Kommentar

Putsch in der GWUP – ein fataler Richtungswechsel steht bevor

Die Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) ist bekannt für sachliche Analyse gewagter Behauptungen. Am vergangenen Samstag hingegen erlebten die Mitglieder eine Inszenierung, nach deren Ende sich die Frage nach der Zukunft der Skeptikerorganisation stellt. Was auf der Ebene der Phrasen nach "Inklusion" und "Diversität" klingt, erweist sich bei genauerem Hinsehen als Orientierung nach rechts und Abkehr vom kritischen Anspruch.

Im April hatte Amardeo Sarma, nachdem er 36 Jahre lang die Geschicke der GWUP in verschiedenen Funktionen mitbestimmt hatte, angekündigt, nicht mehr für das Amt des Vorsitzenden zu kandidieren. Dass sich Holm Hümmler in einer Kampfabstimmung knapp gegen Rouven Schäfer durchgesetzt hat, dürfte für die meisten Mitglieder jedoch überraschend kommen. Denn die Gegenkandidatur war nicht offen angekündigt worden, obwohl der Putsch gegen den von Amardeo Sarma vorgeschlagenen Vorstand ganz offensichtlich von langer Hand und minutiös vorbereitet worden ist.

Fragwürdige Diskussionskultur

Dass es auf der Mitgliederversammlung zu Konflikten kommen könnte, hatte sich in den Wochen zuvor abgezeichnet. Die Kritik vieler Mitglieder entzündete sich an dem von Nikil Mukerji, dem Vorsitzenden des GWUP-Wissenschaftsrates, maßgeblich mitverantworteten YouTube-Format The Boys of Reason. Die sehr pointierten Aussagen erschienen vielen nicht ausreichend fundiert, und Befürchtungen wurden laut, dass das Image der GWUP als Wissenschaftsvereinigung Schaden nehmen könnte. Mukerji wurde dafür scharf angegangen. Zeitgleich jedoch fanden im Web auch zahlreiche Angriffe auf langjährig aktive GWUP-Mitglieder statt, die im Tonfall weit von dem abwichen, was in der GWUP im Umgang miteinander sonst üblich ist: Die Betroffenen wurden unter anderem mit Menschenverachtung, Antisemitismus und Rassismus in Verbindung gebracht, ohne dass nachvollziehbare Begründungen geliefert wurden.

Auf der Mitgliederversammlung fand dieser Diskussionsstil, unbelegte Unterstellungen in den Raum zu stellen, seine Fortsetzung. Im Tagesordnungspunkt 8, "Debatte zur Kritik an interner und externer Kommunikation", wurde in Redebeiträgen das Bild gezeichnet, die GWUP werde als "transfeindlich" und Diversität ablehnend wahrgenommen – wieder ohne klar zu benennen, um welche Äußerungen es geht. Im Nachhinein kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Debatte Teil der Inszenierung war und dazu dienen sollte, die anwesenden Mitglieder zu verunsichern und gegen den noch amtierenden Vorstand, vor allem aber Amardeo Sarma, einzunehmen.

Critical Studies und Kritik

Der inhaltliche Hintergrund der Demontage Sarmas, aber auch der Attacken auf Mukerji ist ein grundlegenderer Konflikt: das Verhältnis der GWUP zu den sog. Critical Studies und dem "woken" Aktivismus. "Woke" ist ein unscharfer Sammelbegriff für politische Konzepte, durch die rechtes, teilweise auch extrem rechtes Gedankengut in ursprünglich linke Zusammenhänge gelangt ist. Kritische Gesellschaftsanalyse verschwand dabei zunehmend hinter in apodiktischem Tonfall vorgetragenden moralischen Verurteilungen, die Kritik der Zustände wich der öffentlichen Beschämung von Menschen, denen (tatsächliches oder konstruiertes) Fehlverhalten vorgehalten wurde. Die Vorstellung, sich solidarisch für gemeinsame Interessen einzusetzen, ging im Wettbewerb der Identitäten unter.

Diese Entwicklung ist nach meiner Einschätzung als Reaktion auf die Verunsicherung bürgerlicher Bevölkerungskreise durch immer komplexer werdende Lebensverhältnisse zu verstehen: Ähnlich wie im Fall der "Querdenker" suchen Menschen aus der Mittelschicht nach klarer Orientierung, werfen den Universalismus – dass alle Menschen gleich sind und gleich behandelt werden müssen – über Bord und retten sich in ein autoritär begründetes Wertesystem. Wo eine sozialrevolutionäre Bewegung auf möglichst breiter Basis für ein anderes Morgen kämpfen müsste, fordern die Vertreter diverser Identitäten die Teilhabe am falschen Heute. Und ändern: nichts.

Vor allem das "woke" Kritikverständnis unterscheidet sich grundlegend von dem, was in der Linken bislang als Kritik galt: Die möglichst genau Beschreibung der herrschenden Zustände (mit der Zielsetzung, diese auf Grundlage der Erkenntnisse verändern zu können) wird ersetzt durch moralisch und emotional aufgeladene Bewertungen, die häufig mit Ad-hominem-Vorwürfen verknüpft werden. Dazu passt die Vorstellung, dass gesellschaftliche Veränderungen nicht vorrangig durch soziale Kämpfe erreicht werden, und stattdessen der Verwendung bzw. Vermeidung einzelner Wörter eine übertrieben hohe Bedeutung beigemessen wird.

Der Anspruch, auf diese Weise besonders wirksam für die Rechte von "Minderheiten" eintreten zu können, mündet oft in ein überhebliches Selbstbild. Wer dem eigenen theoretischen Ansatz nicht folgen mag, wird schnell mit dem Vorwurf bedacht, nicht einfach zu anderen Analyseergebnissen zu kommen, sondern den betreffenden Minderheiten feindlich gegenüber eingestellt zu sein. Das führt dann zu den bekannten Situationen, in denen etwa privilegierte Akademiker:innen migrantische Säkularist:innen als "rassistisch" beschimpfen, weil diese aufgrund der Erfahrung in ihren Herkunftsländern den Einfluss von Religion auf die Politik generell kritisch sehen und sich nicht aus dem Elfenbeinturm heraus belehren lassen möchten.

Die "alte GWUP" der Zukunft

Welche Schwächen die Critical Studies aus der Perspektive von Wissenschaftstheorie und Methodologie aufweisen, hat Martin Mahner im Vorfeld der GWUP-Mitgliederversammlung dargestellt. Wer sich Arbeiten im eigenen Interessengebiet ansieht, stellt oft gravierende Mängel fest, die darauf hindeuten, dass die angeführten Belege einseitig die vorgefasste These stützen sollen und widersprechende Befunde ausgeblendet werden. Sich selbst ein Bild zu machen, ist allerdings häufig mit einer größeren "Investition" verbunden, da viele Texte in einer auffällig exkludierenden Sprache verfasst sind (polemisch formuliert: es wird – sehr deutsch – geheideggert, was das Zeug hält). Insofern könnten die Critical Studies Gegenstand der Arbeit der GWUP sein. Doch genau das ist offenbar, wie aus einigen Redebeiträgen unmissverständlich hervorging, von einer Reihe von Mitgliedern nicht gewünscht.

Es stellt sich also die Frage, was Hümmler meinte, als er in seiner Vorstellungsrede rief, er sei der Kandidat derjenigen, die "die alte GWUP" zurückhaben wollten. Und warum betonte er, dass er "nicht links" sei? Wie ist zu verstehen, wenn Hümmler anmerkt, es sei "der Eindruck entstanden" (bei wem und warum verriet er nicht), die GWUP sei eine "anti-woke, transfeindliche und antifeministische Organisation"? Wird die Kritik an rechten "woken" Vorstellungen von der GWUP der Zukunft gleichgesetzt mit der Hetze gegen Transmenschen?

Einen Vorgeschmack bot möglicherweise der Vortrag der alten und neuen stellvertretenden Vorsitzenden Claudia Preis zum Thema "Kulturelle Aneignung" (am Freitagnachmittag): kein kritisches Wort zum, diesem Konzept zugrundeliegenden, identitären Kulturverständnis, und erst ganz am Ende der Diskussion zum Vortrag ein knapper Hinweis zu den damit verbundenen ökonomischen Interessen.

Follow the Money

Die ökonomischen Interessen, die hinter dem Putsch in der GWUP stehen, treten hingegen offener zutage: die Ressourcen – immerhin hat der gemeinnützige Verein einen sechsstelligen Jahresetat – sollen neu verteilt werden. Ich wage die Vorhersage (Michael Kunkel, aufgepasst ;-) ), dass der Arbeitsvertrag mit Nikil Mukerji, noch bevor dieses Jahr der letzte Spargel gestochen ist, aufgelöst bzw. die Kündigung ausgesprochen sein wird. Mukerji sollte Martin Mahner im Wissenschaftlichen Zentrum nachfolgen, da dieser im nächsten Frühjahr in Rente gehen wird. Es wird eine spannende Frage sein, inwiefern der neue Vorstand mit der Neubesetzung dieser Stelle auch die Ausrichtung der GWUP verändern wird.

Diversität fürs Phrasenschwein

Von denen, die einen "Neuanfang" einforderten, wurde ein Argument besonders häufig angeführt: die GWUP müsse "diverser" werden. Es wurde sogar – wieder ohne jeglichen Beleg – in den Raum gestellt, dass die Verschiebung der Wahl neuer Mitglieder zum Wissenschaftsrat der GWUP erfolgt sei, weil es Widerstände gegen mehr Diversität gegeben habe. Wer nun den alten mit dem neuen Vorstand vergleicht, stellt fest, dass dem alten Vorstand (ohne den Vertreter des Wissenschaftsrates) vier Frauen und vier Männer (von letzteren ein "PoC") angehört haben. Dem neuen Vorstand gehört kein:e "PoC" mehr an und der Frauenanteil ist – gesunken.

Es ging halt doch um Machtpolitik und Zugang zu Ressourcen, die "Diversität" war nicht mehr als eine Phrase. Bezeichnend auch, dass im einzigen Redebeitrag eines "PoC"-GWUP-Mitglieds während der Mitgliederversammlung den Putschist:innen nicht begeistert für ihren Einsatz für mehr Diversität gedankt wurde. Im Gegenteil, es wurden deutliche Vorwürfe an den neuen Vorsitzenden adressiert.

Zum Schluss ein persönliches Wort: Ich war erstmals 1994 auf einer GWUP-Konferenz, in Paderborn. Seitdem kenne ich Amardeo Sarma, habe oft mit ihm gesprochen oder telefoniert. Ich denke, dass ich insofern zumindest ein bisschen einschätzen kann, wie sehr sich Amardeo in dieser Zeit für die GWUP eingesetzt hat. Wenn die salbungsvollen Reden über "Diversität" etwas anderes gewesen wären als Gequatsche, hätte zumindest eines der Mitglieder, die sich vorher wortreich dafür stark gemacht haben, "PoC" im Kontext der GWUP sichtbarer zu machen, vorschlagen müssen, Amardeo die Ehrenmitgliedschaft anzutragen. Dies ist, zumindest im Saal, nicht passiert. Mehr braucht niemand über die Glaubwürdigkeit des neuen Vorstands und seiner Unterstützer:innen zu wissen.

Der Text ist ein Vorabdruck eines dann ausführlicheren Artikels, der im Rahmen des Schwerpunktes "Wissenschaftsfeindlichkeit" in der nächsten MIZ erscheinen und näher auf die eingesetzten Manipulationstechniken eingehen wird.

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