Filmkritik

Ein kompliziertes Mosaik des Missbrauchsskandals in Überlänge

Passend zur gleichzeitig stattfindenden Bischofskonferenz kam gestern ein Film über den Missbrauchsskandal in die Kinos: "Gelobt sei Gott". Das hochgelobte Werk von François Ozon erzählt die wahre Geschichte von ehemaligen Opfern aus Lyon, die sich zusammentun und öffentlich anprangern, was ihnen widerfahren ist. Der Stil des preisgekrönten Films in Überlänge ist leider sehr anstrengend, denn er macht es dem Zuschauer schwer, ihm zu folgen.

Eins vorweg: Kunst ist Geschmackssache. "Gelobt sei Gott" gewann bei der diesjährigen Berlinale den "Großen Preis der Jury" und ist laut Frankfurter Rundschau "möglicherweise François Ozons bester Film". Vielleicht fehlt mir da ein Sinn fürs Arthouse-Kino. Aber ich kann diese Begeisterung einfach nicht teilen.

Die Geschichte beginnt bei Alexandre und seinen fünf Kindern, der irgendwann von einem Bekannten darauf angesprochen wird, ob er denn damals von Pater Preynat auch angefasst worden sei. Alexandre beginnt sich nach 30-jährigem Schweigen damit auseinanderzusetzen und findet heraus, dass der pädophile Priester von damals immer noch mit Kindern arbeitet. Zunächst bemüht er sich um eine innerkirchliche Aufarbeitung und ist überzeugt, dass dies eine Angelegenheit ist, die intern geklärt werden müsse. Bei einer Gegenüberstellung gibt der beschuldigte Geistliche alles zu, sieht sich aber selbst als Opfer seiner Pädophilie. Als Alexandre nach einigem Hin und Her eröffnet wird, dass man nicht die Absicht habe, den mittlerweile über 70-jährigen Preynat aus dem Klerikerstand zu entheben, erstattet Alexandre Anzeige, obwohl die Tat längst verjährt ist. Die Ermittler nehmen Kontakt zu François, einem weiteren Missbrauchsopfer, auf. Der heutige Atheist wird aktiv, sucht nach anderen Betroffenen und gründet gemeinsam mit ihnen den Verein "Das gebrochene Schweigen". Über eine eingerichtete Hotline melden sich ständig neue Personen, die Ähnliches erlebt haben. Die Medien beginnen zu berichten, der öffentliche Druck steigt und Barbarin, der Kardinal von Lyon, sieht sich schließlich zu einer Pressekonferenz veranlasst. Dort fällt der verhängnisvolle Satz, der dem Film den Titel gibt: Gelobt sei Gott seien die Taten schon verjährt.

Filmplakat
Filmplakat

Der Regisseur orientiert sich mit einer für einen Spielfilm ungewöhnlichen Akribie an wahren Begebenheiten. Auch die Namen der Kirchenmänner sind die aus dem wahren Leben, was zur Folge hatte, dass der des Missbrauchs beschuldigte Priester gerichtlich versuchte, den Kinostart in Frankreich zu verhindern. Kardinal Barbarin wurde mittlerweile zu einer sechsmonatigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt, Pater Preynat wartet noch auf seinen Prozess, wurde aber in diesem Jahr bereits von einem Kirchengericht in den Laienstand befördert, wie vor dem Abspann eingeblendet wird. Die Verjährungsfrist bei sexuellen Vergehen gegen Minderjährige wurde von 20 auf 30 Jahre nach Erreichen der Volljährigkeit verlängert.

Der Film bemüht sich, Einblicke in das heutige Leben der ehemals missbrauchten Kinder zu geben und den unterschiedlichen Umgang der Eltern mit den Verbrechen nachzuzeichnen. Exemplarisch greift er einzelne Aspekte heraus, die verdeutlichen sollen, wie diese traumatische Erfahrung die Biographien beeinflusst hat, von körperlichen Veränderungen über chronische Erkrankungen bis zu Beziehungsproblemen. Aber er will zu viel: Trotz, dass er sich viel Zeit nimmt, baut sich – wenn überhaupt – erst sehr spät eine Spannung auf. Ein roter Faden ist nicht erkennbar, vielmehr gleicht der Film einem Flickenteppich aus Namen, die man sich einfach nicht alle merken kann, und Szenen, die mehr oder weniger zusammenhanglos aneinandergereiht sind. Personen tauchen auf und verschwinden wieder. Das macht den Film anstrengend. Etwas mehr Fokus hätte gutgetan.

Der zunächst als Hauptcharakter auftretende Alexandre tritt im Laufe des Films in den Hintergrund und man wechselt zwischen den anderen Akteuren des Vereins. Aber insgesamt scheint es, als habe der Regisseur trotz intensiver Einzelszenen nicht die Geduld, länger und stetiger bei ein paar ausgewählten Figuren zu verweilen, um sie dem Zuschauer wirklich näherzubringen. Das ist schade. In "Spotlight", dem Drama um die Aufdeckung der kirchlichen Missbrauchsfälle in den USA durch den Boston Globe, ist das wesentlich besser gelungen. Vielleicht liegt es daran, dass François Ozon ursprünglich einen Dokumentarfilm drehen wollte. Das merkt man auch an den ausgedehnten Briefwechseln, die auf Originale gestützt wörtlich wiedergegeben werden, während der Film szenisch schon weitergeht. Die Kombination aus visueller Ablenkung und geschwurbelten Sätzen voll frommer Sprüche macht es dem Zuschauer schwer, dem Inhalt zu folgen.