"Transparenzoffensive"

Die Bistümer veröffentlichen jetzt ihre Bilanzen – wirklich?

Die katholische Kirche lege ihre Finanzen offen, war neulich überall zu lesen. Es lohnt sich aber wie so häufig ein Blick hinter die Kulissen dieser frohen Botschaft: Es ist ein Anfang, aber von wirklicher Transparenz kann bei weitem noch nicht die Rede sein.

"Die deutschen Bischöfe haben sich erstmals umfassend zu verbindlichen und vergleichbaren Standards in ihrer Finanz- und Vermögensverwaltung verpflichtet", verkündete katholisch.de vor kurzem stolz. Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) habe "verbindliche und vergleichbare Standards im Themenkomplex 'Kirchenfinanzen' gesetzt", heißt es in einer Pressemitteilung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK). Seit dem Finanzskandal um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst bemüht sich die Kirche, auf diesem Gebiet Vertrauen zurückzugewinnen und startete eine "Transparenzoffensive".

Nun wurde beschlossen, dass künftig alle Jahresabschlüsse von Diözesen, Bischöflichen Stühlen und Domkapiteln veröffentlicht werden. Das gilt auch für "Rechts- und Vermögensträger von diözesaner Bedeutung", wie es sperrig heißt. Damit sind der Kirche angeschlossene Organisationen wie etwa örtliche Trägervereine des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) gemeint. Mindestens ihre Bilanzen und Ergebnisrechnungen, außerdem Anhänge, Lageberichte sowie Bestätigungsvermerke der Wirtschaftsprüfer sollen offengelegt werden. Zweitens soll "die Anwendung der Regelungen des Handelsgesetzbuches (HGB) (…) zum nächstmöglichen Zeitpunkt verbindlich vereinbart" werden. Drittens verständigte sich der VDD auf eine verbindliche Vereinbarung, dass Jahresabschlüsse von einer externen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unter die Lupe genommen werden sollen. Kleinere Diözesen dürfen den Aufwand jedoch geringer halten, berichtet katholisch.de.

Für die Bistümer Rottenburg-Stuttgart und Münster gelten Ausnahmen, die laut katholisch.de aber "weitgehend vergleichbar" seien. In ersterem werde die Prüfung nicht von Externen, sondern von der "(weisungs-)unabhängigen Stabsstelle Revision" durchgeführt. So könnten "laufend Strukturen und Prozesse überprüft" werden. Sie ist Teil des sogenannten "Rottenburger Modells" und wurde vom VDD anerkannt. Elemente des HGB gelten hier nur "in Teilen und wo zweckmäßig". Münster wendet das "Neue Kommunale Finanzmanagement" (NKF) an, das noch weitergehe als das HGB. Was aber nicht vorgesehen ist, ist wiederum eine externe Prüfung der Bilanzen. Stattdessen soll es eine "Innenrevision" geben, für die habe sich das Bistum bereits personell aufgestellt.

"Mit diesen Standards [werden wir] (...) unserer Verantwortung für die uns anvertrauten finanziellen Mittel gerecht", wird Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzender der DBK, in der Pressemeldung zitiert. Auch wenn nicht alle Bestimmungen des HGB "passgenau" seien, würde die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel der deutschen (Erz-)Diözesen so "transparent und nachvollziehbar (…) nachgewiesen". Das soll auch zur Vergleichbarkeit beitragen. Diözesen könnten nun ihr Controlling, Risikomanagement und den Einsatz zukünftig knapper werdender finanzieller Ressourcen weiterentwickeln, so Marx. Die Diözesen hätten hier noch viel Arbeit vor sich.

Kirchenfinanzexperte Carsten Frerk zeigt sich wenig beeindruckt vom neuen Ansatz der Katholiken in Finanzfragen: "Es ist ein lobenswerter Anfang, aber mehr auch nicht. Es gibt noch viel zu tun." Er kritisiert vor allem das "Niederstwertprinzip" des HGB, das es ermöglicht, Vermögen kleinzurechnen. Diese Strategie, von der auch die Kirche Gebrauch macht, analysierte er sehr anschaulich in der taz: Weder einbehaltene Gewinne noch der Marktwert werden offengelegt. Nach dieser Vorgehensweise ist der Kölner Dom zum Beispiel mit einem Wert von schlanken 27 Euro veranschlagt. Die Begründung dafür lautet, dass der berühmte Sakralbau, genau wie die meisten anderen Kirchengebäude, unverkäuflich sei und deshalb auch keinen Marktwert besitze. Ein anderer Trick des HGB, dessen sich die Bistümer bedienen, ist, den Wert von Immobilien mit zunehmendem Alter "abzuschreiben" – schon nach 30 Jahren ist man beim Symbolwert von einem Euro angekommen. Unter diesen Gesichtspunkten darf man auch die Aussagekraft der offengelegten Bilanzen insgesamt bezweifeln. Besser geeignet wären laut Frerk die "International Financial Reporting Standards" (IFRS), welche die tatsächliche Finanzlage eines Unternehmens in den Vordergrund stellen und sich an Marktwerten orientieren. "Stille Reserven", auf die sich die Kirche gerne beruft, sind nicht vorgesehen.