"Don't look up"

Wir haben diesen Film verdient

Der Film "Don't look up" ist bemerkenswert. Da haben sich ein paar der größten Granden Hollywoods zusammengefunden, um der Menschheit den Spiegel vorzuhalten, indem sie das tun, worin sie am besten sind: Schauspielen. Herausgekommen ist ein neuer Ansatz, uns vor der heraufziehenden Klimakatastrophe zu warnen. Fakten vermögen es scheinbar nicht, die Menschen wachzurütteln. Vielleicht klappt es stattdessen mit dieser zynischen Weltuntergangssatire.

"Don't look up" ist mitunter schwer zu ertragen. Der Spielfilm des Oscar-prämierten Adam McKay (Drehbuch und Regie) ist schrill, überzeichnet, gaga. Das Problem ist nur, dass er genau dadurch den Ton unseres gesellschaftlichen Diskurses ziemlich gut trifft und leider nicht so übertrieben ist, wie wir es vielleicht gern hätten: Die Empörungshysterie in den Sozialen Medien, das Fokussieren auf Banalitäten, die Dekadenz, in der wir es uns bequem gemacht haben, die himmelschreiende und öffentlich im Netz präsentierte Dummheit mancher Zeitgenossen.

Die Geschichte geht so: Eine Astronomie-Doktorandin (Jennifer Lawrence) entdeckt im Teleskop einen riesigen Kometen. Sie und ihr Professor (er kann auch unsexy und neurotisch: Leonardo DiCaprio) berechnen, dass dieser in exakt sechseinhalb Monaten auf der Erde einschlagen wird. Und zwar mit solcher Gewalt, dass unser Heimatplanet dadurch zerstört werden wird. Die beiden Wissenschaftler, die es nicht gewohnt sind, in der Öffentlichkeit zu stehen, nehmen Kontakt mit den Behörden auf, erhalten einen Termin bei der US-Präsidentin, eine Art weiblicher Trump – gespielt von keiner anderen als Meryl Streep –, die sich erst für das Thema Weltuntergang zu interessieren beginnt, als die Zwischenwahlen sowieso schon aufgrund eines anderen pikanten Skandälchens verloren sind. Bei einem Auftritt in einer angesagten Talkshow (Cate Blanchett gibt die hedonistische Talk-Masterin) – gleich nachdem zwei dümmliche Stars sich vor laufender Kamera verlobt haben – platzt der Doktorandin der Kragen, aber alles, was die Internetgemeinde interessiert, ist aus ihrem Ausraster lustige Memes zu basteln und weniger die Tatsache der bevorstehenden Apokalypse.

Die Lösung scheint in greifbarer Nähe, als die Präsidentin in der Weltrettung eine beliebtheitsfördernde Maßnahme wittert. Doch dazwischen kommt die Gier: Ein Wahlkampfgroßspender und Telekommunikations- beziehungsweise KI-Mogul hat auf dem herannahenden Himmelskörper Rohstoffe entdeckt, die Billionen wert sein sollen. Er schlägt eine alternative und nicht erprobte Methode vor: Statt den Kometen in Gänze per Atombombe von der Erde weg zu lenken, will er ihn in kleinere Stücke sprengen, um die Einzelteile kontrolliert aufschlagen zu lassen und im Anschluss ausbeuten zu können. Doch das wird nichts, soviel sei verraten.

Meryl Streep als US-Präsidentin Janie Orlean
Meryl Streep als US-Präsidentin Janie Orlean (Foto: © Niko Tavernise / Netflix)

Der Film führt uns also vor Augen, wie es die Menschheit einfach nicht gebacken kriegt, eine Gefahr richtig einzuordnen und entsprechend zu handeln, weil sie so sehr mit anderen Dingen beschäftigt ist, das Wichtige nicht vom Unwichtigen unterscheiden kann, Geld und Wachstum und Partikularinteressen über alles stellt. Hinzu kommt die um sich greifende Faktenresistenz der Menschen: Ob das denn richtige Wissenschaftler festgestellt hätten? Ob man das nicht nochmal überprüfen soll und dann vielleicht etwas anderes, weniger Unbequemes herauskommt? Ob es den Kometen überhaupt gibt? Die Debatte gipfelt darin, dass sich zwei Bewegungen bilden: "Just look up" und "Don't look up" – die, die nach oben schauen, als man den Kometen als Beweis seiner Existenz schon sehen kann (begründet von den beiden Astronomen) und die, die es absichtlich nicht tun (Wortführerin ist hier die Präsidentin), da man der Bevölkerung ja nur Angst machen wolle. Ein Hollywood-Produzent wirbt für Toleranz zwischen den Positionen, man müsse aufhören, sich zu streiten.

Adam McKay beschäftigte die Frage, wie nah die Gefahr sein muss, damit wir in geeigneter Weise reagieren, nachdem er ein Buch über die Folgen des Klimawandels gelesen hatte. Das Drehbuch zu "Don't look up" entstand noch vor Ausbruch der Pandemie. Als sie kam, seien das die wahrscheinlich merkwürdigsten sechs Monate seines Lebens gewesen, ein echtes Desaster sich auf der Welt entfalten zu sehen und zu sehen, wie das Drehbuch Stück für Stück wahr wurde. Er habe sogar noch einmal nachgebessert, weil das Skript angesichts der realen Entwicklungen nicht mehr verrückt genug war, so der Filmemacher. Im Zuge der Dreharbeiten sei das Ganze immer mehr von einer Satire zu einem Dokumentarfilm geworden, erzählte auch Cate Blanchett bei einem Auftritt in "The Tonight Show".

"Don't look up fängt den Wahnsinn ein, den ich jeden Tag sehe"

Wissenschaftlern scheint der Film aus der Seele zu sprechen. Sei es in der Corona-Krise oder beim Thema Klimawandel – sie warnen und warnen und zu hören bekommen sie: "Naja, wird schon nicht so schlimm werden" oder: "Nein, das können wir nicht machen" – sofern ihre Erkenntnisse überhaupt als Tatsachen akzeptiert werden und nicht von besserwissenden Hobby-Wissenschaftlern und Fake News-Verbreitern zerredet werden. Die Meeresbiologin Ayana Elizabeth Johnson twitterte: "Ich habe mich noch nie so gesehen gefühlt (…)." Der Klimawissenschaftler Peter Kalmus schrieb einen Artikel für den Guardian mit der Überschrift "Ich bin ein Klimaforscher. Don't look up fängt den Wahnsinn ein, den ich jeden Tag sehe." Darin bezeichnet er den Film als den treffendsten über das erschreckende Nicht-Reagieren der Gesellschaft auf den Klimakollaps, den er bisher gesehen habe. Im Boston Globe nannte der Atmosphärenforscher Michael E. Mann den Film einen "ernsten soziopolitischen Kommentar, der sich als Komödie ausgibt". Er sprach sich dafür aus, dass Humor und Satire dabei helfen könnten, einen anderen Weg zu finden, um durchzudringen. Die beiden letztgenannten Wissenschaftler unterstützen auch eine Plattform, welche die Filmemacher gemeinsam mit der Bewegung Count Us In ins Leben gerufen haben. Auf der Website werden Schritte vorgeschlagen, die jeder einzelne im Kampf gegen den Klimawandel unternehmen kann.

Die Klimaaktivistin und Fridays for Future-Organisatorin Xiye Bastida wies auf Twitter darauf hin, dass Leonardo DiCaprio nicht zur Klimakonferenz gefahren sei, um dort eine Rede zu halten, das habe er in seinem großen Schreianfall im Film getan. "Das ist ein Beispiel, wie wir alle unser Medium nutzen müssen, um unsere Stimme zu erheben." DiCaprio ist UN-Friedensbotschafter und engagiert sich schon seit Ende der 90er Jahre für den Klima- und Umweltschutz, als er seine eigene Stiftung gründete. Er war Produzent von und Protagonist in mehreren Dokumentationen zu Umweltthemen, investiert in umweltfreundliche Technologien und spendet an Umweltschutzorganisationen. Er nutzt schon seit langem seine Popularität, um die Umweltzerstörung anzuprangern.

In einem Facebook-Post zitierte der Schauspieler den Regisseur und die schon erwähnte Wissenschaftlerin Johnson mit den Worten "Beim Klimawandel sitzen wir alle gerade am Drehbuch und entscheiden, wie sich die Geschichte entwickelt und wie sie endet." Er habe in seiner Karriere oft nach einem Film mit einem Umwelt-Unterton gesucht, sagte der Hollywood-Star außerdem in einem Video zum Film und erklärte: "Wenn wir keine Anführer wählen oder nicht alles unterstützen, das mit einer Eindämmung der Klimafolgen zu tun hat, werden wir ein ganz ähnliches Schicksal haben wie diese Charaktere."

Dass ein dermaßen hochkarätiges Star-Ensemble (der Spiegel zitierte einen Tweet: "(...) 6 Oscars und 35 Nominierungen in einer einzigen Kameraeinstellung (...)") niedrigschwellig und unterhaltsam einem breiten Streamingpublikum das Problemfeld zwischen Wissenschaftskommunikation und Populismus nahebringt, ist innovativ und verdienstvoll. Aufgeladen mit Emotion lassen sich Dinge besser vermitteln und bleiben leichter im Gedächtnis. Und es kam an: Schon nach einer Woche gehörte der Film zu den erfolgreichsten des Streamingportals. Jetzt muss nur noch etwas davon hängen bleiben.

"Don't look up" (2021), 138 Minuten, FSK 12. Verfügbar bei Netflix.


Hinweis der Redaktion: Der fünfte Absatz wurde am 04.02.2022 um 14:15 Uhr ergänzt.

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