Homöopathieduell: Politischer Rückzieher in Berlin, teures Fiasko in München

Im Januar ging es an dieser Stelle um ein "Homöopathieduell zwischen München und Berlin", wo es um die von der Intention her gegenläufigen Aktionen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zur Streichung der Homöopathie (bzw. der "Besonderen Therapierichtungen") aus der Kassenerstattung und die vom Bayerischen Landtag initiierte Homöopathiestudie ging, mit der nach Vorstellung von CSU und Freien Wählern erforscht werden sollte, ob Homöopathie eine Alternative zu Antibiotika darstellen könne. Heute ist es an der Zeit, den Ausgang dieses "Duells" zu betrachten.

Wie seinerzeit schon ausführlich begründet, war die Aktion aus Berlin richtig und überfällig, die Aktion in München falsch und überflüssig (zumal sie aus Steuergeldern finanziert wurde). Der Landtag stellte immerhin eine Summe von 800.000 Euro zur Verfügung.

Berlin: Ein Schritt vor, zwei zurück

Zunächst nach Berlin. Im Januar legte Minister Lauterbach bekanntlich den 2. Referentenentwurf zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz vor (ist es eigentlich inzwischen Vorschrift, Gesetze euphemistisch zu benennen?), in dem ein Ende der Erstattungsfähigkeit von Homöopathie im Sozialgesetzbuch V vorgesehen war. Was die Erfüllung einer zentralen Forderung der wissenschaftsbasierten Homöopathiekritik bedeutet hätte und weithin sogar von einem durchaus positiven Medienecho gefolgt war. Sogar die Bild-Zeitung titelte seinerzeit "Endlich Schluss mit dem teuren Globuli-Aberglauben".

Schon im März wendete sich das Blatt wieder, den medialen Rückenwind konnte Minister Lauterbach offenbar nicht in politische Durchschlagskraft umsetzen. Im 3. Referentenentwurf zum GVSG fand sich keine Silbe mehr zur Streichung der Kassenerstattung der Homöopathie. Obwohl Minister Lauterbach beteuerte, er werde in einem späteren Stadium der Beratung das Thema nochmals aufgreifen, war klar: Wieder war eine faktenbasierte, unter allen Aspekten notwendige und richtige Entscheidung politischem Geschacher und populistischem Opportunismus zum Opfer gefallen.

Mainz: Ärzteschaft setzt ein Zeichen

Dann betrat ein neuer Akteur die Bühne dieses Dramas: Die organisierte Ärzteschaft in Form des 128. Deutschen Ärztetages in Mainz. Man darf vermuten, dass zumindest große Teile der Ärzteschaft das politische Geschacher um die Homöopathie leid waren und ein Zeichen setzen wollten. Auf der Tagesordnung fand sich unter der laufenden Nummer Ic-126 ein Beschlussantrag mit dem Titel "Fehlende Evidenz für Homöopathie-Anwendung und Beendigung der Sonderstellung in Abrechnungssystemen". Der Beschlussantrag zielte auf die Feststellung ab, "die Anwendung von Homöopathie in Diagnostik und Therapie [sei] in der Regel keine mit rationaler Medizin, dem Gebot der bestmöglichen Behandlung sowie einem angemessenen Verständnis medizinischer Verantwortung und ärztlicher Ethik vereinbare Option".

Sehr starker Tobak. Damit stellt die organisierte Ärzteschaft im Grunde der Homöopathie den Klappstuhl vor die Tür. Und verband dies auch mit konkreten Forderungen an den Gesetzgeber, die Abrechnungsmöglichkeiten für homöopathische Leistungen sowohl in den gesetzlichen als auch in den privaten Systemen zu streichen.

Dass dies von heute auf morgen geschehen und sich die Homöopathie in Deutschland mit einem Knall auflösen würde, hat sicher niemand erwartet. Das zeigt auch das Abstimmungsergebnis: Der Antrag wurde angenommen, ist also offizielles Statement der deutschen Ärzteschaft – mit 116 zu 97 Stimmen. Nicht wirklich knapp, aber doch mit einer erheblichen Zahl von Gegenstimmen. Hier gibt es noch reichlich Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber: Mit Recht hat hier die organisierte Ärzteschaft ihre Stimme zum Thema Homöopathie sehr deutlich erhoben und ohne Zweifel damit nicht nur den eigenen Berufsstand, sondern auch die so zögerliche und wankelmütige Politik adressiert. Man durfte hoffen, dass Minister Lauterbach dieses Signal nicht überhören würde.

Am 13. November gab es eine Anhörung zum Gesetzentwurf im Gesundheitsausschuss. Dabei wurde überdeutlich, zu wie vielen teils divergierenden Vorstellungen zum Gesetzentwurf noch Konsens zu finden ist. Und das unter Zeitdruck wegen des Scheiterns der Ampelkoalition. Ob es noch zu einer Verabschiedung im Bundestag vor den Neuwahlen kommen wird, dürfte in den Sternen stehen. Die Sache mit der Homöopathie jedenfalls dürfte, das muss man wohl realistisch sehen, im Strudel der Ereignisse aktuell untergegangen sein. Ob sich in der nächsten Legislaturperiode eine neue Gelegenheit bietet, die gesetzliche Privilegierung der "Besonderen Therapierichtungen" auf die politische Agenda zu bringen – man mag es nicht prognostizieren.

Also Sieg für München im Homöopathieduell durch Aufgabe in Berlin? Gemach!

München: Eine Studie scheitert

Vom Beschluss des Landtages 2019 bis zur ersten Veröffentlichung eines Studienprotokolls und der Benennung der durchführenden Institution (TU München, Klinik Rechts der Isar) vergingen schon einmal mehr als drei Jahre – was von wenig Vertrauen in die Sache zeugen mag. Wie dem auch sei, auch von da an ging es schleppend weiter. Die Ankündigung der Veröffentlichung eines Studienergebnisses wurde von 2024 auf 2025 und vor kurzem noch einmal auf 2026 verschoben. Die externe Betreuerin der Studie, eine bekannte Homöopathin aus der Schule von Professor Michael Frass, hat sich vor kurzer Zeit zurückgezogen. Nanu?

Am 19. November berichtete die FAZ unter der Überschrift "Homöopathiestudie des Bayerischen Landtages scheitert". Dort wird der Studienleiter vom Klinikum Rechts der Isar zitiert: "Die Studie hat die Rekrutierung abgebrochen, da die erforderliche Zahl an Probandinnen in einem sinnvollen Zeitraum nicht erreichbar gewesen wäre".

Interessant und beinahe schade, dass diese zwar teure, aber von den wissenschaftlichen Homöopathiekritikern mit Interesse erwartete Untersuchung nicht zu Ende geführt wurde. Das Informationsnetzwerk Homöopathie hütete sich zwar vor einem Vorgriff auf das Ergebnis, leitete aber aus den bekannten Studienparametern bereits eine ziemlich tiefgehende Kritik an dem Projekt ab. Wie zu erfahren war, wurde die notwendige Zahl der Probandinnen (es ging um rezidivierende Harnwegsinfekte bei Frauen) auf 240 geschätzt, in all der Zeit seien aber nur gerade einmal 40 Teilnehmerinnen rekrutiert worden. Immerhin interessant, denn es wurde lange und intensiv geworben, in den Sozialen Medien ebenso wie im Münchner Nahverkehr (sic!).

Derzeit herrscht noch eine gewisse Verwirrung, aber offenbar will es mal wieder irgendwie keiner gewesen sein. In einer neuen Pressemitteilung des Landtages zum realen Antibiotika-Problem ist mit keiner Silbe mehr die Rede von Homöopathie. Die Ethikkommission der TU München ließ verlauten, ja, man hätte sich nicht leicht getan mit der Studie, aber man habe dann doch … unter Zurückstellung von Bedenken … you know. Ähnlich hatte sich wohl auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) positioniert, was nicht so sehr verwunderlich ist, wenn man weiß, dass dort als Abteilung 4 genau die Dienststelle angesiedelt ist, der die Registrierung und Zulassung von Homöopathika obliegt. Um es aber an dieser Stelle einmal klipp und klar zu sagen: Dieses Vorhaben hätte niemals die Ethikkommission und das BfArM passieren dürfen. Weil – wie es die international gültigen medizinethischen Vorgaben fordern – von Studien mit Menschen wesentliche Erkenntnisgewinne zu erwarten sein müssen. Und genau das war, wie es auch zahlreiche Kritiker schon sehr früh artikuliert und begründet hatten, hier durchaus nicht der Fall.

Das bayerische Gesundheitsministerium ergeht sich in wortklauberischen Rückzugsgefechten, wie in der Regionalpresse zu lesen war: Das Gesundheitsministerium betont, dass die Studie selbst nicht abgebrochen wurde. Auch, dass das Ziel der Untersuchung verfehlt worden sei, wie die FAZ Renders (den Studienleiter) zitiert, will dieser laut Ministerium nicht gesagt haben. Dass die Rekrutierung beendet wurde, wird jedoch nicht dementiert. Naja, gut, bei der offiziellen Studienregistrierung ist der Status ja wirklich noch "Active, not recruiting" und das offizielle Ende auf den 31. Januar 2026 fixiert. Fein, einigen wir uns einfach auf den Terminus "gescheitert". Und was hat das Ganze gekostet? Das wird die Politik in Bayern zeitnah zu klären haben.

Fazit

Was bedeutet dies nun für den Aspekt des Erkenntnisgewinns? Sehr einfach. Es wird noch eine Menge Debatten und Hin und Her geben, zumal der Studienleiter von einer "Nachauswertung" der schon erhobenen Daten spricht. Was soll das sein? Das Fazit aber kann nur lauten: Dem Behauptenden, also denjenigen, die Homöopathie als spezifisch arzneilich wirksam deklarieren, obliegt die Beweislast. Und die haben die Homöopathen weder vor noch während noch nach dem Scheitern der Studie erbracht. Da kann man lamentieren und lavieren so viel man will, die Wirkung von Homöopathie bleibt unbelegt. Das darf man redlicherweise nicht zerreden.

Ganz zum Schluss noch ein Aspekt, der nach Ansicht des Autors allein ausreicht, um den ganzen Aufwand für diese Studie, unabhängig davon, ob sie beendet wurde oder nicht, als völlig sinnlos erscheinen zu lassen. Laut der Studienregistrierung war vorgesehen, die "Behandlungen" mit homöopathischen Präparaten der Potenzierungen C 200 und C 1.000 durchzuführen. Man sollte sich darüber klar sein, dass dies geradezu überastronomische (also selbst in astronomischen Größenskalen nicht mehr sinnvoll darstellbare) Verdünnungsgrade sind. Eine Potenz von C 200 entspräche zum Beispiel einem Molekül der Ausgangssubstanz im 10^320-fachen (!) des gesamten beobachtbaren Universums. Eine C 1.000-Potenz bedeutet in Exponentialschreibweise eine Verdünnung von 1:10^2.000, also einen Bruch mit einer 1 im Zähler und einer 1 mit 2.000 Nullen im Nenner. Die Chance, beim allerersten Abgeben eines Lottoscheins sechs Richtige und die Zusatzzahl zu treffen, ist um zigtausende Größenordnungen höher als die Chance, in einem mit einer solchen Lösung besprühten Globulus ein Molekül der Ursubstanz zu finden.

Wer glaubt, damit physiologische Reaktionen beim Menschen, dazu auch noch gezielte spezifische Wirkungen bei Krankheiten, auslösen zu können, ist tief in der Esoterik angekommen. Und das ist das Problem. Und damit sind wir wieder in Berlin: Will man allen Ernstes so etwas im Arzneimittel- und im Sozialrecht aus politischer Opportunität weiter privilegieren? I rest my case.

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