Kommentar

CSU in Sorge um die weltanschauliche Neutralität

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Am Tag seines Inkrafttretens am 1. Juni 2018 protestierten säkulare Aktivisten von Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und Bund für Geistesfreiheit (bfg) vor dem Münchener Rathaus gegen den sogenannten „Kreuzerlass“.
Säkulare Protestaktion vor dem Münchener Rathaus

Die CSU – Sie wissen schon, diese bayerische Splitterpartei, die vor zwei Jahren in allen Behörden Kreuze aufhängen ließ – hat etwas ganz Neues für sich entdeckt: Das Neutralitätsgebot in weltanschaulichen Fragen. Aber nur dann, wenn es darum geht, die eigenen Überzeugungen zu verteidigen – und die sind ja, wie der Parteiname schon sagt, christlich.

Es gibt Dinge, die kann man sich nicht ausdenken. Die neuste Geschichte dieser Kategorie trug sich vorgestern in München zu: Die Stadtregierung unter Führung des SPD-Bürgermeisters Dieter Reiter wollte zum internationalen "Safe Abortion Day" (Internationaler Tag für sichere Schwangerschaftsabbrüche) das Rathaus am Marienplatz lila anstrahlen lassen. Damit sollte einer Tabuisierung entgegengewirkt und zum Ausdruck gebracht werden, dass Frauen, die sich nach fundierter fachlicher Beratung für eine Abtreibung entscheiden, nicht allein gelassen werden dürfen sowie eine bestmögliche medizinische Unterstützung benötigen, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ).

Doch zu der Aktion kam es nicht. Die CSU hatte kurzfristig per Antrag erwirkt, dass die Regierung von Oberbayern zunächst von der Aktion abriet, um sie am Montagabend dann zu untersagen. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass diese optische Form der Solidarisierung keine differenzierte Auseinandersetzung mit den Zielen des Aktionstages ermögliche, zu denen auch eine Streichung des "Abtreibungsparagrafen" 218 aus dem Strafgesetzbuch gehört. Und – Trommelwirbel – die CSU-Fraktion im Stadtrat sieht darin einen Verstoß gegen das Neutralitätsgebot in weltanschaulichen Fragen.

Söder und sein Kreuz
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder demonstriert seine Einstellung zur weltanschaulichen Neutralität, Foto: Facebook

hpd-Leser:innen erinnern sich: Das ist dieselbe Partei, die den bayerischen Ministerpräsidenten stellt, welcher als eine seiner ersten Amtshandlungen verkündete, in allen bayerischen Behörden müsse "als Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten in Bayern und Deutschland" platziert werden. Säkulare Aktivisten von der Giordano-Bruno-Stiftung (gbs) und dem Bund für Geistesfreiheit (bfg) protestierten gegen den sogenannten "Kreuzerlass", die bfgs München und Bayern reichten Klage ein und konnten bereits einen Teilerfolg vor dem Münchener Verwaltungsgericht erringen.

Wie kommen Mitglieder derselben christlichen (!) Partei nun dazu, das Argument ins Feld zu führen, für das sie an anderer Stelle in keiner Weise zugänglich sind? Denn letztendlich zeigt die Partei, die das "C" im Namen führt, ja bereits durch ihre bloße Existenz, was sie von der weltanschaulichen Neutralität des Staates hält. Für die bayerische Splitterpartei scheint das verfassungsrechtliche Gebot nichts weiter zu sein als eine taktische Phrase, die man dann hervorholt, wenn einem sonst nichts mehr einfällt, um die eigenen Positionen zu untermauern – die ja wiederum von christlicher Voreingenommenheit herrühren.

Doch ganz so einfach will das der Münchener Oberbürgermeister nicht auf sich sitzen lassen: Er kündigte rechtliche Schritte an, werde die Entscheidung der oberbayerischen Regierung prüfen und gegebenenfalls gerichtlich als unzulässig erklären lassen, zitiert ihn die SZ. Man darf gespannt sein, wie diese Geschichte weitergeht.

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