantwortung vor Gott und den Menschen" am 28. August in Magdeburg – dass für ihn das Recht auf Religionsfreiheit das wichtigste Recht auf der ganzen Welt sei: "Die Religionsfreiheit schafft dem Menschen einen Bereich, in dem er niemandem Rechenschaft ablegen muss. Sie ist das bedeutendste Menschenrecht überhaupt."
Kein Wort davon, dass diese Lesart der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bereits den Artikeln 1 und 2 ebendieser widerspricht ("Alle Menschen sind von Geburt an gleich und frei" sowie "Niemand darf diskriminiert werden."), denn allein dass sich – laut Kauder – jede Religion über diese beiden Artikel erhebt, ist ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und und das Gleichheitsgebot. Denn leider ist es doch so, dass jede Religion meint, sie allein habe die Weisheit kellenweise zu sich genommen und stünde haushoch über allen anderen.
Nicht umsonst kommt in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Punkt mit der Religionsfreiheit erst an achtzehnter Stelle. Die 17 vorangehenden Artikel müssen erst einmal möglich gemacht sein, ehe man über Religion schwadroniert. Oder, um es mit Brecht zu sagen: "Erst kommt das Fressen, dann die Moral."
Tatsächlich ist es die blanke Angst, die Kauder umtreibt. "Es wird kein christliches Abendland mehr geben, wenn es keine Christen mehr in der Bevölkerung gibt." Kann sein, dann wird es vielleicht endlich ein humanes oder gar humanistisches "Abendland" geben.
Es wäre alles nicht der Erwähnung wert, was der Herr Kauder sich so ausdenkt, wenn er nicht (noch) solch einen großen politischen Einfluß hätte: Immerhin ist der Mann kein Hinterbänkler des Deutschen Bundestags und seine Handschrift zeigt sich in der Verhinderung der Sterbehilfe durch den Bundestag, in seiner Ablehnung der PID und darin, dass seinerzeit der Papst im Bundestag reden durfte.
Dieses Land wird von Menschen regiert, für die ihr imaginärer Freund wichtiger ist als die grundlegendsten Menschenrechte. Da wundert einen nichts mehr …
16 Kommentare
Kommentare
Stefan Dewald am Permanenter Link
Wenn man Pressefreiheit/Publikationsfreiheit (Art 5 GG), Versammlungsfreiheit (Art 8 GG) Verbandsfreiheit (Art 9 GG) und Hausrecht (§§ 858ff., 903, 1004 BGB,§ 123 StGB, Art 13 GG) hat.
Oder anders gesagt: Hätte es eine Auswirkung, wenn man Art 4.1 und 4.2 GG ersatzlos streicht?
http://berufsbeleidigt.de/religionsfreiheit/
annen anne Nerede am Permanenter Link
Sein Nachfolger Brinkmann, was gibt der in dieser Hinsicht so von sich?
John am Permanenter Link
Ich sehe das Problem darin, dass irgendjemand, zurzeit leider die Mehrheit der Wähler, die Vertreter solcher religiösen Ansichten in Ihre Ämter wählt.
Ich persönlich würde jeder Partei wählen, die glaubhaft verspricht, den GG Art.7 zum Schulwesen ernst zu nehmen. Meiner Ansicht nach würde sich damit auch der Glaube an Religion und sich daraus ergebenen Probleme reduzieren .
Hans Trutnau am Permanenter Link
Der Mann redet gern sprichwörtliches Kauderwelsch...
M. Landau am Permanenter Link
>>dann wird es vielleicht endlich ein humanes oder gar humanistisches "Abendland" geben.<<
Sie hätten statt "human" durchaus "menschlich" schreiben könne, das ist zwar in etwa das gleiche aber nicht so ganz dasselbe ;-)
Zu Herrn Kauder möchte ich, absichtsvoll und in aller Deutlichkeit, schweigen.
Willie Stenzel am Permanenter Link
Nun, "human" ist eben nicht nur menschlich, denn auch ein Kauder (re)agiert menschlich.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Von welcher Religionsfreiheit spricht er? Die der Piusbrüder, die alles ausser dem Staatskatholizismus ablehnen? Oder von meiner Freiheit, jederzeit sagen zu können, lasst mich mit dem Scheiß in Ruhe?
Bernd Weiter am Permanenter Link
Echte Religionsfreiheit beinhaltet auch das Recht, Religionen und ihre Bevormundung abzulehnen. Gerade dieses hat Kauder durch seine Politik massiv angegriffen.
Kay Krause am Permanenter Link
Solange wir Wähler Menschen wie Herrn Kauder mit schöner Regelmäßigkeit immer wieder in den Bundestag wählen, werden diese ihre Machtposition auch immer wieder mißbrauchen, um dieses unselige Christentum täglich erneu
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Eben Kauderwelsch!
Hermann K. am Permanenter Link
Lieber Herr Kauder,
Unechter Pole am Permanenter Link
Es gibt in Deutschland viel zahlreichere Konfessionen als "der" Islam, die eigene Rechtordnung einführen und Menschenrechte mit Füßen treten.
Thomas am Permanenter Link
"Die Religionsfreiheit schafft dem Menschen einen Bereich, in dem er niemandem Rechenschaft ablegen muss."
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Uwe Lehnert am Permanenter Link
Auf den Seiten des Humanistischen Pressedienstes habe ich es schon mal so ähnlich formuliert:
Wenn für Herrn Kauder die Religionsfreiheit das wichtigste Grundrecht ist, ein »Bereich, in dem er niemandem Rechenschaft ablegen muss«, wie er formuliert, dann ahnt man, dass er dieses Recht exzessiv nutzen möchte. So wie die Kirchen das seit eh und je und entgegen dem Geist des Grundgesetzes wie selbstverständlich tun. Um des inneren Friedens willen aber kann es in einer multiweltanschaulichen Gesellschaft keine uneingeschränkte Religionsfreiheit geben. Uneingeschränkte Religionsfreiheit zuzulassen bedeutet, den religiös Aggressiveren und der Antiaufklärung das Feld zu überlassen mit der Folge schleichenden Abbaus von Grundrechten, wie sie in normativer Form in unserer Verfassung, vor allem in den ersten 19 Artikeln, festgelegt sind.
Hier ist neben dem Christentum, besser gesagt: den verschiedenen Kirchen, an eine weitere Religion zu denken, deren orthodoxe Vertreter in ihrer in der Voraufklärung stehen gebliebenen Gotteslehre einen gesellschaftspolitischen Auftrag sehen.
Die politische Lösung kann daher nur eine laizistische Gesellschaftsordnung sein, die eine strikte Trennung von Staat und Religionen vorsieht, in der die persönliche Weltanschauung eine weitestgehend private Angelegenheit im Rahmen staatlicher Gesetze zu bleiben hat. Zwar wird der religiöse Mensch niemandem Rechenschaft ablegen müssen, wen er im stillen Kämmerlein als seinen höchsten Herrn ansieht. Aber in Bezug auf das allgemeine Bildungssystem zum Beispiel oder die staatliche Gesetzgebung, nicht zuletzt gegenüber den anderen Weltanschauungen hat er zu akzeptieren, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Für mich bedeutet Religionsfreiheit, das Recht, ohne etablierte Religion in Freiheit zu leben.
A.S. am Permanenter Link
Das Grundrecht der Religionsfreiheit in seiner derzeitigen Auslegung durch das BVerfG ist das "Trojanische Pferd" unter den Grundrechten, mit dem die Meinungsfreiheit, das Recht auf freie Entwicklung der Per
Die Religionsfreiheit darf kein Verbandsrecht sein, wie jetzt, sondern muss wieder zum Individualrecht werden, wie die übrigen Grundrechte auch.