BERLIN. (hpd/gbs/fowid) 60 Prozent der Deutschen lehnen einen größeren Einfluss der Vertreter der Religionen im ZDF-Fernsehrat ab, 61 Prozent sprechen sich dafür aus, dass dort auch Repräsentanten der Konfessionsfreien vertreten sein sollten. Dies geht aus einer repräsentativen EMNID-Studie hervor, die die Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid) heute auf ihrer Internetseite veröffentlichte.
Wie die Umfrage zeigt, steht das Votum der Bevölkerung in klarem Widerspruch zum Neuentwurf des ZDF-Staatsvertrags, der am 18. Juni 2015 unterzeichnet werden soll.
Nach dem neuen ZDF-Staatsvertrag werden die beiden christlichen Großkirchen mit ihren Wohlfahrtsverbänden insgesamt sechs, der Zentralrat der Juden und die Muslime jeweils einen Repräsentanten in den von 77 auf 60 Sitze verkleinerten Fernsehrat entsenden. Dadurch steigt der Stimmenanteil religiöser Repräsentanten deutlich, während die Interessen der rund 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger, die keiner Religion angehören, im Fernsehrat nach den Plänen der Landesregierungen weiterhin unberücksichtigt bleiben sollen.
Der Neuentwurf des ZDF-Staatsvertrags steht damit in einem deutlichen Widerspruch zur Mehrheitsmeinung der Bürgerinnen und Bürger, erläutert Carsten Frerk, der Leiter der Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid): "Nach den aktuellen Umfrageergebnissen sind 60 Prozent der Bevölkerung gegen einen stärkeren Einfluss der Religionen im Fernsehrat, nur 30 Prozent dafür, 10 Prozent waren sich unschlüssig. Dabei lehnen nicht nur 74 Prozent der konfessionsfreien Menschen, sondern auch die Mehrheit der Katholiken (54 Prozent) sowie der Protestanten (55 Prozent) eine stärkere religiöse Einflussnahme ab. Nur bei den Muslimen und den Mitgliedern anderer Religionsgemeinschaften sprechen sich Mehrheiten dafür aus."
Für eine explizite Interessenvertretung religionsfreier Menschen im ZDF-Fernsehrat plädieren der Umfrage zufolge 61 Prozent der deutschen Bürgerinnen und Bürger, 31 Prozent sind dagegen, 8 Prozent machen keine Angaben. "Bemerkenswert daran ist", so Frerk, "dass auch innerhalb der Religionsgemeinschaften Mehrheiten für einen Sitz der Konfessionsfreien im Fernsehrat eintreten. 51 Prozent der Katholiken, 63 Prozent der Protestanten, 66 Prozent der Muslime und sogar 73 Prozent der Mitglieder anderer Religionsgemeinschaften votieren für eine Interessenvertretung religionsfreier Menschen im ZDF-Fernsehrat. Offenbar ist das Gespür dafür, dass es ungerecht wäre, das konfessionsfreie Drittel der deutschen Bevölkerung bei dieser Frage auszugrenzen, bei den Gläubigen an der Basis sehr viel stärker verankert als bei den Funktionären an der Spitze der politischen und religiösen Institutionen."
Die EMNID-Umfrage war von der Forschungsgruppe Weltanschauung in Deutschland (fowid) im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) initiiert worden. Deren Vorstandssprecher, der deutsche Philosoph und Religionskritiker Michael Schmidt-Salomon, hatte bereits vor einem Monat die "inakzeptable Ausgrenzung konfessionsfreier Bürgerinnen und Bürger" im Rahmen des neuen ZDF-Staatsvertrags scharf kritisiert.
Alle Daten zur Umfrage:
http://fowid.de/
Übernahme von der Webseite der Giordano Bruno Stiftung
8 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Dass Politik und öffentliche Institutionen gerne am Bürgerinteresse vorbeientscheiden, ist hinlänglich bekannt - vor allem wenn es um Religion geht.
Und jetzt halt wieder. Was sagt uns das? Die angeblich so machtlosen Religionsgemeinschaften (laut Eigendarstellung!) wissen die Strippen im Hintergrund sehr effektiv zu ziehen. Das hierbei sogar die Kirchenschäfchen eine andere Meinung als ihre Fürsten haben, ist bezeichnend. Denn die Führung der Konfessionen hat längst den Kontakt zur Basis verloren (siehe auch Sexualmoral, Arbeitsrecht etc.). Es scheint mir, als schere man sich in den Entscheidungsetagen der Religionen nicht mehr um die Belange der eigenen Gemeinden, sondern versucht nur noch eine Reststabilisierung des maroden Glaubensgebäudes. Das eigene Einkommen mit satten Rentenansprüchen steht hierbei im Vordergrund, da man offenbar den Kampf um die Weltanschauungshoheit verloren weiß.
Doch ich habe einen Trost für verzweifelte Kirchenstabilisatoren. Lasst alles zusammenbrechen und erinnert euch an euren Freund Karl-Heinz Deschner: "Je größer der Dachschaden, desto schöner der Ausblick zum Himmel."
Oskar Degen am Permanenter Link
In der r.k.K. jedenfalls hat man erst ab Bischof wirklich was zu sagen; eine
(Ratzinger: Dei Verbum, 8).
Erstaunlich, dass es trotzdem so unterschiedliche Meinungen bei den Bischöfen gibt. Andererseits sollen sie offenbar aber auch anerkennen, daß
manchmal die "Herde" weiß wo es lang geht ?
("Die Bischöfe speziell müssen Menschen sein, die geduldig die Schritte Gottes mit seinem Volk unterstützen können, so dass niemand zurückbleibt. Sie müssen die Herde auch begleiten können, die weiß, wie man neue Wege geht.“
Bergoglio in einem Interview mit Antonio Spadaro SJ vom 21.09.2013)
Und noch was zum Grübeln:
"Maria - eine Frau - ist wichtiger als die Bischöfe." (Bergoglio)
Was will er den Bischöfen damit sagen ? Und was den Frauen ?
wenn überhaupt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Denke auch, dass dieser Deschner-Aphorismus eine genial gute Antwort auf religiotischen Lobbyismus ist.
Allein - die Politik mag das (noch) gar nicht gerne hören.
Reinhard am Permanenter Link
Ich lehne jeglichen Einfluss von Religionen ab.
Gutmann am Permanenter Link
Wenn schon Religionsvertreter, dann bitte auch die Weltreligionen Buddhismus und Hinduismus berücksichtigen.
Martin am Permanenter Link
Die Frage ist, welche Rechtfertigung es für das ZDF überhaupt noch gibt. Als es gegründet wurde, gab es weit weniger ÖR-Sender und noch kein Privatfernsehen.
Horst Herrmann am Permanenter Link
Der Frau Bundeskanzlerin und ihren Lautsprechern ins Stammbuch: Leiht ein Staat sich die Krücken der Religion, beweist er nur, dass er lahm ist (Johann Gottlieb Fichte).
Heide am Permanenter Link
Interessant ist in dieser Umfrage der Sprung der Zustimmung bzw. das Dagegensein bei den jüngeren (Altersgruppe 14 – 29/ Schüler) im Vergleich zu den älteren. Wie kann der erklärt werden?
Gerade in dieser Altersgruppe besitzen die Kirchen aber laut anderen Untersuchungen die geringste Relevanz. Diese Diskrepanz müsste mal genauer betrachtet werden. Liegt es daran, dass hier die Indoktrination stärker wirkt, wie es die FOWID vermutet (was aber nicht sein kann, da gerade in Großstädten getaufte Kinder mittlerweile schon fast in der Minderheit sind). Oder sind die Weltbilder noch nicht genug ausdifferenziert? Oder kann es sein, dass ältere, den Kirche nahestehende eher bei so einer Umfrage genervt abwinken währen Kirchengegner jedoch so eine Umfrage als Sprachrohr verstehen und damit die Ergebnisse verzerren? Vielleicht nehmen jüngere (Schüler) unabhängig von ihrer Einstellung zu den Kirchen unbefangener bei solchen Umfragen teil und winken in der breiten Masse weniger ab?
Wenn dass so wäre, dann sitzen die Kirchen trotz aller Unkenrufe langfristig sehr fest im Sattel.