Interview

"Jetzt ist endlich der Weg frei zum Bundesverfassungsgericht"

Bettina Gaber wurde wegen "Werbung" für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe verurteilt. Nun hat sie Verfassungsbeschwerde gegen den (frisch reformierten) Strafrechtsparagraphen 219a eingereicht. Der hpd sprach mit der Berliner Frauenärztin.

hpd: Frau Gaber, laut taz haben Sie am Montag Verfassungsbeschwerde gegen Paragraph 219a StGB eingereicht. Warum?

Bettina Gaber: Wir – die Aktivistinnen, mein Rechtsanwalt und ich – denken, dass es ein verfassungswidriges und völlig unsinniges Gesetz ist. Jetzt ist endlich der Weg frei zum Bundesverfassungsgericht und wir hoffen, dass wir angenommen werden.

Warum haben Sie sich für diese Strategie entschieden?

Wir sind vor dem Amtsgericht verurteilt worden. Die nächste Instanz wäre in Berlin das Landgericht gewesen, das haben wir bewusst aus strategischen Gründen ausgelassen, indem unsere Rechtsanwälte eine sogenannte "Sprungrevision" beantragt haben. Das bedeutet, dass das Kammergericht aufgrund der ihm vorliegenden Materialien urteilt, es zieht direkt aus der Sachlage und dem Urteil des Amtsgerichts seinen Schluss, weil es ja nicht mehr um neue Beweismittel oder eine erneute Tatsachenprüfung geht. Das haben wir bewusst gemacht, weil uns ja klar war, dass uns auch das Landgericht verurteilen würde.

Wie sehen Sie Ihre Erfolgschancen?

Da gibt es mittlerweile einige Statements, auch vom Deutschen Juristinnenbund, die besagen, dass wir ganz gute Chancen haben zumindest angenommen zu werden. Dann hängt es natürlich ganz klar davon ab, an welchen Senat wir geraten und wie da so die Strömungen sind. Dann wird man sehen. Also ich denke, die Sache ist – das muss man ehrlich sagen – völlig offen und der erste Schritt muss jetzt wirklich sein, dass die Sache überhaupt angenommen wird.

Sie wurden selbst gerade aufgrund des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche zu einer Geldstrafe von 2.000 Euro verurteilt, weil auf Ihrer Website der Satz "Auch ein medikamentöser, narkosefreier Schwangerschaftsabbruch in geschützter Atmosphäre gehört zu unseren Leistungen" steht. Warum finden Sie die Einordnung als Werbung an dieser Stelle falsch?

Das Gesetz ist in unseren Augen völlig unsinnig, weil da steht ja immer noch "Werbung" darüber, und "Werbung" bedeutet ja, dass ich etwas anpreise, dass ich etwas schönrede oder wie auch immer. Das tun wir ja nicht, wenn wir eine sachliche Information darüber geben, dass wir medikamentös oder von mir aus auch operativ abbrechen. Die Sache mit der "geschützten Atmosphäre" ist natürlich insofern vielleicht ein wenig tricky, aber das bezog sich darauf, dass das keine öffentliche Geschichte ist, sondern die Frauen sollen sich geborgen fühlen. Das ist ja definitiv keine Werbung.

Was wäre denn Werbung? Finden Sie, man kann überhaupt gesetzlich definieren, wo eine Grenze zu ziehen ist?

Wenn ich jetzt sagen würde: "Kommen Sie zu mir, bei mir ist es gar kein Problem, wir sind da ganz unbürokratisch, kommen Sie einfach vorbei, dann bekommen Sie schon ihren Termin für den Abbruch", das würde ich dann eher als Werbung bezeichnen, von meinem Empfinden her. Eine gesetzliche Grenze ist generell total schwer und deswegen muss man einfach ganz klar sagen: Werbung ist alles, was über eine sachliche Information hinausgeht. Unter sachlicher Information verstehe ich das Procedere, was benötige ich dazu, welche Art des Abbruches ist es. Und ich glaube, dass man die auf die originäre Sache beschränkte Information schon ganz klar zur Werbung abgrenzen kann.

Paragraph 219a wurde gerade erst reformiert. Warum ist das für Ärztinnen wie Sie keine Verbesserung?

Weil es keinerlei Form der Rechtssicherheit gibt: Frau Hänel ist verurteilt worden, wir sind verurteilt worden und bei den Kasslerinnen wurde das Verfahren eingestellt. Das kann eigentlich nicht sein, das geht nur, weil jeder Richter in Deutschland nach seiner Einschätzung entscheiden kann, es gibt ja keine Präzedenzfälle. Da wurde gehudelt, gemacht und getan, dass man es in irgendeiner Form den konservativen Kräften recht machen kann. So ist dieser vollkommen unsinnige und auch widersprüchliche Paragraph in der Reform entstanden. So wird es auch keine Verbesserung bei der Versorgung der Frauen geben.

Manche Menschen machen sich Sorgen, was passieren könnte, wenn das Werbeverbot fällt. Was denken Sie, würde passieren? Was sagen Sie diesen Menschen?

Das wäre ein kleiner Schritt, aber auch ein Meilenstein, wenn 219a fällt. Es geht ja insgesamt um ein Klima, um die Akzeptanz: Ich kann die Frau sachlich und umfassend informieren – aber nicht in dem Sinne, dass das jetzt eine ganz einfache Sache ist. Abgesehen davon darf unser Berufsstand gar nicht werben, da gibt es ganz klare Richtlinien. Egal ob ich jetzt Orthopäde bin oder Gynäkologe oder Zahnmediziner, ich kann keine Plakate aufhängen und sagen: "Bei mir kriegen Sie die geilsten Hüften". Insofern würde das bei Schwangerschaftsabbrüchen gar nicht passieren und das würde auch niemand machen. Letztlich ist diese Geschichte mit der Werbung ja nur ein Deckmäntelchen über die Moral und Ethik der Abtreibung. Deutschland hat ein Problem mit der Akzeptanz von Schwangerschaftsabbrüchen.

Fänden Sie "richtige" Werbung für Schwangerschaftsabbrüche eigentlich schlimm? Wenn ja/nein, warum (nicht)?

Ja. Richtige Werbung im klassischen, anpreisenden Sinne, das geht nicht. Keinerlei Werbung darf im medizinischen Bereich erlaubt sein. Das finde ich auch völlig in Ordnung und erst recht natürlich für Schwangerschaftsabbrüche, das ist ein hochsensibles Thema, dafür kann man nicht werben. Aber eine Information zu geben, ist keine Werbung.

Frau Gaber, herzlichen Dank für das Gespräch.

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