Kommentar

Der KORSO auf dem Weg zu seiner Verkirchlichung?

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Dr. Thomas Heinrichs, Vize-Präsident des HVD Berlin-Brandenburg.

Der KORSO hat sich im September in "Zentralrat der Konfessionsfreien" umbenannt (der hpd berichtete). Hierzu ein Kommentar des Vizepräsidenten des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg KdöR, Thomas Heinrichs.

Der Koordinierungsrat säkularer Organisationen KORSO – heißt nun "Zentralrat der Konfessionsfreien".

Ein "Zentralrat" ist im deutschen Religions- und Weltanschauungssystem eine kirchliche Ersatzorganisation. Sie dient dazu, Religionen- und Weltanschauungen, die nicht kirchlich organisiert sind, zu zentralisieren und zu hierarchisieren, um wie bei den Kirchen einen zentralen Ansprechpartner gegenüber staatlichen Stellen zu schaffen, der mit diesen staatlichen Stellen Vereinbarungen über staatliche Förderung und Zusammenarbeit trifft. So gibt es in Deutschland unter anderem den Zentralrat der Juden, den Zentralrat der Muslime, den Zentralrat der Jesiden und den Zentralrat der orientalischen Christen.

Ein "Zentralrat der Konfessionsfreien" ist in mehrfacher Hinsicht ein Unding.

Im KORSO waren bis vor kurzem die wichtigsten säkularen Organisationen vertreten, um – wie es der Namen schon sagte – ihre Tätigkeiten zu koordinieren, sich auszutauschen und abzusprechen. Die säkularen Organisationen in Deutschland – vom IBKA über die gbs bis zu den humanistischen Verbänden – sind regional und selbständig organisiert, haben sehr unterschiedliche Tätigkeitsfelder und vertreten teilweise sehr unterschiedliche Positionen. Es ist weder möglich noch sinnvoll, diese Organisationen zu zentralisieren und einer hierarchischen Struktur unter Leitung eines "Zentralrates" zuzuführen. Es ist auch nicht von allen Verbänden erwünscht. Die Umbenennung des KORSO konnte daher erst erfolgen, als sowohl der Humanistische Verband Deutschlands (HVD) als auch der Dachverband freier Weltanschauungsgemeinschaften (DFW) wegen der Absicht der neuen KORSO-Leitung, den KORSO zu einem selbständig agierenden Dachverband umzubauen, ausgetreten waren. Weltanschauungsgemeinschaften sind daher im KORSO außer dem Bund für Geistesfreiheit (bfg) und der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) (zum Status der gbs als Weltanschauungsgemeinschaft vgl. ein Gutachten von Daniela Wakonigg) nicht mehr vertreten. Verblieben sind überwiegend religionskritisch orientierte Organisationen.

Der nunmehr stark vereinheitlichte Rest-KORSO nimmt für sich in Anspruch, "die Konfessionsfreien" zu vertreten. Den Anspruch, die säkulare Szene zu vertreten, kann er nach dem Austritt des HVD und des DFW auch nicht mehr erheben.

Wer sind "die Konfessionsfreien"? Konfessionsfrei ist jemand, der weder eine Religion noch eine Weltanschauung hat. Die Humanisten zum Beispiel sind daher nicht konfessionsfrei, denn sie haben eine humanistische Weltanschauung. Zwar haben sie kein "Glaubensbekenntnis" im religiösen Sinne. Dies ist bei einer profanen Weltanschauung ausgeschlossen, aber die Angehörigen der humanistischen Weltanschauungen verstehen sich selbst als Humanisten in einem identitätsstiftenden Sinn. Sie ordnen sich einer Weltanschauung zu und haben in diesem weiten Sinne eine "Konfession". Dagegen sind konfessionsfreie Menschen solche, die sich selbst nicht einer Religion oder Weltanschauung zuordnen, sondern in diesen Fragen indifferent sind.

Diese Gruppe der tatsächlich Konfessionsfreien ist daher in weltanschaulicher und politischer Hinsicht völlig diffus. Ihre Zahl dürfte bei circa 30 bis 35 Prozent der Bevölkerung liegen. Da die weltanschaulich Gebundenen in den offiziellen Statistiken nicht erfasst werden, muss man von den dort genannten höheren Zahlen der Konfessionsfreien einen entsprechenden Abzug machen.

Eine solch diffuse Gruppierung lässt sich von niemandem vertreten. Die Konfessionsfreien sind über alle politischen und gesellschaftlichen Gruppen verteilt und reichen von AfD-Wählern bis zu Esoterikern. Eine Gruppe, die nur durch ein negatives Kriterium, das Desinteresse an Religiosität und weltanschaulicher Orientierung, definiert wird, lässt sich nicht organisieren und durch niemanden vertreten. Säkulare Gruppierungen können ihre Mitglieder und Anhänger vertreten, die ihre Ansichten und Ziele teilen, aber niemand sonst. Wenn die im Rest-KORSO verbliebenen säkularen Organisationen, deren Mitgliederzahl sich großzügig geschätzt im Bereich weniger Tausend bewegt, den Anspruch erheben, für circa 25 Millionen Menschen in Deutschland zu sprechen, die noch nie etwas von diesen Organisationen gehört haben, dann ist das anmaßend.

Nun ist diese Anmaßung nicht neu und in der säkularen Szene weit verbreitet. Weil die meisten säkularen Verbände es nicht schaffen, an Mitgliedern und Angehörigen zu wachsen, und viele der kleinen Organisationen überaltert sind, versucht man gesellschaftliche Bedeutung zu erlangen, in dem man mal eben alle Konfessionsfreien eingemeindet. Das ist unglaubwürdig und niemand, der sich in Religions- und Weltanschauungsfragen ein wenig auskennt, nimmt einem das ab.

Die im KORSO verbliebenen Verbände sind diejenigen, die am stärksten eine radikale Religionskritik vertreten und Kooperationen mit dem Staat ablehnen. Dass ausgerechnet diese Verbände sich jetzt aus PR-Gründen als "Zentralrat" organisieren und damit eine Ersatzorganisationsform für Kirchlichkeit annehmen, ist skurril. Anstatt gegen das staatliche Interesse anzugehen, nur mit kirchenförmig organisierten Religionen und Weltanschauungen in Kontakt zu treten, nimmt man nun selber eine kirchliche Ersatzform an, in der Hoffnung, so leichter im politischen Feld agieren zu können.

Die humanistischen Verbände und auch die gbs sind groß genug, um ihre Interessen selbst zu vertreten. Die restlichen säkularen Verbände werden auch wenn sie sich in einem "Zentralrat" zusammenschließen nicht als relevante politische Gesprächspartner wahrgenommen werden. Auch dass man jemanden beauftragt hat, den "Zentralrat" im politischen Feld zu vertreten, wird daran nichts ändern. Er wird sich der Frage stellen müssen, wen der "Zentralrat" denn eigentlich vertritt. Wenn dann Namen genannt werden, die außerhalb eingeweihter säkularer Kreise nie jemand gehört hat (DFV, BAGHS, IBKA, JwD, StG – Quizfrage: Wer kann diese Abkürzungen auf Anhieb entschlüsseln?), ist das Thema erledigt.

Dem "Zentralrat" wird es nicht gelingen, auf der politischen Ebene wahrgenommen zu werden. Da nützt auch der Name "Zentralrat" nichts. Wer hat schon jemals etwas vom Zentralrat der Jesiden oder der orientalischen Christen gehört? Auch vom "Zentralrat der Konfessionsfreien" wird niemand etwas mitbekommen. Nicht PR-Gags, sondern eine konstruktive Verbandspolitik, die zum Wachstum der Zahlen von Mitgliedern und Angehörigen führt, ist es, was die säkularen Verbände brauchen, um ihre politische Bedeutung und ihre Möglichkeiten der Mitgestaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse zu steigern. Und dazu wäre ein Koordinierungsrat im eigentlichen Wortsinne für die säkulare Szene sehr hilfreich. Diesen gibt es jetzt nicht mehr.

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