BERLIN. (hpd) Als "klare Botschaft, dass niemand ins Ausland reisen muss” wolle sie den von ihr und anderen Abgeordneten erarbeiteten Gesetzentwurf für einen Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung" verstanden wissen, sagte Dr. Carola Reimann (MdB SPD) bei einer Pressekonferenz am Mittwoch, 17. Juni 2015.
Gemeinsam u. a. mit Peter Hintze (MdB CDU), Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach (MdB SPD), Dagmar Wöhrl (MdB CSU) stellte sie ihren angekündigten Gesetzentwurf vor. Dieser sieht vor, dass im Bürgerlichen Gesetzbuch verankert wird: "Ein volljähriger und einwilligungsfähiger Patient, dessen unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt, kann zur Abwendung eines krankheitsbedingten Leidens die Hilfestellung eines Arztes bei der selbst vollzogenen Beendigung seines Lebens in Anspruch nehmen."
Die Hilfe des Arztes ist dann noch an Bedingungen geknüpft und würde stets freiwillig erfolgen. In der Gesetzesbegründung wird auf die Bevölkerungsmeinung und auch auf die im April veröffentlichte Resolution von 140 Strafrechtlern Bezug genommen, welche sich gegen eine Verschärfung des Strafgesetzes richtete. Mit einer solchen Grundsatz-Entscheidung seien, so die Abgeordneten, werde Rechtssicherheit geschaffen und auch eventuell berufsrechtliche Sanktionen durch die Ärztekammer nicht mehr so einfach möglich.
In den Tagen zuvor waren drei weitere Gesetzes-Entwürfe der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Eine große Mehrheit von Abgeordneten soll hinter einem Vorschlag der Abgeordneten Michael Brand, Eva Högl u.a. stehen, welcher einen Strafrechts-Paragraphen vorsieht, demnach die geschäftsmäßige, also die auf Wiederholung und angelegte Suizidhilfe, selbst wenn dadurch kein Geld verdient wird, bestraft werden kann. Noch restriktiver ist ein Vorschlag der CDU-Abgeordneten Sensburg und Dörflinger, der eine generelle Kriminalisierung jeder Suizidhilfe beabsichtigt.
Deutlich anders ist ein Vorschlag von Renate Künast (MdB Grüne) und Dr. Petra Sitte (MdB Die Linke), der nicht ausdrücklich im Straf- oder Zivilrecht angesiedelt ist. Deren Gesetzesentwurf möchte Sorgfaltskriterien für Sterbehilfevereine einführen.
Die erste Lesung findet am 3. Juli im Deutschen Bundestag statt. Endgültig abgestimmt wird (ohne Fraktionszwang) aber frühestens im November des Jahres.
(Alle vier nun vorliegenden Gesetzesentwürfe sind dem Artikel beigefügt.)
Interessante Veranstaltungen:
"Die letzte Hilfe! Ärzte aus dem In- und Ausland diskutieren über Suizidhilfe", Samstag, 20. Juni 2015, 19.30 Uhr, Ort: Urania, Berlin www.dghs.de
"Ärzte, Angehörige, Sterbehelfer – wer darf beim Suizid helfen?", Dienstag, 30. Juni 2015, 18.30 Uhr, Ort: Senatssaal im Hauptgebäude der Humboldt-Universität Berlin, Unter den Linden 6, Veranstalter: Humanistische Union (HU), www.humanistische-union.de
6 Kommentare
Kommentare
Atheist Steinbrenner am Permanenter Link
Was soll der Unsinn!
Der status quo ist doch gut. Selbstmord wird nicht bestraft, die Beihilfe zu einer Tat kann nur dann bestraft werden wenn die eigentliche Tat auch bestraft wird.
Die InitiatorInnen dieses neuen Vorschlags haben diesen Grundsatz der unseren Strafrecht zugrunde liegt und von Strafrechtlichern auch so verfochten wird wohl nicht zur Kenntnis genommen, und wollen mit der Regelung der Sterbehilfe einen Bruch in unserer Rechtstradition etablieren.
Neben der juristischen Ignoranz gesellt sich aber auch eine medizinische Unkenntnis. So kommt es beispielsweise auch bei Krebserkrankungen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen, in seltenen Fällen zu Spontanremission. --- Wenn also die straffreie Beihilfe zur Selbsttötung eingeschränkt wird auf "dessen unheilbare Erkrankung unumkehrbar zum Tod führt", dann schaft diese bevormundende Formulierung mitnichten eine klare Regelung, sondern zementiert ein Verbot selbst bei den meisten schweren Erkrankungen, da es ja noch zu einer Spontanremission kommen könnte, also der Weg in den Tod zwar höchstwahrscheinlich aber wie durch Existenz von Spontanremissionen empirisch erwiesen nicht unumkehrbar ist.
Desweiteren ist leiden nicht objektiv zu beurteilen. So ist gerade bei psychiatrischen Störungen erst dann von Leid zu sprechen wenn der Patient einen subjektiven Leidensdruck empfindet, nicht wenn ihm nach objektiven Kriterien eine bestimmte Diagnose attestiert werden kann. --- Auch die Schwerzforschung zeigt, dass das Schmerzempfinden ein sehr subjektives ist und zwischen verschiedenen Personen mit verschiedenen Läsionen variiert. --- Letztlich kann also nur das subjektiv empfundene Leid dessen der sich selbst Töten möchte und dafür Hilfe in Anspruch nehmen möchte das Maß der Dinge sein.
Nun wird es sicher kaum Ärzte geben, die jemandem der eine Depressive Phase in seinem Leben erfährt, die vorübrgehend ist, leichtfertig ohne Aufklärung über die Alternativen auf Wunsch des Patienten beim Suizid behilflich sind. Aber letzte Endes sollte der Wunsch eines zuvor aufgeklärten Patienten respektiert und ihm beim Suizid assistiert werden.
Oder wie es die Giordano Bruno Stiftung (GBS) formuliert:
"Es gibt ein Recht auf Leben, aber keine Pflicht zu leben."
Jann Wübbenhorst am Permanenter Link
Ich sehe den Gesetzentwurf nicht ganz so kritisch. Dass es keine "Pflicht zu leben gibt", ist ja gerade auch ein Grundargument von Reimann et al.
Auch dass Leiden nicht objektiv zu beurteilen ist, betonen die Autoren ja ausdrücklich ("Da die Frage, welches Ausmaß ein vom Patienten individuell empfundenes Leiden annehmen muss, damit eine Hilfestellung bei der
selbst vollzogenen Lebensbeendigung gerechtfertigt erscheint, allein von der subjektiven, einer Objektivierung unzugänglichen Wahrnehmung durch den Patienten abhängt, wird bewusst auf eine weitergehende Qualifizierung des erforderlichen Leidensdrucks verzichtet.").
Die Einschränkung, die Beihilfe zum Suizid nur bei zum Tode führenden Krankheiten ausdrücklich zu erlauben, wird damit begründet, dass man dem Arzt in anderen Fällen diese Gewissensentscheidung nicht abverlangen könne. Das kann man anders sehen.
Der Entwurf von Künast et al. macht diese Einschränkung nicht, sondern will nur die "gewerbsmäßige" Sterbehilfe verbieten. Aber der Gesetzentwurf von Reimann et al. schafft als einziger keinen neuen Straftatbestand im StGB.
Wenn ich es richtig verstehe (man möge mich korrigieren), bedeutet das: In den genannten Fällen (bei sicher zum Tode führenden Krankheiten) schafft der Vorschlag eine Verbesserung, da sichergestellt wird, dass betroffenen Ärzten keine standesrechtlichen Konsequenzen drohen (wie es jetzt teilweise der Fall ist). In anderen Fällen ändert sich nichts gegenüber der jetzigen Situation.
Daher ist mein Eindruck: Keiner der vier Entwürfe ist perfekt, aber die beiden von Reimann et al. und Künast et al. sind durchaus fortschrittlich.
Der Entwurf Sensburg ist aus humanistischer Sicht unsäglich, der von Brandt et al. (der in den Medien als der wohl mehrheitsfähige angesehen wird), ist nicht viel besser. Die anderen beiden sind erkennbar durchdacht und informiert, wenn auch nicht ganz konsequent. Vor allem beim Entwurf von Reimann et al. lohnt es sich auch, die ausführliche Begründung zu lesen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Schön und gut, wenn die Entwürfe Reimann und Künast fortschrittlich sind. Aber was nützt das, wenn nur die Entwürfe Sensburg oder Brandt im Bundestag mehrheitsfähig sind?
Wegen des 'Drecks' ist es mir persönlich, wie ich bereits auf einen ähnlichen, früheren hpd-Beitrag kommentierte, auch völlig schnuppe, was der Bundestag in diesem Fall beschließt: Mein Körper (bzw. dessen Ende) gehört ausschließlich mir! Und für ein vermutlich völlig schmerzloses Ende benötige ich nicht einmal Sterbehilfe. Insofern berührt mich das überflüssige Ansinnen des Bundestags auch überhaupt nicht. Außer dass ich die vermutlich eintretende Kriminalisierung von Minelli, Arnold & Co. für skandalös und verachtenswert halte.
Klarsicht am Permanenter Link
Kommentar zum Gesetzentwurf „Sensburg“:
Zitat: „Hinter dem Begriff der Beihilfe zur Selbsttötung verbirgt sich ein gesellschaftsweit wachsendes Unwerturteil hinsichtlich bestimmter Formen menschlichen Lebens.“ Mit dieser unbelegten Behauptung wird versucht, die Hilfe zur Selbsttötung mit der „Nazi-Ideologie“ („Unwert...“) zu verknüpfen.
Zitat: „Der Gehilfe einer Selbsttötung billigt dabei nicht nur die Wertentscheidung des Suizidenten, sondern er strebt selbst den Tötungserfolg an.“ Beleglos wird hier pauschal unterstellt, dass ein Sterbewilliger eine „Wertentscheidung“ trifft und eine „Hilfsperson“ sie billigt und einen „Tötungserfolg anstrebt“. Wohl nicht ohne Hintergedanken wird der Begriff „Gehilfe“ aus dem Strafrecht verwendet.
Zitat: „Dabei vergisst der Gehilfe, dass der Leidende ein Ende der Leiden will, nicht aber ein Ende des Lebens.“
Hier liegt wieder eine unbelegte Behauptung vor. Es wird so getan, als ob man klar wüsste, was im Kopf der angesprochenen Personen vorgeht.
Zitat: „Es darf aber nicht zugelassen werden, dass das Leben eines Kranken, Schwachen, Alten oder Behinderten als lebensunwert angesehen wird – von ihm selbst oder von Dritten.“ Auch hier wird versucht, die „Nazi-Ideologie“ („lebensunwert“) ins Spiel zu bringen.
Zitat: „Wenn lebenserhaltende Therapie und Tod als gleichwertige Alternativen gesehen werden, wird der Patient, der sich für die Lebenserhaltung entscheidet, den Angehörigen und der Gesellschaft gegenüber dafür begründungspflichtig.“ Wie kommt man nur auf eine solche wirre und absurde Behauptung ?
Zitat: „Dann aber wäre der Gehilfe in Wirklichkeit Täter, weil der Suizident letztlich nur noch Vollender der vorbereitenden Handlung(en) des Gehilfen ist, ...“. Hier wird voreilig und leichtfertig mit Begriffen aus dem Strafrecht jongliert, obwohl die angestrebte Norm noch gar nicht vom Strafrecht übernommen ist. Man möchte zudem absurderweise den „Gehilfen“ zum „Täter“ werden lassen.
Zitat: „Das laufende Gesetzgebungsverfahren muss sich vor allem damit auseinander setzen, ob der Gehilfe nicht die eigentliche Tatherrschaft über das Geschehen hat. Letztlich, ob es möglich sein darf, dass ein anderer über die Wertigkeit des Lebens eines Kranken entscheidet.“ Das ist völliger Quatsch ! Die Rechtsverhältnisse sind hier völlig klar und bedürfen deswegen keiner Klärung. Der Suizident behält die Herrschaft über das Geschehen !
Zitat: „Von den Befürwortern einer Straflosigkeit bestimmter Fälle der Beihilfe zur Selbsttötung wird ein gesellschaftlicher Konsens über lebensunwertes Leben angestrebt.“ Das ist nicht nur eine unbelegt Behauptung, sondern auch noch eine, die man als ziemlich mies bezeichnen muss. Umgekehrt wird „ein Schuh draus“: Man versucht hier ganz offen, darüber einen „gesellschaftlichen Konsens“ anzustreben, dass die „Befürworter einer Straflosigkeit“ die „Nazi-Ideologie“ („lebensunwertes Leben“) wiederbeleben wollen.
Zitat: „Steht das Unwerturteil erst einmal fest, wird es auf den eigenen Willen des Betroffenen schon bald nur noch wenig ankommen.“ Auch hier ist durch die Verwendung des Begriffs „Unwerturteil“ klar, was mit der Behauptung bezweckt wird.
Zitat: „Der Suizid ist in Deutschland bisher zwar nicht mit Strafe bedroht; ebenso wenig die Beihilfe zum Selbstmord.“ Es bedarf wohl keiner tiefgreifenden Überlegung darüber, warum hier der Begriff „Beihilfe“ aus dem Strafrecht verwendet wird. Es ist zudem verletzend, den völlig unpassenden Begriff „Selbstmord“ ins Spiel zu bringen.
Zitat: „Der den Selbstmordversuch Überlebende, ist ausreichend durch die Folgen seiner Tat und das Leid, das ihn zum Selbstmordversuch trieb, gestraft.“ Ich meine, dass dieser Satz seine „Produzenten“ selbst diskreditiert.
Zitat: „Würde man dem Täter zugestehen, dass er sich darauf zurückziehen kann nur „geholfen“ zu haben, würde man einen tatsächlich rechtlich nicht mehr überprüfbaren Raum schaffen.“ Hier wird sicher nicht ohne Absicht wieder ein Begriff (Täter) aus dem Strafrecht verwendet. Im übrigen handelt es sich auch hier nur um eine unbelegte Behauptung.
Zitat: „Die Zustimmung zum geäußerten mangelnden Lebenswillen und Unterstützung des Todeswunsches stößt den Betreffenden dagegen in den Abgrund, lässt ihn fallen. Das ist das Gegenteil von Solidarität.“ Diese Behauptung ist falsch und stellt die Realität auf den Kopf. Durch die Kriminalisierung der Hilfe zur Selbsttötung „stößt“ man „den Betreffenden in den Abgrund, lässt ihn fallen“ usw.. Denn mit seinen Suizidgedanken wird er sich wohl an niemanden mehr heran wagen, da er befürchten muss, dass der sich von ihm abwenden oder sich evtl. strafbar machen wird, wenn dieser sich auf ein Gespräch mit ihm wegen Selbsttötung einlässt.
Zitat: „Eine mit Ausnahmen für Angehörige und Ärzte ausgestattete gesetzliche Regelung der Mitwirkung am Suizid würde eine Gefahr für das Leben schwer kranker und suizidgefährdeter Menschen darstellen.“ Wieder eine unbelegte und dazu absurde Behauptung.
Zitat: „Er beginnt bereits beim Versuch der Anstiftung, der darauf abzielt, den Entschluss zur Selbsttötung zu wecken oder zu verstärken.“ Hat man es in der Vergangenheit schon mit Fällen zu tun gehabt, in denen zur Selbsttötung angestiftet, ein Entschluss zu ihr geweckt oder verstärkt wurde ?
Der Entwurf enthält also viele nicht belegte Behauptungen und Mutmaßungen darüber, was geschehen könnte.
Außerdem wird in ihm gewissermaßen beklagt, was für ein Aufwand entstünde, wenn die Hilfe zur Selbsttötung möglich wäre.
Es ist insgesamt ein absurder Gesetzentwurf !
Es grüßt
Klarsicht
valtental am Permanenter Link
Danke für die Analyse!
„Der den Selbstmordversuch Überlebende, ist ausreichend durch die Folgen seiner Tat UND DAS LEID (!), das ihn zum Selbstmordversuch trieb, gestraft.“
Da bleibt mir der Mund offen stehen...
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Danke auch von mir für die Analyse, die sowohl die Unkenntnis als auch die unerträgliche Moralisiererei der Verfasser deutlich macht.