"Bücher, die die Welt veränderten" präsentiert eine Jahrtausendreise durch die Naturwissenschaften; anhand 150 herausragender Werke veranschaulicht Brian Clegg die Entwicklung der Wissenschaft vom Altertum bis zur Neuzeit und bietet gleichzeitig eine umfassende Geschichte der naturwissenschaftlichen Literatur und ihrer Autoren.
Beginnend bei Aristoteles führt die literarische Reise über die bedeutendsten Namen und Werke der Wissenschaftsgeschichte bis zu Hawking, wobei es dem Autor gelingt, die jeweiligen Erkenntnisse – aber auch Irrtümer und Fehler – auf hohem Niveau, aber trotzdem auch für Laien gut verständlich, zu vermitteln. Eine Vielzahl von Abbildungen bibliophiler Raritäten und zahlreiche weitere Bilder zu den jeweils behandelten Themen erleichtern das Verstehen und erhöhen das Lesevergnügen.
Der 1955 in Rochdale, Lancashire geborene englische Naturwissenschaftler und "Master in Operational Research" Brian Clegg kann als Wissenschaftsjournalist und Buchautor auf ein bedeutendes Oeuvre verweisen, mehr als 30 populärwissenschaftliche Bücher sowie mehrere Biografien über bedeutende Persönlichkeiten wurden von einem breiten Publikum sehr positiv aufgenommen – Clegg gilt als einer der brillantesten Wissenschaftsautoren weltweit.
Das Buch gliedert sich nebst Einführung, die die Bedeutung der Schrift und des Schreibens anhand ihrer geschichtlichen Entwicklung würdigt, in fünf Hauptkapitel und schließt mit bibliografischen Hinweisen sowie – sehr hilfreich – einem ausführlichen Register und umfangreichen Bildnachweisen.
"Vom Altertum bis ins Mittelalter" nennt sich das erste Hauptkapitel. Es beschreibt mit "fundamentalen Legenden" unter anderem, wie sich aus Strichlisten Schriften entwickelten, welche Bedeutung Ton und Papyrus besaßen, wie sich das Universum Aristoteles' entwickelte, wie wichtig Euklids "Elemente" wurden, wie die Bücher Archimedes' die Welt aus den Angeln hoben und was die Werke von Ptolemäus, aber auch früher arabischer Wissenschaftler, bewirkten.
"Die Renaissance im Druck" widmet sich den von Büchern ausgehenden geistigen Revolutionen, exemplarisch an Leonardo da Vinci, dem "Meister der Erfindung", und Nikolaus Kopernikus, mit der "Revolution am Himmel", dargestellt. Selbstverständlich dürfen dabei unter anderem auch Johannes Kepler, William Gilbert, Galileo Galilei, René Descartes, Robert Hooke, Isaac Newton, Carl von Linné und Leonhard Euler nicht fehlen.
"Klassik in der Moderne" beschreibt die vom Autor sogenannte "Viktorianische Stabilität" (er ist schließlich Engländer). 1804 wird im Deutschen erstmals der Begriff "Wissenschaftler" geprägt, Berufs- beziehungsweise Vollzeitwissenschaftler beginnen verstärkt, sich im Gegensatz zu "Amateur-Naturphilosophen" zu etablieren. An herausragenden Namen mit bedeutenden Werken nennt Clegg unter anderem Henry Worthington, John Dalton, John Audubon, Charles Lyell, Alexander von Humboldt, Charles Darwin, Baden Powell, William Herschel, Michael Faraday, James Maxwell, Ernst Haeckel, Alfred Whitehead, Bertrand Russell und Alfred Wegener.
"Nachklassik" lässt die "Welt in neuem Licht" erscheinen. Das Wesen der Realität (Marie Curie, Albert Einstein, Arthur Eddington, Linus Pauling, Erwin Schrödinger, Konrad Lorenz) wird hinterfragt, wie auch philosophische Fragen zur Wissenschaft und Logik mit in den Vordergrund rücken (Karl Popper, Richard Feynman). Auch Fragen zum Menschen als "aufgestiegenes Tier" (Desmond Morris, Jacob Bronowski, James Watson, Gustav Eckstein, Richard Dawkins) und ökologische Fragestellungen gewinnen an Bedeutung; der Autor erwähnt dabei Rachel Carsons "Silent Spring", das 1962 als neue Art von Wissenschaftsbuch auch Polemik in die Botschaft einbezog und damit großen Erfolg erzielte.
"Die nächste Generation" behandelt "Verständnis im Wandel" unter anderem mit der Interpretation der Quantenphysik (David Bohm, John Grippin). Neben Wissenschaftsgeschichte werden dabei auch erzählstarke Bücher mit Wissenschaftsgeschichten und Wissenschaftslegenden vorgestellt (Oliver Sacks, Bill Bryson, Yuval Noah Harari, Peter Atkins) sowie die Bedeutung von Frauen als Wissenschaftsbuchautorinnen (Angela Saini, Sabine Hossenfelder) gewürdigt.
"Bücher, die die Welt veränderten" bietet umfassendes Wissen zu 150 ausgewählten Wissenschaftsbüchern und deren Autoren mit zusätzlichen Erläuterungen zur Wissenschaftsgeschichte und der Evolution wissenschaftlichen Schreibens. Die Ausführungen des Autors beschränken sich dabei nicht auf die Vorstellung der Bücher mit ihren Inhalten und historischen Bezügen, sondern beleuchten und bewerten auch übergeordnete Zusammenhänge sowie in den Büchern enthaltene Aussagen – dass dabei britische Autoren ein wenig im Vordergrund stehen, sei ihm nachgesehen. Das mit einer Vielzahl hochwertiger bibliophiler Bilder ausgestattete, sehr inhaltsreiche Lesebuch (besonders geeignet für lange Herbst- und Winterabende mit coronabedingten Ausgehsperren) bietet auch als Nachschlagewerk großen geistigen Gewinn und Genuss, wobei zu Letzterem wegen der kleinen Schrift manche Leserinnen und Leser eine starke Lesebrille benötigen werden.
Brian Clegg, Bücher, die die Welt veränderten, Die bedeutendsten Werke der Naturwissenschaften von Archimedes bis Stephen Hawking, Haupt Verlag, Bern 2020, ISBN 978-3-258-08199-1, 272 Seiten, 36 Euro
3 Kommentare
Kommentare
Gregor Kasulke am Permanenter Link
Vielen Dank für Rezension, ich werde mir das Buch kaufen. Auch als E-Book erhältlich?
Gregor Kasulke
Adam Sedgwick am Permanenter Link
Natürlich möchte ich zu dieser Auflistung der Heroen der Wissenschaft doch nur eine ergänzende Bemerkung machen, denn es findet sich immer die eine oder andere Lücke.
Man kann sagen, dass Jim Watson, Rosalind Franklin und Francis Crick durch die Entdeckung der DNA Doppelhelix die Molekularbiologie zu den riesigen Fortschritten nicht nur in der Biologie sondern auch für die Medizin verholfen haben. Nun mag man über Watson bezüglich seiner Äußerungen zur Humangenetik empört sein, aber dessen ungeachtet haben seine Bücher Molecular Biology of the Gene und später auch The Molecular Biology of the Cell Biologen-Generationen begeistert, maßgeblich im Denken beeinflusst und dadurch ebenso zu den Fortschritten der Molekularbiologie, sozusagen über die Lehre, einen nicht zu unterschätzenden Beitrag geleistet. Manchmal denke ich, wenn Bob Dylan einen Nobelpreis für Literatur bekommen hat, dann hätte Watson ihn mit demselben Recht für die beiden genannten Bücher ebenso verdient. Sein klarer, markanter Stil durch die Einführung gelungener aussagekräftiger Überschriften, Watsonesque Style, hat viele Autoren beeinflusst.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
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