Justizministerin Lambrecht (SPD) mit Islamverbandschef Mazyek als "Rechtsstaat"-Botschafter

Politischer Totalschaden

Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) hat mit der Kampagne #WirSindRechtsstaat zunächst für einige Irritationen gesorgt. Seit Anfang November 2019 hat sie dann mit ihrem "Rechtsstaat"-Botschafter, dem Islamverbandschef Aiman Mazyek, 7 Verfassungsfragen ungeklärt gelassen und das Ansehen des Rechtsstaats demoliert. Nach dem Ordnungsruf ihres Ministerkollegen Jens Spahn (CDU) steht sie heute mit einem politischen Totalschaden in der Bundesregierung und der Öffentlichkeit da. Was passiert jetzt?

Vor nunmehr einem Monat, am 4. November 2019, trat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) mit Aiman Mazyek, dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), als Botschafter für die Regierungskampagne "Wir sind Rechtsstaat" an die Öffentlichkeit.

Im Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) entstand unmittelbar Verwunderung über diese ministerielle Kampagnenpartnerschaft. Denn frühere und aktuelle Äußerungen und Aktionen des ZMD-Vorsitzenden und der mutmaßlichen ZMD-Mitgliedsorganisationen ließen umfassende Zweifel an der Eignung aufkommen (Beispiele hier). Noch am selben Tag, am 4. November 2019, stellte das Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) 7 Verfassungsfragen zur Klärung an die Beteiligten (hier auf Facebook, hier auf Twitter). ifw-Beirat Holm Putzke, Strafrechtsprofessor und CSU-Kreisvorsitzender in Passau, unterstützt die Aktion und sagt: "Von einem 'Rechtsstaat'-Botschafter des Justizministeriums ist es nicht zu viel verlangt, sich mit einem klaren Bekenntnis zu diesen sieben Punkten zu positionieren."

Die Punkte lauten:

  1. Der säkulare und weltanschaulich neutrale Rechtsstaat des Grundgesetzes und die Urteile staatlicher Gerichte stehen ohne Wenn und Aber über den religiösen Rechtsnormen aus Koran, Sunna und den Scharia-Regelungen.
  2. Nicht-Muslime und Muslime sind immer und überall ebenbürtige und gleichberechtigte Menschen.
  3. Muslimische Frauen sind im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze frei darin, denjenigen oder diejenige ihrer Wahl zu heiraten.
  4. Muslimische Frauen sind als Individuen im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze frei darin, sich immer und überall so zu kleiden, wie sie es für richtig halten.
  5. Für Menschen, die sich vom Islam abwenden (d. h. Apostaten, Ex-Muslime etc.), gelten immer und überall das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und alle weiteren Grundrechte.
  6. Für Homosexuelle gelten das Recht auf Leben, körperliche Unversehrtheit, freie Entfaltung der Persönlichkeit und alle weiteren Grundrechte.
  7. Im Rahmen der geltenden deutschen Gesetze dürfen Zeichnungen und Karikaturen von Mohammed veröffentlicht werden.

Sowohl das Justizministerium wie auch "Rechtsstaat"-Botschafter Mazyek erhielten mehrfach Gelegenheit zur Äußerung – und stellten nichts klar. Mag ihnen der Klärungsbedarf trotz mehrfacher Direktansprache entgangen sein? Wohl kaum. Bei dem unter anderem durch das BMJV auf Facebook verbreiteten Mazyek-Testimonial handelt sich um den am meisten verbreiteten und kommentierten Beitrag des Justizministeriums des Jahres 2019. Allein der ifw-Kommentar zu diesem Testimonial mit den 7 Verfassungsfragen erzielte auf der BMJV-Seite weitaus mehr "Likes" (Zustimmung) als die meisten der sonstigen BMJV-eigenen Ministeriumsmitteilungen der letzten 11 Monate (seit Januar 2019). Unter den Kommentaren an das BMJV wurde der ifw-Kommentar schnell zum Top-Kommentar des Jahres. Reaktion? Das Justizministerium und sein Rechtsstaatsbotschafter Mazyek schwiegen weiter und verweigerten die Sachdebatte.

Screenshot Facebook
Screenshot Facebook

Was geschah seitdem?

Am 12. November 2019 titelte das Handelsblatt "CDU-Politiker kritisieren 'Rechtsstaat'-Kampagne mit Aiman Mazyek". Demnach sagte Bundesminister Jens Spahn, dass wer mit seinem Gesicht für den Rechtsstaat werbe, über jeden Zweifel erhaben sein solle. Und weiter: "gerade bei Herrn Mazyek und seinem Verband ist das leider nicht der Fall". Carsten Linnemann, der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion und Mitherausgeber des lesenswerten Sachbuches "Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland. Wie wir unsere freie Gesellschaft verteidigen" (erschienen im Herder Verlag 2019) warf dem Justizministerium "Blauäugigkeit" vor. Linnemann: "Der Zentralrat der Muslime umfasst auch Gruppierungen, die wegen ihrer Nähe zur Muslimbruderschaft unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehen." Der CDU-Bundestagsabgeordnete Christoph de Vries forderte: "Diese Zusammenarbeit muss sofort beendet werden."

Am 13. November 2019 teilte Mazyek über die Islamische Zeitung mit, er weise die Kritik zurück und stünde mit dem Zentralrat "in Wort und Tat fest auf dem Boden des Grundgesetzes". Damit entkräftete Mazyek die Kritik gleichwohl nicht und bestärkte mit seiner Wortwahl sogar noch die Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und Eignung als Rechtsstaatsbotschafter. Denn schon vor zehn Jahren hatte Mazyek geäußert, "die Scharia (sei) kein Hindernis für Verfassungstreue". Nun ist es das eine, das Grundgesetz und die säkulare Demokratie als Tatsache anzuerkennen. Das andere ist, ob und inwieweit sich Mazyek und die durch den ZMD vertretenen Muslime durch Koran, Sunna, und Scharia-Regelungen angespornt fühlen, sich nach besten Kräften dafür einzusetzen, die Gesellschaft und den Staat in eine islamgemäße Form nach den Vorstellungen und der Pflichtenlehre ihres Propheten Mohammed zu verwandeln. Es beginnt schon mit der Geschlechterapartheid, wie Islamwissenschaftlerin Susanne Schröter in der Emma 11-12/2019 unter anderem auch zu Mazyeks ZMD ausführt. Eine noch größere Gefahr als der islamistische Terror für die freie Gesellschaft und die Geltung der Menschenrechte ist nach ihrer Analyse der legalistische Islamismus. Zur Vertiefung sei Schröters Buch "Politischer Islam. Stresstest für Deutschland" empfohlen, in dem die Organisationen und Akteure und ihre Einflussnahme auf Deutschland beschrieben werden.

Es ist weithin anerkannt, dass das individuelle Selbstbestimmungsrecht in Fragen von Religion, Glaube, Weltanschauung im Besonderen und die universellen individuellen Grundrechte des Grundgesetzes im Allgemeinen mit der in deutschen Moscheegemeinden weit verbreiteten Annahme einer abschließenden göttlichen Offenbarung über Mohammed und einer eingeschränkten Anerkennung von Demokratie und Rechtsstaat (vgl. Joachim Wagner "Die Macht der Moschee. Scheitert die Integration am Islam?") objektiv nicht vereinbar sind. Der ZMD hat in seiner Islamischen Charta einen "Kernbestand der Menschenrechte" definiert und spricht nebulös davon, dass das islamische Recht gebiete, "Gleiches gleich zu behandeln" und "Ungleiches ungleich zu behandeln". Insofern ist es wichtig zu wissen, welches Recht das Justizministerium hier mit einer Partnerschaft zum Islamverband stärkt und was konkret unter den ZMD-definierten "Kernbestand der Menschenrechte" fällt und welche Menschenrechte nicht zum ZMD-Kernbestand zählen. Anders ausgedrückt: Was ist der ZMD-Islam? Was ist der ZMD-Kernmenschenrechtsbestand? Wenn religiöse Rechtsnormen aus Koran, Sunna, und Scharia-Regelungen über das Grundgesetz gestellt werden – oder zumindest wie bislang im Falle Mazyeks und des ZMD nicht eindeutig dem staatlichen Recht und den Menschenrechten Vorrang über Koran, Sunna und Scharia-Regelungen gegeben wird – droht eine Erosion des Rechtsstaates.

Das ifw veröffentlichte am 15. November 2019 eine 10-Tage-Rückschau der BMJV-Mazyek-Causa mit weiteren Hintergründen, um die weitere Debatte zu informieren. Darin ist auch ein Appell an das Justizministerium enthalten, endlich an der Sachdebatte teilzunehmen, die schließlich durch die ministerielle Kampagnenmaßnahme mit dem Islamverband ausgelöst worden war: "Wirken Sie auf klarstellende Antworten Ihres Rechtsstaatsbotschafters Mazyek hin oder ziehen Sie die Reißleine zu ihm. Korrigieren Sie dringend Ihre Kampagne, um weiteren Schaden vom öffentlichen Bild des Rechtsstaates abzuwenden. Das ifw (und viele andere) bleiben dran."

Bei den Grünen griff am 18. November 2019 die "Bundesarbeitsgemeinschaft Säkulare Grüne" das Thema auf. Abgesehen von der CDU wurden jedoch von Spitzenpolitikern aus SPD, AfD, FDP, Linkspartei und Grünen (Reihenfolge der Nennung nach Fraktionsgröße im Bundestag) keine Wortmeldungen in den Medien oder im Bundestag zur Korrektur des Ministeriumskurses bekannt. Parteipolitisch gilt Mazyek als politisch gut vernetzt und war in früheren Jahren in der FDP engagiert, ließ jedoch 2010 seine FDP-Mitgliedschaft ruhen. Mazyek begründete laut Tagesspiegel seinen Schritt pikanterweise unter anderem damit, dass die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung (FNF) ihren Freiheitspreis 2011 an Necla Kelek (Autorin u.a. von "Himmelsreise. Mein Streit mit den Wächtern des Islam") verliehen habe und die Partei nicht zu ihren "Wurzeln als Bürgerrechtspartei" zurückfände. Kelek ist profilierte Frauenrechtlerin und engagiert sich im Vorstand von Terre des Femmes – Menschenrechte für die Frau. Man kann an der Kritik der Verleihung des FNF-Freiheitspreises von damals auch schon erkennen: Verhöhnung von Frauenrechtlerinnen gehört seit vielen Jahren zum Arsenal des Rechtstaatsbotschafters Mazyek, was ebenfalls nicht zu seiner Eignung für die Ministeriumspartnerschaft beiträgt.

Die Zeitschrift EMMA schrieb am 19. November 2019 in "Der verhöhnte Rechtsstaat", dass die Bundesregierung mit dem ZMD-Vorsitzenden Aiman Mazyek einen Kampagnenbotschafter ernannt habe, der "seit Jahren den Rechtsstaat schwächt". Mazyek "befürwortet die Scharia im Familienrecht und die Geschlechter-Apartheid in der Schule".

Mazyek bezeichnete den Emma-Artikel als "Hexenjagd" (sic!). Er würde eine "Klartext-Haltung zum GG" zeigen, die man jedoch aus der Öffentlichkeit verbannen wolle. Das ifw forderte ihn auf, endlich seine angebliche "Klartext-Haltung" zu benennen und mit dem ZMD konkret zu werden. Spätestens hier war klar, dass auf ihn als ministeriellen Rechtsstaatsbotschafter ein erhöhter Dialogaufwand zukam, konkret und sachlich sein Rechtsstaatsverständnis darzustellen.

Mazyek erhielt auch öffentliche Fürsprache. Dunya Elemenler aus dem Vorstand der Christlich-Islamischen Gesellschaft (CIG e. V.) wünschte Mazyek in einem Tweet am 20. November 2019 mit Bezug auf die Artikel von EMMA und ifw jedoch nicht etwa, dass er endlich die Kritik durch einen klaren, sachlichen Beitrag erwidern und idealerweise ausräumen möge, sondern "viel Kraft diese teils rechtsmotivierte Propaganda zu ignorieren!"

Trotz EMMA-Artikels und einer dpa-Meldung, auf der der Handelsblatt-Artikel basierte, berichtete bis dahin kein weiteres reichweitenstarkes Medium. Nun übt Islamverbandschef Mazyek auch Funktionen im Beirat der Mediengruppe RTL Deutschland und im ZDF als Sprecher des "Forum am Freitag" aus. Auch ZDF und RTL enthielten sich, soweit ersichtlich, der Berichterstattung.

Als Zwischenfazit zog das ifw: Offenkundig scheuen Mazyek und der ZMD bislang jegliche Sachdebatte. So bleibt er einerseits in sachlicher Hinsicht vage, andererseits sucht er in überzogener und polarisierender Weise den personalisierten Konflikt. Zum Beispiel gegen Autor Ahmad Mansour ("Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen" und "Klartext zur Integration: Gegen falsche Toleranz und Panikmache"). Damit scheint Mazyek eigene oder Verbandsinteressen zu bespielen, erweist jedoch als "Botschafter" der Bundesregierung dem Ansehen des Rechtsstaats, dem öffentlichen Vertrauen in den Rechtsstaat und der muslimischen Integration einen Bärendienst.

Am 25. November 2019 rezipierte der Autorenblog "Achse des Guten" die Debatte in dem Beitrag "Ein Scharia-Apologet ist Rechtsstaat" und hob darin nochmal die Kritik an der Islamischen Charta und der Mitgliedsverbände des ZMD hervor.

Das Justizministerium hat mit dieser undurchdachten Werbeaktion ein Problem geschaffen ... (Holm Putzke)

Am 3. Dezember 2019 informierte Mazyek, dass zukünftig die Mitgliedschaft eines der von den CDU-Spitzenpolitikern kritisierten und vom Verfassungsschutz beobachteten Mitgliedsverbandes im ZMD ruhen würde und bewertete dies als einen durch die öffentliche Kritik hervorgerufenen "schmerzlichen, aber auch notwendigen Schritt". Über die Mitgliedsverbände informiert der "Rechtstaatsbotschafter" und der ZMD jedoch noch immer nicht. Bereits früher hatte das ifw festgestellt, dass es die Bundesregierung zumindest irritieren und von einer weiteren finanziellen Förderung des ZMD und einer ministeriellen "Rechtsstaat"-Testimonialpartnerschaft Abstand nehmen sollte, dass der Islamverband "bei konkreten Fragen" zu den Namen der Mitglieder verspricht, auf Anfragen an presse@zentralrat.de Auskunft zu geben. Was geschieht, wenn man diese Informationen anfordert? Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages schreibt in einer Kurzinformation (WD 1 – 3000 – 005/19, 25. März 2019): "Auf die Frage, welche Organisationen derzeit Mitglied im ZMD sind, gibt es derzeit keine belastbare Antwort." Seine Anfrage per Mail am 5. März 2019 blieb unbeantwortet und auf eine telefonische Nachfrage reagierte der ZMD nicht. Daraus ist zu schließen, dass der ZMD hier die Bundestagsverwaltung absichtsvoll im Dunkeln lässt und die Öffentlichkeit unter Angabe einer unpassenden Begründung ("Sicherheitsmaßnahmen") bezüglich seiner Mitgliedsorganisationen auch heute noch irreführen will (Weiteres siehe hier).

Heute, auch nach einem Monat, schweigen Mazyek, der ZMD und das kampagnenverantwortliche Bundesjustizministerium zur sachlichen Kritik und den 7 Verfassungsfragen immer noch. Wie erklärt ifw-Beirat Holm Putzke das Schweigen?

Putzke: "Das ist verständlich, denn Aiman Mazyek und der ZMD können die 7 Verfassungspunkte vermutlich nicht bejahen, ohne sich zu verleugnen oder mit einem 'Ja, aber' oder 'Nein' ihr wahres Gesicht zu zeigen. Genau das ist übrigens der Grund, weshalb Mazyek und der ZMD mit dieser Einstellung zu den Grundrechten bei der 'Rechtsstaat-Kampagne' der Bundesregierung und des Bundesjustizministeriums nichts zu suchen haben. Das Justizministerium hat mit dieser undurchdachten Werbeaktion ein Problem geschaffen, muss jetzt endlich die Reißleine ziehen und das Ansehen des Rechtsstaates vor weiterem Schaden schützen."

Politischer Totalschaden der Kampagne – Was passiert jetzt?

Politisch ist es in der Causa "Rechtsstaat-Kampagne Mazyek/ZMD" zu einem Totalschaden für das Bundesjustizministerium gekommen. Denn Bundesministerin Christine Lambrecht (SPD) musste von Bundesminister Spahn (CDU) – vollkommen zu Recht und unwidersprochen – in aller Öffentlichkeit zur Ordnung gerufen werden. Geändert haben die Justizministerin und das Ministerium jedoch erkennbar nichts, erklärt haben sie auch nichts. Es läuft im Verfassungsressort alles schweigend weiter so.

Die Öffentlichkeit muss leider weiterhin gespannt bleiben, was nach der regierungsamtlichen ZMD-Werbebotschaft für das Bundesjustizministerium und seinen Botschafter Mazyek an der Bestätigung der individuellen Grund- und Menschenrechte und der Unterordnung von Rechtsnormen aus Koran, Sunna und den Scharia-Regelungen unter das Grundgesetz so schwierig ist.

Wie lange noch soll das Ansehen des Rechtstaates durch das Verfassungsressort in dieser hausgemachten Weise demoliert werden? Dieser politische Totalschaden müsste für Bundesministerin Lambrecht (SPD) und den Kurs der Kampagne des Justizministeriums jetzt auch im Bundestag und der breiteren Medienlandschaft handfeste Folgen haben. Damit nicht noch mehr Vertrauen in den Rechtstaat verloren geht.

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