Kommentar

Fridays for Future: Die neuen 68er

Der Protest der jungen Klima-Generation wird oft von herablassenden Kommentaren begleitet und nicht selten belächelt. Reaktionen, die an die Zeit der 68er-Bewegung erinnern. Überhaupt gibt es zwischen beiden Generationen einige Ähnlichkeiten, findet hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg.

In den 1960er Jahren begann die junge Generation aufzubegehren. Gegen die Generation ihrer Eltern und deren Angewohnheit, Probleme unter den Teppich zu kehren, um das Anwachsen des eigenen Wohlstands nicht zu gefährden. Die junge Generation wandte sich gegen den "Muff unter den Talaren", klerikale Bevormundungen, Nachkriegskarrieren von Nazi-Verbrechern und Ungerechtigkeiten aller Art. Dafür wurde sie von den Älteren beschimpft. "Geht lieber arbeiten, statt zu demonstrieren!" war zu hören. Weltfremdheit und Idealismus wurde den jungen Menschen attestiert. Dass sie Zusammenhänge nicht verstünden. Und dass sie schon zur Vernunft kämen, wenn sie erstmal sich selbst und eine Familie unterhalten müssten. Gern zog man sie auch ins Lächerliche, wenn die realen Taten nicht einhundertprozentig den verkündeten Idealen entsprachen.

Gut 50 Jahre nach den 68ern begehrt nun eine neue junge Generation auf. Ihre Bewegung hat so schnell und so massiv weltweit Anhänger gefunden, dass man mit Fug und Recht behaupten darf, dass hier ein Nerv getroffen wurde. Seit Jahrzehnten ist bekannt, dass ein menschengemachter Klimawandel im Gange ist, der gravierende Auswirkungen auf die Natur und die Menschen auf diesem Planeten haben wird. Dürrekatastrophen auf der einen Seite und  Überschwemmungen und Unwetter auf der anderen werden zu Wasser- und Lebensmittelknappheiten führen. Sie werden für Flüchtlingsströme sorgen, gegen die die derzeitige Migration aus Kriegs- und Wirtschaftsgründen harmlos erscheinen wird. Seit Jahrzehnten ist nicht nur bekannt, dass dies passieren wird, es ist auch bekannt, was getan werden muss, um die Auswirkungen des Klimawandels halbwegs erträglich zu gestalten. Doch geschehen ist in dieser Hinsicht wenig.

Wie einst die 68er dagegen aufbegehrten, dass Unangenehmes totgeschwiegen wurde, begehrt nun die junge Generation auf gegen das Marginalisieren des Klimawandels. Denn totgeschwiegen wurde er eher selten. Nur verharmlost. "Ein bisschen wärmeres Wetter – nun ja, wem wird das schon groß schaden? Weniger Heizkosten im Winter, mehr Bräune im Sommer. Top!" Freilich drehte man pro forma auch an der einen oder anderen Stellschraube zur Verringerung von Emissionen. Doch nie zu fest. Um ja der Industrie nicht zu schaden. Der heilige Gral "Wohlstand & Arbeitsplätze" überstrahlte alles und verdrängte jedes sinnvolle Handeln. Übrigens auch jenes sinnvolle Handeln, das durch Förderung klimaschonender Innovationen zukünftige Arbeitsplätze geschaffen hätte.

Von dieser Untätigkeit hat die Klima-Generation nun genug. Sie geht freitags auf die Straße statt in die Schule und begehrt auf. Dafür wird sie beschimpft. "Geht lieber zur Schule, statt zu demonstrieren!" ist zu hören. Weltfremdheit und Idealismus wird den jungen Menschen attestiert. Dass sie Zusammenhänge nicht verstehen. Und dass sie schon zur Vernunft kommen werden, wenn sie erstmal sich selbst und eine Familie unterhalten müssen. Gern zieht man sie auch ins Lächerliche, wenn die realen Taten nicht einhundertprozentig den verkündeten Idealen entsprechen.

Geschichte wiederholt sich. Statt die Klima-Generation verächtlich zu machen, wäre es deshalb sinnvoll, sie ernst zu nehmen. Denn sie hat Recht, genauso wie seinerzeit die 68er-Generation. Natürlich: Auch die 68er sind nicht immer jung und idealistisch geblieben. Einige von ihnen wurden satt und bürgerlich und glichen irgendwann jenen, die sie einst kritisiert hatten. Dieses Schicksal wird wahrscheinlich auch an der jungen Klima-Generation nicht vorbeigehen. Doch bis dahin wird sie etwas verändert haben, ob es den derzeit Etablierten passt oder nicht. Auch hierin wird sie den 68ern gleichen.