Die Islamwissenschaftlerin Katajun Amirpur legt mit "Khomeini. Der Revolutionär des Islam" eine neue Lebensbeschreibung vor, welche viele Hintergrundinformationen über die Person hinaus mit klarer Struktur erhält. Auch wenn kritische Aspekte durchaus thematisiert werden, hätte man sich dazu noch eine klarere Einschätzung gewünscht, immerhin etablierte Khomeini das autoritäre System einer islamistischen Theokratie.
1979 kam es im Iran zu einer "islamischen Revolution", was wie ein politischer Schock nicht nur in der westlichen Welt wirkte. Indessen hatte eine von Doppelstandards geprägte Politik in der dortigen Region einen derartigen Umbruch erst mit möglich gemacht. Fortan beherrschte Ruhollah Khomeini das Land, etablierte er dort doch eine autoritäre Herrschaft der "Rechtsgelehrten". Wer war aber nun dieser Khomeini? Sein Bild mit langem Bart und dunklem Turban fand auch im Westen große Verbreitung. Es waren einige Details aus seiner Exilzeit bekannt, aber doch wenig über seinen sonstigen Lebensweg fern der Politik. Katajaun Amirpur, die als Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Köln lehrt, motivierte dies wohl dazu, eine Biographie "Khomeini. Der Revolutionär des Islam" vorzulegen. Sie betont gleich in der Einleitung, es habe sich um "eine überaus komplexe Figur" (S. 10) gehandelt. Denn einerseits interessierte er sich für Mystik und Poesie, andererseits schickte er Kinder im Krieg über die Minenfelder.
Die Biographie weist die klassische historisch-chronologische Struktur auf. Demnach beginnt sie im Geburtsjahr 1902 und endet im Todesjahr 1989, ergänzt um Kapitel zu besonderen Themen. Positiv fällt außerdem auf, dass die Autorin bestimmte Besonderheiten der iranischen Geschichte oder des schiitischen Islamverständnisses mit aufgenommen hat. So ist es einem Leser ohne diese Vorkenntnisse möglich, die jeweiligen Darstellungen besser in einen inhaltlichen Kontext einzuordnen. Derartige Ausführungen können von Experten einfach übersprungen werden, was die gute Struktur des Werks erlaubt. Besonders interessant an der Darstellung von Khomeini ist, wie hier Islam und Politik zusammenkamen. Angelegt waren diese Auffassungen bereits in früheren Broschüren, wobei sich die dortigen Aussagen hin zu einer "Rechtsgelehrtenherrschaft" noch verschärften. Interessant sind bei den Ausführungen immer wieder Details wie: "Grundsätzlich lässt sich die Autorität der Rechtsgelehrten gerade an den Finanzmitteln festmachen, die sie verwalten" (S. 49).
Nach den Ausführungen zu Sozialisation und Lehrtätigkeit geht es um die politischen Konzepte und den Konflikt mit dem Schah, die Jahre im Exil und das Konzept eines islamischen Staates bis hin zur "islamischen Revolution" und der Herrschaftsära von Khomeini. Amirpur betont dabei, dass eine Flexibilität erkennbar war, Khomeini demnach auf neue Rahmenbedingungen sehr wohl reagierte. Sie betont auch immer seine persönliche Bescheidenheit, lebte er doch nie im Prunk wie etwa der Schah. Khomeini habe es auch vermocht, Konkurrenten auszubooten und die Macht an sich zu reißen. Indessen sei dies nie um persönlicher und wirtschaftlicher Vorteile willen geschehen. Die politische Grundausrichtung blieb präsent und richtete sich gegen Demokratie und Säkularität in einem inhaltlichen Zusammenhang: "Die wesentlichsten Argumente, die Khomeini gegen eine Ordnung, in der sich alle Macht vom Volk ableitet, vorgebracht hatte, waren die Existenz des göttlichen Rechts und die Souveränität Gottes gewesen" (S. 209).
Entgegen der Aussage des Verlags, wonach es sich um die erste umfassende Khomeini-Biographie in deutscher Sprache handele, trifft diese Bekundung auf dem Klappentext nicht zu: Bereits 1987 hatte Bahman Nirumand "Mit Gott für die Macht. Eine politische Biographie des Ayatollah Chomeini" veröffentlicht. Hierbei handelte es sich um eine kritischere Arbeit als die von Amirpur, wenngleich sie die Khomeini eigenen vielen dunkleren Seiten nicht verschweigt. Indessen hätte man sich schon in der Gewichtung hierzu mehr Klarheit gewünscht. So widmet die Autorin seiner Einstellung zu Frauen, der Poesie und dem Westen eigene Kapitel, aber seine diktatorische Herrschaft wird nicht im Lichte von politischen Systemtypen gesondert thematisiert. Dennoch liegt eine gut strukturierte Biographie vor, die auch über viele Besonderheiten des schiitischen Islams informiert. Mitunter lässt die Autorin aber auch Eindrücke von anderen Personen im Raum stehen, ohne eine eigene Positionierung vorzunehmen. Immerhin geht der heutige Iran mit auf Khomeini zurück.
7 Kommentare
Kommentare
A.S. am Permanenter Link
Unser Problem im Westen ist, dass wir uns in die Tasche lügen wenn wir sagen: Demokratie und Religion seien vereinbar.
Das wird zwar so in den Schulen gelehrt, ist aber in meinen Augen Humbug.
Richtig ist:
Entweder gibt es Gott oder es gibt ihn nicht.
Wenn es Gott geben sollte stellt sich die Frage, was für ein Typ von Gott es ist.
Wenn es Gott nicht gibt, ist Religion ein Irrtum oder ein Schwindel.
Wenn es Gott geben sollte, wäre zu überprüfen, ob überhaupt eine der kursierenden Gottesvorstellungen stimmt. Es ist gut vorstellbar, dass es irgendwie höhere Wesen geben könnte, die Religionsführer trotzdem mit ihren Gottesvorstellungen daneben liegen.
Bei Gottheiten, die sich nicht regelmäßig öffentlich zeigen, ist m.E. eine Überprüfung der kursierenden/gepredigten Gottesvorstellungen auf Richtigkeit nicht möglich.
Ebensowenig lässt sich überprüfen, ob das, was uns religiöse Führer als "Gottes Wille" verkaufen, nicht in Wirklichkeit ihr eigener ist.
Wenn religiöse Führer zur Ausrottung Andersdenkender aufrufen, ist es höchst plausibel, hierin eigene, irdische, nicht göttliche Interessen zu sehen, sondern rein weltliche Machtgier religiöser Führer.
Sollte es tatsächlich einen Gott geben, der von Menschen ein bestimmtes Verhalten fordert, wäre Demokratie eine Fehlentwicklung.
Demokratie und Theokratie sind nicht vereinbar. Sie schließen einander aus.
Demokratie ist eine Gesellschaftsform, die fest mit der Agnostik verbunden ist.
Demokratie ist keine christliche Erfindung.
Das wird uns in den Schulen falsch gelehrt.
Roland Fakler am Permanenter Link
Ganz richtig! Die Gottesvorstellung der abrahamitischen Religionen orientiert sich an den absoluten Herrschern von Ägypten und Babylon, die über ein rechtloses und unmündiges Volk herrschten.
Roland Fakler am Permanenter Link
Was ist „göttliches Recht", wo Gott doch nur eine Fantasiegestalt der Menschen ist? Es ist die Willkürherrschaft der Geistlichen!
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Eine der „dunkleren“ Seiten: Khomeini ist ein pädokrimineller Widerling. In seinem Machwerk Tahrir Al-Wasilah schrieb er:
Ein Mann kann sexuelles Vergnügen von einem Kind haben, das so jung ist wie ein Baby. Jedoch sollte er nicht eindringen; das Kind für Sexspiele zu gebrauchen ist möglich! Wenn der Mann eindringt und es verletzt dann sollte er für sie sorgen ihr ganzes Leben lang. Dieses Mädchen jedoch gilt nicht als eine seiner vier dauerhaften Frauen.
Ich denke, anders als „Widerling“ kann man einen solchen Religionsführer nicht bezeichnen. Wem es noch nicht reicht, eine weitere Kostprobe:
Ein Tier, mit dem man Geschlechtsverkehr hatte, sollte geschlachtet und verbrannt werden, wenn es von der Sorte ist, welche man für gewöhnlich isst, so wie das Schaf, die Kuh oder das Kamel. Darüber hinaus muss jener, welcher Verkehr mit dem Tier hatte, den Wert des Tieres ersetzen, wenn er nicht selbst der Besitzer ist. Wenn das Tier von der Sorte war, die man zum Transportieren von Lasten oder zum Reiten benutzt und deren Fleisch man nicht begehrt, so wie der Esel, das Maultier oder das Pferd, dann soll es von dem Ort, an dem mit ihm verkehrt wurde, in eine andere Region gebracht werden und dort verkauft werden. Den Erlös erhält jener, der mit dem Tier Geschlechtsverkehr hatte, oder er muss den Wert ersetzen, wenn er nicht der Besitzer war.
Tyto Alba am Permanenter Link
Ilhan Arsel hat ein erschütterndes Buch über Frauen, Ehe und Sexualität im Islam geschrieben. "Frauen sind eure Äcker".
Assia Harwazinski am Permanenter Link
Danke für diese klaren Worte!
SG aus E am Permanenter Link
Als Ruhollah Musawi Chomeini auf dem Sterbebett lag, konnte er sicherlich zufrieden mit sich sein: Im amerikanisierten Sündenpfuhl hat er 'das göttliche Recht' (wie er es verstand) ziemlich flächendeckend du
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→ https://www.deutschlandfunk.de/saekularisierung-im-iran-islamische-republik-ohne.886.de.html?dram:article_id=493262
→ https://gamaan.org/wp-content/uploads/2020/09/GAMAAN-Iran-Religion-Survey-2020-English.pdf