BONN. (hpd) Der Journalist Albrecht von Lucke erörtert in dem Buch "Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken" die Möglichkeit einer rot-rot-grünen Regierung nach den Bundestagswahlen 2017. Die Beschreibung und Bewertung von Ausgangslage und Konfliktverhältnis, die auf ein "Keine Chance" hinausläuft, kann Lucke gut und kritisch begründen – macht ihn doch seine Sympathie für ein solches Projekt nicht blind für die Realisierungsmöglichkeiten.
Wird es 2017 nach den Bundestagswahlen eine rot-rot-grüne Regierung geben? Mathematisch wäre dies schon beim letzten Mal möglich gewesen. Gleichwohl konnten sich die Parteien nicht einigen. Die kurzfristige Idee einer schwarz-grünen Regierung fand auch keine Anhänger. Und so regierte erneut eine großen Koalition. Doch warum kam es nicht zu eine linken Koalition – und wieso wird es 2017 nicht anders sein? Diese Frage will der Jurist und Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke, Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik", in seinem Buch "Die schwarze Republik und das Versagen der Linken" beantworten. Der Autor geht die Problemstellung mit offenkundiger Sympathie für ein solches Projekt an, wobei er sich den Beteiligten gegenüber keineswegs unkritisch äußert. Ganz im Gegenteil, er teilt gut und kräftig aus. Seine zentrale These lautet: "Die Krise der Linken ist nur durch ein doppeltes Versagen zu erklären – von SPD und Linkspartei" (S. 18), könne doch von einer fundamentalen Entsolidarisierung beider Parteien gesprochen werden.
Dafür macht Lucke sowohl Aspekte inhaltlicher wie persönlicher Art aus: Der letztgenannte Punkt lässt ihn auf die Differenzen und Entwicklung von Gerhard Schröder und Oskar Lafontaine zurückblicken. Während der Erstgenannte nicht nur, aber auch mit seiner Hartz IV-Politik seinen Ruf als "Genosse der Bosse" bestätigte, habe der SPD-Aussteiger aus dem Saarland einen Rachefeldzug gegen seine Ex-Partei begonnen. So heißt es denn auch: "Hartz IV war die Geburtsstunde der Linkspartei – und zugleich der Beginn des Comebacks Oskar Lafontaines" (S. 52). Während der ehemalige SPD-Bundeskanzler heute in seiner Partei keine Rolle mehr spielt, sei das bei Lafontaine anders. Er wirke heute auch über Sahra Wagenknecht in die Partei hinein. Lucke formuliert hier eine scharfe Kritik, die sowohl den autoritären Führungssteil Lafontaines wie die Stalinismus-Verharmlosung von Wagenknecht in Erinnerung ruft. Deren Position sei "völlig klar: Opposition pur und fundamental" (S. 85), was eben eine rot-rot-grüne Regierung ausschließt.
Dafür gibt es aber nach Lucke noch andere Gründe, wozu etwa der außenpolitische Isolationsmus der Linkspartei ebenso gehöre wie der allzu wirtschaftsfreundliche Kurs der SPD: Während sich Gabriel für das Freihandelsabkommen TTIP engagiere, lehne die Linkspartei UN-mandatierte Einsätze ab. Wahrscheinlicher sei da schon eher eine schwarz-grüne Koalition, zumal sich die Grünen verbürgerlicht hätten. Für Lucke sind sie "faktisch die neue Partei der Besserverdienenden" (S. 99). Er listet auch Vorteile einer solchen Koalition für die CDU wie für die Grünen auf, sieht dabei aber für die letztgenannte Partei auch Risiken. Dann geht Lucke noch auf die Europa- und Welt-Perspektive ein. Bezogen auf die Ablehnung der NATO und die Distanz zur EU formuliert er gegenüber der orthodoxen Linken eine vehemente Kritik: "Die entscheidende Differenz, zwischen dem Westen als geostrategischem Raum und seiner universalistischen Idee, wird sträflich negiert …" (S. 153). Die Gefahr eines emotionalisierten Linkspopulismus bestehe.
Die Beschreibung und Bewertung der politischen Gegebenheiten sind anregend und machen das Bestehen einer Dilemma-Situation für die Option eines Regierungswechsels deutlich. Zwar benennt der Autor auch Bestandteile für das Selbstverständnis "einer liberalen, freiheitlichen Linken im Sinne von Willy Brandt" (S. 211). Doch einen "möglichen Weg zur neuen Stärke" skizziert er entgegen des Versprechens auf dem Klappentext des Verlages nicht. Dies wäre angesichts der Ausgangssituation auch vermessen. Auffällig ist darüber hinaus, dass die anderen Bundestagsparteien CDU/CSU und Gründe nur sehr knapp behandelt werden. Immerhin heißt das Buch ja auch "Die schwarze Republik". Wie steht es um die Entwicklung der Unionsparteien, die doch unter Merkel vom Atomausstieg bis zum Wehrdienstende viele als links geltenden Forderungen umsetzte? Und auch die Grünen, die immerhin ja ein Bestandteil einer möglichen linken Regierung wären, kommen fast nur als eher opportunistisch erscheinender potentieller Koalitionspartner der Unionsparteien vor.
Albrecht von Lucke, Die schwarze Republik und das Versagen der deutschen Linken, München 2015 (Droemer Knaur), 232 S., ISBN: 978–3–426–27667–9, 18,00 Euro
1 Kommentar
Kommentare
Erich Mauerböck am Permanenter Link
Nun, zumindest sind in D eine anti-reaktionäre Koalitionen mehrheitsfähig und so zumindest denkbar.