Am vergangenen Donnerstag erschoss der 35-Jährige Philipp F. während einer Versammlung der Zeugen Jehovas sieben Menschen und anschließend sich selbst. Im Dezember hatte Philipp F. ein Buch über "Gott, Jesus Christus und Satan" veröffentlicht.
Über die konkreten Motive für die Amoktat von Philipp F. ist offiziell noch nichts bekannt. Der 35-Jährige Philipp F., laut seiner Homepage Bankkaufmann, Absolvent eines Wirtschaftsstudiums und aufgewachsen in einem strengen evangelikalen Haushalt in Kempten (Allgäu), war selbst bis vor anderthalb Jahren Mitglied der Zeugen Jehovas und besuchte die Gemeinde in Hamburg-Alsterdorf, in der er seine Bluttat beging. Philipp F. hat die Gemeinschaft laut dem Hamburger Innensenator Andy Grote vor anderthalb Jahren "freiwillig, aber nicht im Guten" verlassen.
Seit Dezember 2022 war Sportschütze Philipp F. im legalen Besitz einer halbautomatischen Pistole, bei der es sich um die Tatwaffe des Amoklaufs handelt. Auf einer Pressekonferenz am vergangenen Freitag berichtete der Hamburger Polizeipräsident Ralf Martin Meyer, dass die zuständige Waffenbehörde im Januar einen anonymen Hinweis erhalten habe, dass Philipp F. psychische Auffälligkeiten zeige, die ihn möglicherweise für einen Waffenbesitz disqualifizieren. Laut dem anonymen Hinweis habe F. besondere Wut auf die Zeugen Jehovas und seinen ehemaligen Arbeitgeber geäußert. Eine aufgrund des anonymen Hinweises durchgeführte unangekündigte Kontrolle bei Philipp F. im Februar habe jedoch gezeigt, dass Waffe und Munition ordnungsgemäß in einem Tresor verwahrt gewesen seien – abgesehen von einer einzigen Patrone außerhalb des Tresors, wegen der man eine mündliche Verwarnung ausgesprochen habe. Auch habe Philipp F. bei der Kontrolle unauffällig gewirkt und sei kooperativ gewesen.
Dass F.s Hass auf die Zeugen Jehovas mit einer grundsätzlichen Abkehr vom christlichen Glauben zu tun hatte, kann ausgeschlossen werden. Vielmehr scheint er sich eine eigene fundamentalistische Interpretation des Christentums zurechtgelegt zu haben. Im selben Monat, in dem Philipp F. die Waffe erwarb, mit der er seine Amoktat beging, also im Dezember 2022, veröffentlichte er in englischer Sprache ein Buch im Selbstverlag mit dem Titel "The Truth About God, Jesus Christ and Satan: A New Reflected View of Epochal Dimensions" ("Die Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan: Eine neue, reflektierte Sichtweise von epochalen Dimensionen"). Bereits die Inhaltsangabe des Buchs verrät ein krudes religiöses Weltbild und zeugt von maßloser Selbstüberschätzung:
"Nie zuvor wurde der Versuch unternommen, die Wechselwirkung zwischen Himmel und Erde zu verdeutlichen und die Einflüsse der Geistpersonen [Gott, Jesus Christus, Satan] auf die Menschheit, die Gesellschaft und den Einzelnen sichtbar zu machen.
Entgegen der landläufigen Meinung sind Gott, Jesus Christus und Satan keine abstrakten Wesen im Himmel. Nein, vielmehr haben wir es mit sehr mächtigen geistigen Wesen zu tun, die genau wie wir Menschen Gefühle haben und deshalb auch teilweise impulsiv aus Gefühlen heraus handeln.
Die Zeichen der Zeit und die aktuelle Weltlage deuten auf ein gewisses Ungleichgewicht hin, nicht nur in unserer Gesellschaft.
Dem Autor Philipp F. (Name verkürzt – die hpd-Red.) ist es gelungen, einen Spannungsbogen aufzubauen, der die Menschheitsgeschichte von den Anfängen bis in die Gegenwart beleuchtet, die relevanten Ereignisse analytisch, wenn nicht sogar forensisch untersucht und dabei die drei jeweils vorherrschenden Theologien in der Bibel aufgreift, sie in verständlicher Struktur sowie Sprache mit Bildmaterial ansprechend darstellt und konkrete Handlungsabläufe ableitet.
Darüber hinaus wird das Geheimnis des 1.000-jährigen Reiches Christi gelüftet und ein fundierter, auf Fakten beruhender Ausblick gegeben. Neben vielen neuen Erkenntnissen kann der Leser auch eine neue Relativitätstheorie über den Menschen prüfen.
Dieses Buch ist ein Standardwerk, wenn es um Theologie und Recht geht. Darüber hinaus ist dieses Buch ideal für alle Wissenschaften rund um den Menschen, Public Relations, Politik, Wirtschaft und Ethik.
Dieses Buch ist eine Pflichtlektüre für alle, die eine Funktion oder Führungsposition in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Unterhaltung innehaben, und auch für alle religiösen Personen."
Prophetische Träume und eine persönliche dreijährige Höllenreise hätten dazu geführt, dass er ein besonderes Verständnis für die "Heilige Schrift" entwickelt habe, so F. in seinem Buch. Laut F.s besonderem Verständnis des christlichen Glaubens sind unter anderem Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg göttliche Strafen, der Holocaust der Wille Gottes und Hitler und Putin Werkzeuge Gottes.
14 Kommentare
Kommentare
Dr. Daniel Schoch am Permanenter Link
Hitler und Putin sind Werkzeuge Gottes? Was bleibt denn dann noch für den Satan zu tun?
wolfgang am Permanenter Link
Solange es Religionen gibt, wird es auch wirre Spinner geben. Denn Dummheit lässt sich nicht eindämmen, damit muss man leben.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Mir tun nur die Opfer dieses Geisteskranken Menschen leid, besonders das noch nicht geborene Kind.
Zeigen uns derartige Vorfälle nicht eindeutig, was Religionen mit den Menschen macht
und dass die Menschheit mit Religionen NIE Friede finden wird, sonderlich ständig sich selbst bekämpft.
Auch die meisten Kriege werden von Religionen befeuert, anstatt dass man eine vernünftige Geburtenregelung etabliert um die Erde nicht übermäßig mit Menschen belastet.
Aber Intelligenz war noch nie ein weiterverbreitetes Merkmal der Menschheit.
Angelika Wedekind am Permanenter Link
Ja mei, so sans halt, die Gläubigen...
A.S. am Permanenter Link
In deutschen Schulen wird dazu erzogen, abstruse Geschichten für "wahr" zu halten. Damit werden unsere Kinder auf einen gefährlichen Irrweg geschickt.
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
Millionen von Menschen sind in den letzten Jahrhunderten wegen diesen induzierten kollektiven Wahn (abrahamitische Religion) umgekommen.
Ein Alleingott (JHWH, Gott, Allah ...) ist selbstverständlich nichts anderes als eine Personifikation der Lichtenergie, statt Sonne, Himmel oder Mond wurde einfach das immaterielle (Geist), das nicht fassbare als Person gedacht. Alles was der Machthaber bzw. Theologe wollte, dass wollte diese ausgedachte Figur.
Diese kriminelle Vereingiungen (Sozialkonstrukt der abrahm. Religionen) gehören verboten, aufgearbeitet und selbstverständlich muss das Vermögen an die Nachfahren der Opfer zurückgegeben werden.
Wie viele Menschen sollen noch wegen diesem induzierten kollektiven Wahn sterben? Es ist immer wieder beeindruckend, wie man Menschen zu Mitläufern und Ja-Sagern programmieren kann - wie man gesellschaftliche Tabus erschafft - sehr beeindruckend ....
Retro am Permanenter Link
Da gebe ich ihnen recht, habe meine Frau an so eine komische Lehre verloren.
Den Beweis bleibt man natürlich schuldig, weil es ist noch keiner zurück gekommen der das bestätigen könnte. Man muss es halt glauben.
"Wer glaubt etwas zu wissen, der glaubt nur, das er etwas weis."
Fazit: Religionen sind ein gemeiner Betrug an der Menschheit.
Klaus Weidenbach am Permanenter Link
Es ist schon bemerkenswert, wie sehr die Märchenerzählungen "heiliger Bücher" von Göttern, ihren Söhnen oder ihren Gegenspielern (Satan)die Wahrnehmung trüben können.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ Klaus W. und warum gibt es keinen Plan für Ethikunterricht, weil das Machtbündnis
F.Farkas am Permanenter Link
Absolut richtig diese Art der Indoktrination ist kriminell warum wird das von der Öffentlichkeit negiert?
Inseljunge am Permanenter Link
"... Chance die Wahrheit zu lernen"
Noch besser: Chance, zu lernen, die Wahrheit selbst herauszufinden.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Aufgewachsen bei Evangelikalen im Süden und dann gewechselt zu den Zeugen im Norden? Wahrlich eine explosive Mischung ...
Verzweifelte Ironie beiseite. Es scheint wirklich auf der Hand zu liegen, dass hier ein Leben durch geistig-moralische Strangulierung völlig verkorkst wurde.
Rolf Reitis am Permanenter Link
Leserbrief zum Artikel „Armageddon“ in der Zeitung „Die Zeit“ vom 16.3.2023
Bezug: Attentat auf die Zeugen Jehovas in Hamburg
Zur möglichen Motivation des Täters: Die Familie des Philipp F. war „wohl ursprünglich streng katholisch“, so im Artikel. Er war daher mit den dortigen Dogmen Fegefeuer, Apokalypse, Jüngstes Gericht (Armageddon) und der persönlichen Option einer ewigen Folter in einer Hölle im Falle einer Nichtvergebung geschädigt. F. ging nicht den Weg der Abschaffung seines Glaubens, nicht also den Weg in den Atheismus. Er unternahm das Gegenteil: Hin zum Glauben. Es ist der Weg der meisten Schizophrenen: Sie lehnen sich als Jugendliche zuerst gegen ihren fundamentalistischen Glauben auf, scheitern aber damit und suchen nun ihr Heil in einer extremen Frömmigkeit.
Der Glaube der Zeugen Jehovas versichert seinen Angehörigen durch ihre exklusive Mitgliedschaft eine klare „Rettung“, wie es dort heißt, vor dem so gefürchteten Zorn Gottes. Gott werde beim Gericht die Mitglieder verschonen. Die Gottangst lässt in der Gemeinschaft, potenziert durch deren Strenge, erheblich nach. Offiziell glaubt man dort nicht an die ewige Hölle, dies Dogma sei unbiblisch. Aber da wird im Einzelfall vieles verdrängt. Nicht alle Menschen würden „erlöst“, so in einer Web-Seite der Zeugen (s.u.). Jesus habe gesagt: „Die Tür ist eng. Setzt alles dran, hineinzukommen! Viele werden es versuchen, aber es wird ihnen nicht gelingen“. Hier geht es um die Chance, in das „Reich Gottes zu kommen“, ins Paradies – Mk 10,23–27 EU.
Erfährt nun ein Mitglied eine wodurch auch immer bedingte Abneigung durch die Gemeinschaft der Zeugen, die seine Zugehörigkeit beendet oder die es veranlasst, auszutreten, sieht es sich mit seinen massiven Kindheitsängsten erneut konfrontiert. Es können Hass- und Rachegefühle entstehen: Der Abgespaltene mag sich im Voraus für die Strafen im Jenseits, die er nun mit Sicherheit auf sich zukommen sieht, rächen. Es treten, wie auch bei F., Schizophrenie-Symptome auf. F. schreibt eine Art Bibel, um sich doch noch als Geretteten sehen zu können. Der Casus Breivic ist ein analoger Fall. Er sah sich, irregeleitet, offiziell als Kreuzritter im Auftrag Gottes unterwegs.
Über diese glaubensbedingte Schizophrenie steht viel im „Fallbuch Spiritualität in Psychotherapie und Psychiatrie“. Mit diesem Buch, so der Herausgeber Prof. Utsch, betrete die DGPPN „fachliches Neuland“. Es wird der schwere Kunstfehler eingestanden, dass religiöse Themen in der Psychotherapie „viele Jahrzehnte übergangen wurden“, so Utsch. Eigene religiöse Ängste liegen bei Psychiatern vor, bedeutet uns Chefarzt Dr. Manfred Lütz. Sie sind es, die eine erfolgreiche ärztliche Therapie religionskranker Patienten bisher blockierten – und noch blockieren.
Das Fallbuch ist dann auch voll von Kasuistiken Betroffener, die ihre religiösen Ängste auch explizit vor der „Hölle“ offen ansprechen. Diese Patienten sind in einem Sacco-Syndrom (Religious Trauma Syndrome) durch ihre fundamentalistische Religion erkrankt. 17 der 20 aufgeführten Fälle beinhalten als die eigentliche Ursache ihrer Krankheit Gott- bzw. Strafängste. In gleich sechs Krankengeschichten (4 / 5 / 9 / 11 / 13 / 15) treten Schizophrenie-Symptome aufgrund massiver Ängste vor jenseitigen Strafen auf. Hier ist C. G. Jung bestätigt: Die Schizophrenie ist keine eigenständige Erkrankung. Sie ist das bei schweren Ängsten auftretende Symptom einer Dissoziation, einer Flucht in einen Wahn, in eine Spaltung des Bewusstseins. Die Halluzination entspricht einem Traum im Wachzustand – hervorgerufen durch dauerhaften massiven Stress. Daneben läuft noch u.a. die Genhypothese.
Gottangst bzw. überhaupt Angst führt die Betroffenen in Abhängigkeit ihrer Persönlichkeitsstruktur in ganz unterschiedliche Symptome: ADS, ADHS, Autismus, Süchte, Depressionen, Neurosen, Zwänge, Psychosen, Perversionen etc. Alles Unheil der menschlichen Psyche entstammt der Angst des Menschen, so Eugen Drewermann. Nach dem Priester Eugen Biser ist die Höllenangst die größte Angst des Menschen. Er widerlegte damit Sigmund Freud, der hier die fälschlich die relativ harmlose Katrationsangst und entsprechend den so unverständlichen Penisneid anführte.
https://www.jw.org/de/bibliothek/zeitschriften/wp20081101/Glauben-Jehovas-Zeugen-dass-sie-die-Einzigen-sind-die-gerettet-werden/
Sabina am Permanenter Link
Philipp F. ist in Kempten in einer Familie von Zeugen Jehovas aufgewachsen. Sein Vater war ein Ältester.