Säkulare Buskampagne 2019 – Tag 7 und 8: Bremen und Münster

Wo der klerikale Leidensdruck groß ist, ist auch säkulares Engagement gefragt

Freitag und Samstag besuchte der Kampagnen-Bus Bremen und Münster. Vor allem in Münster erfreute er sich regen Interesses, die Stadtrundfahrt war voll besetzt. An beiden Abenden hielt GBS-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon seinen Vortrag zur Bustour: "Abschied von der Kirchenrepublik – 100 Jahre Verfassungsbruch sind genug!"

Buskampagne 2019

Am Freitag stand die letzte Station in Norddeutschland an: Bremen. Zu Füßen des mahnend gen Dom blickenden "Roland", einer Figur die 1404 errichtet wurde. Von jeher bestritt der Rat den weltlichen Herrschaftsanspruch der Bischöfe. Der "Roland" wird auch als "Bremer Freiheitsstatue" bezeichnet. Auch heute noch scheint die Problematik, die die Statue verkörpert, aktuell zu sein: Das Säkulare Forum Bremen, bestehend aus Humanistischer Union (HU), dem Internationalen Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) sowie der Regionalgruppe Oldenburg/Bremen im Förderkreis der Giordano-Bruno-Stiftung (GBS), untersucht die Verbindungen zwischen Politik, Wirtschaft und Kirche in der Hansestadt. So seien die Diakone der evangelischen Kirche in Bremen immer auch Menschen mit Rang und Namen in der Unternehmerschaft. Die Führungsgremien der Industrie- und Handelskammer (IHK) wiederum seien überproportional mit Mitgliedern der Domgemeinde besetzt.

Der Bus steht neben dem Bremer "Roland", Foto: © David Farago
Der Bus steht neben dem Bremer "Roland", Foto: © David Farago

Die Verquickungen zwischen Bremer Politik und der Kirche beschreibt auch Kirchenfinanzexperte Carsten Frerk in seinem Buch "Kirchenrepublik Deutschland": Demnach unterschrieb der Bürgermeister und Senatspräsident Henning Scherf (SPD) während seiner zehnjährigen Amtszeit 2001 den Staatsvertrag mit der evangelischen Landeskirche. Er selbst war Stipendiat des Evangelischen Studienwerks "Villigst" und später gar dessen Kuratoriumsvorsitzender. Die Bremer zeigten sich sehr interessiert, bisweilen auch empört. Eine Touristengruppe beschwerte sich, dass der "Große Rote" den Blick auf die Gebäude rund um den Marktplatz verschandele.

Der Bus vor dem Dom von Münster, Foto: © Maximilian Steinhaus
Der Bus vor der Lambertikirche von Münster, Foto: © Maximilian Steinhaus

Am Samstag bahnte sich der Kampagnen-Bus seinen Weg in die proppenvolle Innenstadt von Münster. Diesmal war es kein Problem, auf dem Prinzipalmarkt vor dem Rathaus zu demonstrieren, während des Katholikentages 2018 hatten die Behörden es dem "11. Gebot" aus Sicherheitsgründen wegen der "Menschenmassen" verwehrt, dort zu stehen . Wo der religiöse Leidensdruck am höchsten ist, ist traditionell auch das Interesse an Aufklärung und säkularem Engagement groß: Der Infostand wurde belagert, so dass laufend die Informationsmaterialien aufgefüllt werden mussten, und die Stadtrundfahrt war mit rund 80 Personen bis auf den letzten Platz besetzt. Sie wurde von Daniela Wakonigg moderiert, selbst gebürtige Münsteranerin und Regionalbeauftragte Münsterland des IBKA.

"Ketzerkäfige" an der Lambertikirche
"Ketzerkäfige" an der Lambertikirche

Vom Prinzipalmarkt bot sich ein hervorragender Blick auf die eisernen drei "Ketzerkäfige", die außen an der Lambertikirche baumeln. In diesen wurden einst die Leichen der drei Anführer der "Wiedertäufer" aufgehängt, nachdem sie brutal zu Tode gefoltert worden waren. Die radikal-reformatorische Bewegung herrschte in den 1530er Jahren in Münster. Jeder, der ihnen nicht gehorchte, wurde hingerichtet. Der zuständige katholische Bischof war verärgert, weniger wegen der Härte, mit der die Protestanten gegen Andersdenkende vorgingen, sondern weil er die Macht wieder zurückwollte. So gingen seine Truppen gegen die "Wiedertäufer" vor, siegten und die Anführer nahmen das oben beschriebene Ende. Die Käfige wurden damals extra zu diesem Zweck angefertigt.

Der Name Münster geht auf den lateinischen Begriff "Monasterium" zurück, also ein Kloster, das hier 805 gegründet wurde, weiß die Stadtführerin weiter zu berichten. Überhaupt heiße in der Stadt alles nach kirchlichen Zusammenhängen und Würdenträgern. Der Bus passierte das Institut für Katholische Theologie, an dem auch Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., gelehrt habe, sowie den renommierten "Exzellenzcluster Religion und Politik". Weiter ging es am Dom samt Generalvikariat und Bischofswohnsitz mit riesigem Garten vorbei, in den Studenten in den 1970er Jahren einmal eingebrochen seien sollen, um im bischöflichen Swimming-Pool zu plantschen, erzählte Daniela Wakonigg. Die nächste Station war die St.-Antonius-Kirche, auf die kürzlich ein Baum gefallen sei, ganz ohne dass "Gott" dies verhindert hätte. Nachdem der Bus einige Runden um "den Kreisel" gedreht hatte, damit die Münsteraner auch ausreichend Gelegenheit bekamen, die Botschaft "Kirchenstaat? Nein danke" zu sehen, ging es weiter zum Euthymia-Zentrum in der Raphaelsklinik. Die 1955 verstorbene Ordensschwester, der auch eine Kapelle auf dem Zentralfriedhof geweiht ist, hatte als Krankenhauswäscherin gearbeitet. An ihrem Totenbett soll eine andere Nonne, der die Hand in eine Bügelmaschine geraten war, sie um Heilung gebeten haben. Und – oh Wunder! – innerhalb kürzester Zeit war die Hand wie neu. Das brachte Euthymia 2001 die Seligsprechung ein. Seitdem weiß Münster die angebliche Wunderheilerin vortrefflich zu vermarkten: in mehreren Kirchen gibt es Reliquien von ihr.

Bis auf den letzten Platz war die Stadtrundfahrt in Münster besetzt. Foto: © Gisa Bodenstein
Bis auf den letzten Platz war die Stadtrundfahrt in Münster besetzt. Foto: © Gisa Bodenstein

Weiter ging es am Fürstbischöflichen Schloss vorbei, das 1787 fertiggestellt wurde, kurz vor dem Reichsdeputationshauptschluss 1803, dem wir letztlich die heute noch immer von den Ländern an die Kirchen gezahlten Staatsleistungen verdanken. Ganz in der Nähe befindet sich der vom Bischof geweihte neue Hauptbahnhof, der im Rahmen des Ketzertages 2018 von Bruder Spaghettus noch einmal mit Nudelwasser nachgeweiht wurde. Anschließend ging es wieder zurück zum Rathaus, in dem 1648 die letzten erfolgreichen Verhandlungen zur Beendigung des Dreißigjährigen Krieges stattfanden. Im Gebäude nebenan befindet sich der heutige Ratssaal, in dem sich die Volksvertreter durch die Aufklärungsarbeit der Kunstaktion "11. Gebot" weigerten, den Katholikentag mit Geld zu unterstützen. Später wurden allerdings Sachleistungen bewilligt. Zu ihrer klerikal geprägten Stadt, deren Oberbürgermeister Markus Lewe sogar freigestellter Mitarbeiter des Generalvikars sei, gab Daniela Wakonigg zum Abschluss noch ein Sprichwort zum Besten: "In Münster läuten entweder die Glocken oder es regnet. Wenn beides der Fall ist, ist Sonntag."


Der hpd ist Medienpartner der Säkularen Buskampagne 2019 und berichtet über alle Tage der Tour des Busses durch Deutschland.