Mohammed-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

Von Pädophilen und Kinderfickern

Eine Österreicherin, die Mohammed als Pädophilen bezeichnet hatte, sei hierfür zu Recht von österreichischen Gerichten verurteilt worden. Dies erklärte am vergangenen Donnerstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg.

Im Verfahren vor dem EGMR ging es um den Fall einer Österreicherin, die im Jahr 2009 zwei Seminare zum Thema "Grundlagen des Islam" gehalten hatte. In diesen Seminaren sprach sie unter anderem von der Ehe des islamischen Propheten Mohammed mit Aisha, seiner dritten und jüngsten von insgesamt zehn Ehefrauen. Nach traditionellen islamischen Schriften soll Mohammed Aisha geheiratet haben, als sie sechs Jahre alt war, und mit ihr die Ehe vollzogen haben, als sie neun war. Die Seminarleiterin benutzte zur Beschreibung dieses Sachverhalts den Begriff "Pädophilie".

Ein Undercover-Journalist, der die Seminare besucht hatte, machte die Behörden auf entsprechende Äußerungen der Seminarleiterin aufmerksam. Wegen Herabwürdigung religiöser Lehren wurde die Österreicherin 2011 nach dem österreichischen Blasphemieparagrafen § 188 StGB vom Landesgericht für Strafsachen in Wien schuldig gesprochen und zu einer Geldstrafe von 480 Euro verurteilt.

Die Verurteilung bezog sich konkret auf folgende Äußerungen der Seminarleiterin:

"I./1. Eines der großen Probleme, die wir heute haben, ist dass Mohammed als der ideale Mann, der perfekte Mensch, der perfekte Muslim gesehen wird. Das heißt, das oberste Gebot für einen männlichen Moslem ist es, Mohammed nachzumachen, sein Leben zu leben. Das läuft nicht nach unseren sozialen Standards und Gesetzen ab. Weil er war ein Kriegsherr, hatte einen relativ großen Frauenverschleiß, um das jetzt einmal so auszudrücken, hatte nun mal gerne mit Kindern ein bisschen was. Und er war nach unseren Begriffen kein perfekter Mensch. Damit haben wir heute riesige Probleme, weil Muslime mit der Demokratie und unserem Wertesystem in Konflikt geraten ...

2. Die wichtigsten von allen Rechtsschulen anerkannten Hadith-Sammlungen: Die allerwichtigste ist die Sahih Al-Bukhari. Wenn eine Hadith nach Bukhari zitiert wurde, dann können Sie sicher sein, dass es alle Muslime anerkennen. Und in der Al-Bukhari ist auch blöderweise das geschrieben mit der Aisha und dem Kindersex ...

II./ Ich erinnere mich an meine Schwester, das hab ich schon ein paar Mal erzählt, als [S. W.] in Graz ihren berühmten Sager gemacht hat, ruft mich meine Schwester an und sagt: 'Um Gottes willen. Hast du ihr das gesagt?' Worauf ich gesagt habe: 'Nein, ich war’s nicht, aber es ist nachzulesen, es ist nicht wirklich ein Geheimnis.' Und sie: 'Das kann man doch so nicht sagen.' Und ich : 'Ein 56-Jähriger und eine 6-Jährige ? Wie nennst du das? Gib mir ein Beispiel? Wie nennen wir das, wenn’s nicht Pädophilie ist?' Sie: 'Na ja, das muss man ein bisschen umschreiben, diplomatischer sagen.' Meine Schwester ist symptomatisch. Das haben wir schon so oft gehört. 'Das waren doch andere Zeiten' – das war damals nicht o.k., und es ist heute nicht o.k. Punkt. Und es passiert heute auch noch. So was ist nie gutzuheißen. Sie legen sich alle eine Wirklichkeit zurecht, weil die Wahrheit so grausam ist ..."

Die Berufung der Österreicherin vor dem Oberlandesgericht Wien scheiterte. Da die Frau ihre Äußerungen vom Recht auf freie Meinungsäußerung für gedeckt hielt, rief sie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an. Dieser vertritt in seinem am Donnerstag gefällten Urteil jedoch die Auffassung, dass das in der Menschenrechtskonvention verankerte Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung durch die Verurteilung der Seminarleiterin nicht verletzt sei. Vielmehr hätten die österreichischen Gerichte sorgfältig ihr Recht auf freie Meinungsäußerung abgewogen gegen das Recht anderer auf Schutz ihrer religiösen Gefühle und vor allem das legitime Ziel der Wahrung des religiösen Friedens in Österreich verfolgt. Die Straßburger Richter teilten ferner die Einschätzung der österreichischen Gerichte, dass die strittigen Aussagen nicht in einer objektiven, sondern in einer herabwürdigenden Art und Weise getätigt wurden. Entscheidend für die Einschätzung der Gerichte war hierbei vermutlich auch der Kontext, in welchem die Seminare mit den strittigen Äußerungen gegeben wurden, nämlich am Bildungsinstitut der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs.

Die Urteile der Richter in Straßburg und Österreich zeigen erneut, wie wichtig eine Abschaffung jeglicher Blasphemie-Gesetzgebung ist. Ohne jede Frage müssen Menschen das Recht haben, ihre Religion leben zu dürfen. Es ist jedoch nicht hinzunehmen, dass religiöse Menschen davor geschützt sind, dass andere ihre Religion als lächerlich oder problematisch empfinden – und dies auch äußern – oder dass andere die Inhalte oder Protagonisten ihrer Religion in einem religiös unvernebelten Licht betrachten. Und zwar auch dann, wenn diese anderen eine politische Agenda verfolgen, die weit über reine Religionskritik hinausgeht. Um entsprechende Auswüchse zu beherrschen hat der Rechtsstaat andere Mittel. In Österreich beispielsweise § 283 StGB: "Verhetzung". Auch nach diesem Paragrafen war die Österreicherin übrigens ursprünglich angeklagt worden, doch die Anklagepunkte wurden im Verfahren fallengelassen.

Was nun die Äußerungen der Seminarleiterin über Mohammed betrifft, so muss der Ordnung halber gesagt werden, dass die Bezeichnung "Pädophiler" für den islamischen Propheten tatsächlich nicht notwendigerweise eine zutreffende Beschreibung ist. Da uns nur religiöse Schriften für die Beurteilung der Sachlage zur Verfügung stehen und diese hinsichtlich ihrer zweifelhaften Verlässlichkeit sicherlich nicht als Beweismittel in einem Gerichtsprozess zugelassen würden, können wir lediglich sagen, dass Mohammed laut dieser Schriften ein deutlich minderjähriges Mädchen heiratete und mit ihm Geschlechtsverkehr hatte, nicht jedoch, ob er sich tatsächlich sexuell zu Kindern hingezogen fühlte, also tatsächlich pädophil veranlagt war, oder ob er für sein Tun andere Gründe hatte. Da wir also nicht mit Bestimmtheit etwas über Mohammeds inneres Empfinden wissen, ist die Wahl der Bezeichnung "Pädophiler" also tatsächlich problematisch. Richtiger wäre hier wahrscheinlich die Wahl der Bezeichnung "Kinderficker".

Ein zu harter Begriff in religiösem Kontext? Nicht für das Amtsgericht Berlin-Tiergarten. 2011 war in Berlin ein Blogger angezeigt worden, weil er die katholische Kirche als "Kinderfickersekte" bezeichnet hatte. Das Amtsgericht Tiergarten lehnte die Eröffnung des Hauptverfahrens ab, weil sie den Beitrag des Bloggers nicht für geeignet hielt, den öffentlichen Frieden zu stören, da durch die Enthüllungen und Diskussionen rund um den Missbrauch in der katholischen Kirche das Vertrauen in die Institution katholische Kirche bereits erschüttert sei. Mit anderen Worten: Kaum ein Katholik wird wegen der Beschreibung "Kinderfickersekte" Amok laufen, weil jeder weiß, dass die Bezeichnung erschütternd zutreffend ist.  

Und genau hier treffen wir auf einen zentralen Zusatz bei vielen Blasphemiegesetzgebungen. Abfällige Äußerungen über eine Religion sind häufig nicht als solche strafbar, sondern sie müssen geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu stören bzw. – so die Formulierung des österreichischen Blasphemieparagrafen – ein "berechtigtes Ärgernis zu erregen". An solch schwammigen Begriffen scheiden sich die juristischen Geister, denn diese Eignung ist nicht nur durch und durch Ermessenssache, sondern sie beurteilt Äußerungen über eine Religion nicht an sich sondern nach der vermuteten Wehrhaftigkeit der potentiell beleidigten Religionsanhänger. Eine spannende Frage wäre in diesem Zusammenhang, ob das Amtsgericht Berlin-Tiergarten den Blogger ebenso beurteilt hätte, wenn er den Islam als Kinderfickersekte bezeichnet hätte. Dabei wäre auch diese Bezeichnung inhaltlich nicht völlig fernliegend. Denn obwohl gesetzlich in den meisten islamischen Staaten eine Heirat mit Minderjährigen untersagt ist, dürfen Mädchen nach Auffassung orthodoxer islamischer Rechtsschulen ab neun Jahren verheiratet werden – mit Berufung auf die Ehe zwischen Mohammed und Aischa. Dass dies trotz entgegenstehender staatlicher Gesetze in orthodox-muslimischen Gesellschaften tatsächlich praktiziert wird, ist ebensowenig ein Geheimnis wie der verbreitete Hang katholischer Geistlicher zum sexuellen Missbrauch Minderjähriger. Allerdings – und das ist der entscheidende Unterschied – tendieren die Anhänger des Islam im Allgemeinen zu größerer Wehrhaftigkeit als jene der katholischen Kirche. Der öffentliche Friede wäre demnach stärker gefährdet, wenn man den Begriff "Kinderfickersekte" auch in muslimischem Kontext benutzen würde. Doch sollte das wirklich den Ausschlag geben bei der Beurteilung ein- und desselben Sachverhalts?

Es ist nicht mehr an der Zeit, allein Religiösen die Deutungshoheit über ihre Schriften und Heiligen zu überlassen. Wer diese verehren möchte: Bittesehr! Doch wer die religiösen Schriften mit religiös unvernebeltem Kopf liest und dabei zu der Erkenntnis gelangt, dass Mohammed ein "Kinderficker" war, weil er mit einer Neunjährigen schlief, dass der Gott der Juden und Christen ein mehrfacher Massenmörder ist und dass alle Gottheiten letztlich menschgemachte Märchenfiguren sind, der sollte dies auch sagen dürfen – auch, wenn es den Religiösen ganz und gar nicht schmeckt.