Morgen verhandelt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über die Herausgabe des Mittels Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung. Begleitet wird die Gerichtsverhandlung von einer Kundgebung des Arbeitskreises Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg.
2017 hatten die Kläger beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte Anträge auf Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb des Betäubungsmittels Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung nach dem Betäubungsmittelgesetz gestellt. Nach der Ablehnung 2018 zogen die Kläger vor Gericht. Doch ihre Klagen, zunächst vor dem Verwaltungsgericht Köln (Urteile vom 24. November 2020) und anschließend vor dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster (Urteile vom 2. Februar 2022), blieben ohne Erfolg. Wegen grundsätzlicher Bedeutung ließ das Oberverwaltungsgericht die Verfahren jedoch zur Revision zu, so dass die Kläger ihr Begehren vor dem Bundesverwaltungsgericht weiterverfolgen konnten, das am morgigen Donnerstag in der Sache verhandelt.
Einer der Kläger ist Harald Mayer. Der ehemalige Feuerwehrmann ist an Multipler Sklerose (MS) erkrankt, seit Jahren vom Hals abwärts gelähmt und benötigt eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung bei allen Dingen des Lebens. Diese ständige Abhängigkeit empfindet Mayer als schwer zu ertragen. "In all den Jahren dieser Tortur hat sich bei mir der Gedanke manifestiert, dass ich einen Notausgang brauche, wenn ich die Schmerzen und das Leid, welches die Krankheit mit sich bringt, nicht mehr aushalten will. Deshalb möchte ich das Medikament Natrium-Pentobarbital erhalten, um meinem Leben zu meinen Bedingungen ein würdevolles Ende bereiten zu können, und zwar bevor mich die Krankheit bei vollem Bewusstsein zu Tode foltert. Das ist die Hoffnung, die ich habe, dass ich das nicht bis zum bitteren Ende durchziehen muss. Ich möchte selbstbestimmt, ohne Leiden und in Würde aus dem Leben treten", schreibt Mayer auf seiner Webseite sterbe-human.de.
Um die Kläger zu unterstützen und auf Dringlichkeit einer Freigabe von Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung bei Suizidwilligen hinzuweisen, veranstaltet der Arbeitskreis Selbstbestimmtes Sterben Oldenburg am Donnerstag um 9:00 Uhr auf dem Simsonplatz vor dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig eine Kundgebung. Im Anschluss findet um 10:00 Uhr die Gerichtsverhandlung der Kläger vor dem Bundesverwaltungsgericht statt. "Unser Ziel ist es, das Thema Suizidhilfe in die Öffentlichkeit zu transportieren und die Menschen aufzuklären. Viele wissen gar nicht, dass Sterbehilfe in Deutschland möglich ist und praktiziert wird. Wir sprechen uns gegen eine Neuauflage des Paragrafen 217 StGB aus und fordern die Freigabe des Medikaments Natrium-Pentobarbital", fasst Sprecherin Angelika Salzburg-Reige die Intention des unter anderem vom Humanistischen Verband (HVD) Niedersachsen unterstützten Arbeitskreises zusammen.
6 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hoffentlich tut sich da endlich was, auch mich wird das Urteil eines Tages betreffen, als
Jahrgang 1946 und den verschiedensten Krankheitsbildern, welche mir schon Probleme bereiten.
Martin Felmy Dr. am Permanenter Link
Auch ich hoffe, dass das Mittel in Deutschland endlich erhältlich ist.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ Martin Felmy: Es geht dabei nicht um das sadistische Vergnügen die Menschen leiden zu sehen, sonder die Einrichtungen der Kirchen machen mit diesen Menschen ein gutes Geschäft
der alten und gebrechlichen Menschen in diesen Sterbeheimen, fürstlich bezahlen lassen von unser aller Steuergeldern.
Martin Felmy am Permanenter Link
Am geschäftlichen Interesse habe ich keinen Zweifel. Ich stimme vollkommen zu.
Der von mir behauptete Sadismus könnte dennoch eine Rolle spielen. Für "Selbstmörder" sieht der kirchliche Strafenkatalog u.a. Höllenfeuer vor. Die Geschichte lehrt aber, dass Strafen im "Jenseits" den Frömmlern selten ausgereicht haben.
Es musste auch im Diesseits sanktioniert werden.
Wolfgang von Sulecki am Permanenter Link
Die fadenscheinigen Begründungen müssen nun endlich ein Ende haben:
So war in der letzten Verhandlung die Indikation für Na-Pentobarbital ein Hinderungsgrund für das Gericht¹ - nun braucht es nur auf höchster Ebene eine Verwaltungsakt der diese Indikationserweiterung als rechtens und im Sinne der Menschenwürde (lt. Bundesverfassungsgericht² ) vertretbar bestimmt und damit den Zugang für Sterbewillige öffnet.
Hoffentlich wird nun der lange Leidensweg des Klägers beendet und der vieler anderer Sterbewilliger abgekürzt.
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¹ ".. Der Erteilung einer Erlaubnis zum Erwerb von Natrium-Pentobarbital zur Selbsttötung steht der zwingende Versagungsgrund des § 5 Abs. 1 Nr. 6 BtMG entgegen, weil eine notwendige medizinische Versorgung im Sinne der Vorschrift der Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden dienen muss .."
² ".. Mit seinem Urteil hat das BVerfG erstmals auch bestätigt, dass aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben erwächst. Und Deutschlands höchstes Gericht geht noch weiter: Das Recht auf Selbsttötung verbiete es, die Zulässigkeit einer Hilfe zur Selbsttötung materiellen Kriterien zu unterwerfen. Das bedeutet auch: Sie darf nicht von einer unheilbaren Krankheit abhängig gemacht werden .."
LI am Permanenter Link
Ende November wird das Thema am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt.