Mit einem Aktionstag fordert die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands eine grundlegende Reform ihrer Kirche: keine Machtstrukturen, eine andere Sexualmoral – lauter prima Anliegen. Ebenso gut könnte man allerdings fordern, dass der FC Bayern München sich in einen Lyrikverlag umwandelt.
"Schafft Machtstrukturen ab, setzt unabhängige Missbrauchsbeauftragte ein, verändert die kirchliche Sexualmoral und erneuert die Kirche!" Dies fordert die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), die wegen des kirchlichen Massenmissbrauchs zu einem Aktionstag am kommenden Mittwoch aufgerufen hat. Die Demonstrantinnen und Demonstranten werden auf die Straße gehen, sie werden mit Taschenlampen auf Kirchentüren leuchten und somit ein Bild schaffen, das einen mächtigen Resonanzraum im Bilderfundus des Horrorfilms hat: Die Kirche, das ist das Schreckenshaus, in dem grässliche Dinge passiert sind und passieren. Der Strahl der Taschenlampe ist eine dünne Hoffnung auf Rettung vor der Gefahr. Doch viel mehr noch als die Rettung der eigenen Haut wird hier also angestrebt, sondern eine komplette Reformation. Aus dem Horrorhaus soll ein Tempel des Friedens und der Erleuchtung werden.
Wie das wohl gehen soll? Gut, alle Sekten, ob große oder kleine, mögen ein paar Punkte auf der Agenda haben, die einem nicht vollkommen bescheuert erscheinen: Viele der Christenkirchen kommen immerhin mit einem Lippenbekenntnis zu Frieden und Gerechtigkeit daher, die Zeugen Jehovas geben sich ebenso antirassistisch wie es der Clan des Sektenführers Jim Jones tat. Dennoch bedeutet der Weg in eine Religionsgemeinschaft immer eine Selbstaufgabe und eine teilweise Aufgabe des eigenen Urteilsvermögens. Kinder kommen ja mit einem wissenschaftlichen Geist auf die Welt: Ursache und Wirkung zu erforschen, Kausalitäten verstehen zu wollen, ist ihnen mitgegeben, wie wohl dem Nachwuchs aller höher entwickelten Tierarten. Auch ist Fantastik ihnen nicht fremd, ein Sinn für magisches Denken und unterhaltsame Geschichten. Allein schon daher würde das Christentum, ließe man sie wählen, recht eindruckslos an ihnen abperlen: Die Geschichte von einem komplett einsamen Mann, der eine Welt erschafft und den Menschlein in seiner Welt dann ein schlechtes Gewissen zu machen versucht, wenn er nicht gerade einen Großteil von ihnen massakriert – das ist der Stoff, aus dem Depressionen sind. Kinder brauchen viel mehr Spaß, Spannung und Aktion, wie sie etwa die Göttergeschichten der alten Griechen anbieten. Die düstere, grausame Märchenwelt des christlichen Mono-Gottes hat keine Geschichten, die Freude bereiten, keine Geschichten, die das Menschsein durchspielen. Letztlich geht es immer um die Botschaft: dass man sich dem großen, fernen, zerstörungswütigen Obermacker im Himmel unterwerfen soll, Verhandlungen nicht möglich, spielerisches Herangehen unmöglich, Lachen verboten.
Dass die Kirche von diesem Geist durchwirkt ist, bemerkt das Kind schon lange, bevor es das formulieren kann: die hohen, anmaßenden Innenräume der Kirchen. Die detaillierten Bilder und Skulpturen eines gefolterten Mannes. Die exzessive, sadistische Grausamkeit vieler Heiligengeschichten. Das unterwürfige Aufreihen und Hinknien erwachsener Menschen vor dem salbungsvollen Ton eines kurios kostümierten Mannes, den man aber ums Verrecken ernst zu nehmen habe, da er mit dem allvernichtenden Gott in Kontakt zu stehen scheint ...
Wo fängt Gewalt an? Eines ist klar: Je früher sie beginnt, desto selbstverständlicher werden die Menschen sie finden. Werden in sie hineinwachsen als eine Normalität. Für den Unterzeichnenden, der im weitgehend atheistischen Norden recht unbehelligt aufwuchs, ist es nach wie vor staunenswert bis empörend, etwa von bayerischen Freunden zu hören, zu was für Unfug man sie als Kinder gedrängt und gezwungen hat, während sie doch am Sonntag doch vor allem spielen und im Spiel das Menschsein lernen müssten. Stattdessen also Niederknien, Orgelgedudel, Abrakadabra, Langeweile. Und als Höhepunkt war das Kind verpflichtet, dem Kostümierten in ein dunkles, enges Kabuff zu folgen. Dort sollte man ihm also erzählen, was für ein schlechter Mensch man war. So wurde es einem eingepflanzt. Das Betriebskapital der Kirche: Wir beschädigen dich, damit wir dich später immer wieder retten können, halleluja.
Explizit gegen die Beichte wendet sich auch Agnes Wuckelt von der kfd in einem Interview mit katholisch.de: "Wenn beispielsweise Kleriker die Menschen im Beichtstuhl ausfragen, wie genau sie gegen das sechste Gebot verstoßen haben, dann ist das geistlicher Missbrauch. Unter dem Deckmantel der Vergebung Gottes wird gefragt, wie es im Ehebett zugeht oder wie sich jemand selbst sexuell befriedigt hat. Ich kenne einige Leute, die das bestätigen und wirklich so ihre Beichte erlebt haben und bis in die kleinsten Details ausgefragt wurden. Was soll das? Ich frage mich, ob sich dadurch manche Geistliche aufgegeilt haben."
Was wäre also zu tun, damit so etwas nicht wieder vorkommt? "Man kann nur eines machen", sagt Wuckelt, "Kinder stark machen. Bereits im Kleinkindalter muss eingeübt werden, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen." Das klingt gut. Grenzen sind wichtig. Respekt vor Kindern ist wichtig. Wie aber soll das Kind sich gegen den geilen Pfarrer wehren können, wenn man ihm von Klein auf beigebracht hat, es gebe einen allmächtigen Gott, und der Pfarrer sei quasi seine rechte Hand? Wenn man dem Kind eine Ideologie der Unterwerfung und der göttlich besiegelten Minderwertigkeit aufgezwungen hat, Sonntag für Sonntag?
Kinder brauchen Rituale, hört man immer wieder. Rituale schaffen Gemeinschaft. Das mag so sein. Klar ist dabei aber: In welche Gemeinschaft ein Kind hineingezwungen wird, kann es kaum selber entscheiden. Viele schätzen ihre süßen Erinnerungen an goldene Putten, knatschige Gesänge und die Holzmaserung der Kirchenbank. Aber muss man deswegen eine Ideologie hinnehmen, die das menschliche Einzelwesen unterjocht und stigmatisiert mit einer "Erbsünde", die perfiderweise noch nicht einmal nachvollziehbar ist? Schon in der totalen Willkür dieses Konzepts wohnt die Tyrannei des Gottes und seiner Vorbeter. Zweitausend Jahre lang haben sie an einem System gebaut, welches reformieren zu wollen man wohl einen sehr, sehr belastbaren Kinderglauben benötigt.
30 Kommentare
Kommentare
David See am Permanenter Link
da verstummt dann sogar der pabst, weil diese pfaffen von Menschlichkeit keine Ahnung haben und die Inquisition kommt auch nicht mehr so wie im mittelalter
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Meinen Sie, dass keiner der katholischen Priester eine Ahnung von Menschlichkeit hat? Was Sie hier sagen, ist Ihre Meinung. Für sich brauchen sie sie auch nicht begründen.
David See am Permanenter Link
schon seltsam das andere festlegen wie man zu sein hat und das findet kaum jemand seltsam
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Dagegen wehren sich doch die an der Aktion beteiligten deutsche Frauen. Natürlich gibt es zur Genügend konservative Priester und Laien, aber auch andere.
A.S. am Permanenter Link
Die Religionsinstitutionen stecken in einem Dilemma:
Machen sie weiter wie bisher, erkennen immer mehr Menschen, dass es nur um die Herrschaft und den Wohlstand der Priester geht.
Einziger Ausweg: Abschaffung von Freiheit und Demokratie, Rückkehr zu alten, autoritären Regierungsformen.
Andreas am Permanenter Link
Vielleicht sollte Klaus Ungerer einfach mal Bertolt Brechts Lieblingslektüre lesen: die Bibel. Kann ja nicht schaden, wenn man weiß, worüber man schreibt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Da können Sie getrost davon ausgehen, dass er das getan hat. So wie viele andere auch - einschließlich meiner Person -, die genau deswegen die biblischen Horrormärchen ablehnen.
Als ich die Bibel noch nicht so genau kannte, nur die paar bunten Bonbons, da konnte ich ihr etwas abgewinnen. Doch mein intensives Studium, meine Studien zu den Hintergründen ihrer Entstehung und die Querverweise auf andere Disziplinen, haben mich in den vergangenen 40 Jahren gelehrt, dass dieses Buch Gift ist für den freien Geist.
Es ist ein frech erfundenes Legitimationsmittel, um Menschen systematisch zu unterdrücken und einem altorientalischen Despoten gegenüber gefügt zu machen - zum ausschließlichen Nutzen seines Bodenpersonals.
Sie, lieber Andreas, mögen die Bibel gelesen haben, verstanden haben Sie sie nicht...
Andreas am Permanenter Link
@ Bernd Kammermeier Ich fühle mich geehrt, genau wie Bertolt Brecht die Bibel nicht verstanden zu haben – wenn mir das Bernd Kammermeier sagt ...
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Wozu muss jemand die Bibel gelesen haben, bevor er Atheist wird? Genügt nicht das Aha-Erlebnis, dass es keine dualistische Welt gibt? Außerdem: Lesen Sie doch die unabhängigen modernen Bibelkommentare!
oder was das Zweite vatikanische Konzil in der "Dogmatischen Konstitution über die göttliche Offenbarung - "Dei Verbum" schreibt? Lesen Sie doch dazu, was Karl Rahner, Herbert Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, Herderbücherei 1966, darüberschreibt! Mein seinerzeitiger Gedanke zu S 361f war: Die Konzilsväter kamen zu keinem Ergebnis, wie man die Tatsächlichkeit der Offenbarung Gottes beweisen kann. Darum ließen sie diese Frage im Raum stehen. Dies war ein wichtiger Meilenstein in meiner religiösen Entwicklung.
Andreas am Permanenter Link
@ Emmerich Lakatha Der Atheist Pier Paolo Pasolini drehte den "Bibelfilm" "Das 1. Evangelium – Matthäus" ... man muss nicht "glauben", was man für wertvoll hält.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
@Andreas
Andreas am Permanenter Link
@ Emmerich Lakatha Es gibt hier scheinbar ein Monopol für das "richtige" Bibelverständnis, wie es von Kammermeier und Co. vertreten wird: Bibel = Teufelswerk. Böse.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
@
Auch Atheisten können an Nostradamus glauben.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Atheist ist keine geschützte Bezeichnung. Darum kann sich jeder Atheist nennen. Welcher Art sind die von Ihnen genannten Atheisten? Selbsternannte oder Solche, die ein monistisches Weltbild haben?
Andreas am Permanenter Link
@ Emmerich Lakatha Ich habe Ihnen "Pier Paolo Pasolini" genannt – kennen Sie nicht? Ihr Problem.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
@ Andreas
Ich breche darum die Diskussion mit Ihnen ab. Unfruchtbare Nebenschauplätzte sind für mich uninteressant.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
@Andreas, Nachtrag
Der von Ihnen genannte Film, Das 1. Evangelium-Matthäus wird übrigens im gleichnamigen Wikipedia Artikel,
https://de.wikipedia.org/wiki/Das_1._Evangelium_%E2%80%93_Matth%C3%A4us
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Das Nichtverstehen der Bibel macht aus niemandem einen zweiten Bertolt Brecht. Dies würde sowieso nicht davor bewahren, Unsinn zu schreiben, denn jeder - einschließlich Bertolt Brecht - kann sich irren...
Andreas am Permanenter Link
@ Bernd Kammermeier Sie halten Bertolt Brecht ja auch für jemanden, der die "Bibel nicht verstanden hat" – der einzige, der sie versteht, sind Sie. Gratuliere!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich bin kaum der einzige. Was soll Ihr geistig dünnflüssiges Gewäsch? Es gibt Millionen andere auch. Viele davon sind Atheisten, manche wurden scheinheilige Theologen.
Aber da ich selten der Sekundärliteratur blind glaube, wollte ich, um zu einem fundierten Urteil zu gelangen, die Bibel in etlichen Übersetzungsversuchen ausgewiesener Experten studieren. Jetzt weiß ich Bescheid - Sie offenbar immer noch nicht...
Roland Schütze am Permanenter Link
Man lernt doch nie aus. Ich bin immer wieder darüber erstaunt, was so alles in der Bibel zu finden sein soll. Dass da etwas über die psychologischen Manipulationstechniken der Kirche steht, ist mir neu.
Emmerich Lakatha am Permanenter Link
Was heißt, die Bibel verstehen oder nicht versehen? Soll man sie als verlässliche historische Quelle verstehen, aus der man das historische Wirken Gottes erkennt?
Thomas R. am Permanenter Link
"Für alle, die nicht glauben ist sie ein wertvolles Kulturdenkmal"
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Hans Trutnau am Permanenter Link
Ob die kfd in dem Männerverein etwas erreicht? Ich überlege noch, ob ich an der Taschenlampenaktion am 12.12.um 18:00 teilnehme - oder mache ich mich damit zum Handlanger der kfd?
Christoph Heckermann am Permanenter Link
Sie erwecken gern den Schein
ihre Hände wären rein.
Doch wie steht's mit dem Gewissen?
Das ist von A bis O besch.mutzt.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Klaus ich mir, Christ.off!
Arno Gebauer am Permanenter Link
Moin,
wer zahlende Gläubige haben will, muss Kinder prägen!
Mittel für diesen Zweck sind regelmäßige Unterwerfungen und
die ständige Verbreitung der religiösen Glaubensbotschaften
Gruß
Arno Gebauer
A.S. am Permanenter Link
Bei Religion geht es um nur die Macht der Anführer. Sonst nichts. Allenfalls noch Geld, Geld verleiht schließlich ökonomische Macht. Das spirituelle Tamtam und die sozialen Aktivitäten dienen bloß der Tarnung.
Merke: Scharlatane erschleichen sich das Vertrauen ihrer Opfer durch vorgeblich gute, selbstlose Taten. Schlaue Scharlatane lassen ihre Opfer die mühseligen guten Taten vollbringen, zweigen den Ruhm aber für sich selber ab.
Genau wie die Kirchen.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Wer heute noch an einen Imaginären Gott glaubt und diesen um Frieden auf Erden bittet,
ändern.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Die Kirchen stützen sich allein auf die Dummheit ihrer Gläubigen und verbreiten eine Angst, die unmenschlich ist.
Lügen haben kurze Beine, daher tragen auch die Priester lange Gewänder, das das nicht so schnell sichtbar wird. Staatlich anerkannte und geschützte Priester, Lügner!!
Und eine AKK im schwarzen geistigen Gewande beugt sich vor dem Kreuz.