Der deutsche Bundestag diskutiert derzeit über ein Lobby-Gesetz. Manche NGOs kritisieren die Gesetzentwürfe. Allerdings nicht, dass den Kirchen durch die Hintertür auch hier wieder Sonderrechte eingeräumt werden sollen.
Nach dem derzeitigen Gesetzentwurf der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD soll das Gesetz nur für den Deutschen Bundestag gelten, die Regierung und die Ministerien sollen davon ausgeschlossen bleiben. Das wird zum Beispiel auch von Lobbycontrol kritisiert: "Nach wie vor sieht der Gesetzentwurf ein Lobbyregister nur für die Lobbyarbeit gegenüber dem Bundestag vor. Ein Lobbyregister, das nur für den Bundestag gilt, ist unzureichend, da es wesentliche Bereiche der Lobbyszene nicht erfasst. Im internationalen Vergleich gibt es kein Land mit ernstzunehmendem Lobbyregister, bei dem die Regierung ausgeklammert ist."
Nicht hinterfragt wird jedoch ein Passus, der ebenfalls im Gesetzentwurf vorhanden ist: Im Paragrafen 1 des Gesetzentwurfs heißt es unter Punkt 3: "Der Eintragungspflicht unterliegt die Interessenvertretung nicht […] im Rahmen der Tätigkeit der Kirchen und sonstigen Religionsgemeinschaften" (Unterpunkt 9).
Einzig dem Institut für Weltanschauungsrecht (ifw) fiel bislang auf, dass hier die Kirchen mit Bundestagsfraktionen und anderen Mandatsträgern, mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden, Parteien und Pressevertretern gleichgesetzt werden sollen.
Bei Twitter wies das ifw darauf hin:
In der anschließenden Diskussion stimmte Lobbycontrol bei Twitter ebenfalls zu, dass eine Freistellung von der Registrierung für Kirchen-Lobbyisten falsch ist.
Die Rolle der beiden großen christlichen Kirchen als Lobbyisten ist der Öffentlichkeit kaum bekannt. Und das, obwohl ihre Vernetzung so perfekt ist, dass sie sogar von der Autoindustrie beneidet werden. Die katholische und evangelische Kirche betreiben eigene Lobbybüros in allen Landtagen und wie selbstverständlich auch im Bundestag. Sie machen gar keinen Hehl aus dem, was sie tun: Besucht man beispielsweise die Website des "Katholischen Büros in Berlin", kann man dort lesen:
"Die Arbeitsweise des Katholischen Büros ist geleitet von der Vorstellung, dass die katholische Kirche in Deutschland dem Gemeinwohl im Ganzen verpflichtet ist und sich in diesem Sinne in den politischen Meinungsbildungsprozess einbringt. (...) Das Katholische Büro (...) erfüllt seinen Auftrag insbesondere durch die Beobachtung der Gesetzgebungsvorhaben des Bundes, die sachkundige Begleitung bei der Vorbereitung von Gesetzen und politischen Entscheidungen, die Abgabe von Stellungnahmen zu Gesetzgebungsverfahren des Bundes sowie die Durchführung von Beschlüssen der Deutschen Bischofskonferenz. Auch die Pflege der Kontakte zu den Verantwortungsträgern in Gesellschaft und Politik gehört hierzu."
Leider muss davon ausgegangen werden, dass – ganz gleich, an welchen Stellen der Gesetzentwurf noch verändert werden wird, ehe er Gesetz wird – dieser Part nicht geändert wird. Viel zu selbstverständlich scheint es den Bundestagsabgeordneten zu sein, dass die Kirchen unkontrollierten Lobbyismus betreiben können. Immer wieder hört man als Begründung, dass diese schließlich eine wichtige gesellschaftliche Rolle einnähmen und deshalb selbstverständlich auch gesondert zu behandeln seien. Doch: Dieses "Argument" gilt erst dann, wenn auch Freiwillige Feuerwehren, die Arbeiterwohlfahrt oder der Humanistische Verband ebenso behandelt werden.
12 Kommentare
Kommentare
E. Steinbrecher am Permanenter Link
Eigentlich müsste jede Art von Lobbyismus abgestellt werden! Demokratie bedeutet schließlich, Regierung vom Volk für´s Volk. Das tangiert aber niemanden - leider.
Aber - nicht nur unsere Parlamente in Deutschland unterliegen dem Einfluss des Klerus, nein das gilt auch für Brüssel und die UN. Die Gesellschaft Jesu und das Opus Dei lassen grüßen, wichtiger ab noch, bitten zur Kasse!
Hallelujah - lobet wen auch immer
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wieso nehmen die Kirchen eine gesellschaftlich wichtige Rolle ein, alles was die Kirchen in der Gesellschaft "leisten", kann auch von nichtkirchlichen Organisationen geleistet werden,
Hans Trutnau am Permanenter Link
"Leider muss davon ausgegangen werden, dass – ganz gleich, an welchen Stellen der Gesetzentwurf noch verändert werden wird, ehe er Gesetz wird – dieser Part nicht geändert wird."
Man muss sich diesen Umstand (der übrigens lt. Carsten Frerks Buch "Kirchenrepublik D..." auf W. Brandt zurückgeht!) nur einmal vorstellen... Willkommen im Gottesstaat!
Unechter Pole am Permanenter Link
Die Rolle, die Facebook, Google/Alphabet, Amazon & Co. in der Gesellschaft spielen, ist viel größer als die der Kirchen. Folgerichtig müsste man diese auch vom Lobbyregister befreien.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Wann endlich entsteht ein "Zentralrat der Religionsfreien"? Er würde ca die knappe Hälfte der Gesamtbevölkerung vertreten und müsste juristisch zwingend angehört und einbezogen werden.
Manfred Gilberg am Permanenter Link
Einen Zentralrat der Konfessionsfreien hatte MMS (Michael Schmidt-Salomon) schon vor Jahren vorgeschlagen, konnte sich aber im weitläufigen Feld der säkularen Weltanschauung nicht duchsetzen.
Aber was sagt uns dieser Hauchelapparat denn eigentlich? Wir sind viel zu schwach auf der Brust. Wir müssen uns anders aufstellen. Wir müssen die Partei der Humanisten dem viel stärker entgegenstellen. Und zwar mit viel mehr Geld, sehr viel mehr Geld. Sonst können wir gegen diesen Kirchenstaat nicht ankommen. Und mit dem vielen vielen Geld müssen wir kommunikative Leute anheuern, die auf unserer Seite stehen. Damit wir auch einmal haushohe Transparente mit unseren Slogans aufhängen können. Nicht nur die Kirchen. Viel mehr starke Aufklärung betreiben. Und dabei die uns einenden, wenigen starken Argumentationslinien bedienen. Das muss unsere Linie werden.
Einen Willen dazu kann ich aber leider in den säkularen Kreisen nicht erkennen.
Brigitte Breidenbach am Permanenter Link
Wer einen Zentralrat der Konfessionsfreien, der längst überfällig ist, als vorgeblich Säkularer ablehnt, sollte sich nicht weiter säkular bezeichnen - er belügt sich selbst und andere.
Kathi am Permanenter Link
Wenn wir eine konsequente Trennung von Staat und Kirche anstreben, muss die Partei der Humanisten erst einmal zur Wahl gestellt werden.
Daher sollte man sich die Mühe geben, diese Partei zu unterstützen und das Kreuz bei den Wahlen dann einmal woanders zu setzen. Alleiniges Jammern ändert nichts und bringt immer nur selbiges Ergebnis zutage, was ja an der jahrelangen C Regierung sichtbar wird. Vom alleinigen Reden hat sich noch nie etwas geändert und wenn jeder einen kleinen Beitrag leistet, kann auch Veränderung entstehen. Was natürlich auch für jene gilt, die sich einerseits als säkulär bezeichnen, andererseits aber noch brav die Kirchensteuer zahlen und Kirchen als Arbeitgeber wählen. So kann sich nichts ändern.
Anbei der Link zur Unterstützerunterschrift für das jeweilige Bundesland.
https://www.diehumanisten.de/unterstuetzerunterschrift/
Carsten Ramsel am Permanenter Link
So wenig wie im Zentralrat der Muslime alle Muslime Mitglieder sind (Tatsächlich ist es nur eine Minderheit.) und ihre politischen Interessen durch ihn vertreten werden, so wenig wären alle Religionsfreien notwendiger
Manfred Schleyer am Permanenter Link
Kirchen, Kirchen über alles ...
Edgar Schwer am Permanenter Link
Bedenkt man, welchen Einfluss sogenannte „Seelsorger“ gerne hinter den Kulissen auf die Mächtigen ausüben, kann man dieses Gebaren nur ablehnen.
SG aus E am Permanenter Link
Laut Gesetzesbegründung → https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/221/1922179.pdf ergeben sich Ausnahmen von der Registrierungspflicht aus Grundrechten „ohne Gesetzesvorbehalt”.