BERLIN. (hpd) Mit "Big Family – Die phantastische Reise in die Vergangenheit" hat Michael Schmidt-Salomon ein neues Buch zum Thema "Evolution" vorgelegt. Im Gespräch mit dem hpd erklärt er, wie es dazu kam und warum er es als "Skandal" betrachtet, "dass Kinder mit religiösen Schöpfungsmythen gefüttert, aber über die realen Hintergründe der Entwicklung der Arten im Unklaren belassen werden". Außerdem erläutert er, warum eine "frühzeitige Beschäftigung mit Evolution der Schlüssel für eine erfolgreiche Integrationspolitik sein könnte" und weshalb er die meisten Buchhandlungen nicht betreten kann, ohne dass ein "unwiderstehliches Ekelgefühl" in ihm aufsteigt.
hpd: Herr Schmidt-Salomon, mit “Big Family” haben Sie nach “Susi Neunmalklug erklärt die Evolution” und ihrer Mitarbeit an “Urmel saust durch die Zeit” nun schon das dritte Kinderbuch vorgelegt, das sich mit dem Thema “Evolution” beschäftigt. Was sind die Gründe dafür?
Michael Schmidt-Salomon: Nun, zunächst einmal steht fest, dass die Evolutionstheorie die wichtigste Grundlage des modernen Weltbildes ist. Wer die Prozesse der Evolution nicht begreift, kann kein realistisches Verständnis seiner selbst entwickeln und sich in einer modernen Wissenschaftsgesellschaft nicht zurechtfinden. Deshalb halte ich es für einen ausgesprochenen Skandal, dass Kinder in öffentlichen Schulen mit religiösen Schöpfungsmythen gefüttert, aber über die realen Hintergründe der Entwicklung der Arten im Unklaren belassen werden.
Mit “Susi Neunmalklug” habe ich meiner Verärgerung über diesen Missstand auf satirische Weise Ausdruck gegeben. Nachdem ich das hinter mich gebracht hatte, konnte ich bei “Big Family” einen konstruktiveren Weg einschlagen. In dem neuen Buch ging es mir in erster Linie darum, zu zeigen, wie faszinierend eine evolutionäre Sicht der Welt ist.
In “Big Family” erzählen Sie die Geschichte der Evolution als Familiengeschichte der Leserinnen und Leser, die über ihre Mutter, Großmutter und Urgroßmutter zu ihren Vorfahren zurückreisen – von ihrer “Steinzeit-Oma” zu “Oma Spitzmaus”, von “Oma Echse” über “Oma Fischmaul” bis zu “Omapa Bakteria”, dem Ursprung allen Lebens auf der Erde. Wie kamen Sie auf die Idee?
Schon in den 1990er Jahren habe ich in meinen Vorträgen und Seminaren versucht, die enge Verwandtschaft von Mensch und Schimpanse anhand einer Ahnenkette zu verdeutlichen. Als ich 2011 an “Keine Macht den Doofen” arbeitete, zog ich dieses Gedankenexperiment aus der Schublade, um die groteske Überheblichkeit des “Homo demens” auf den Punkt zu bringen.
Um die Darstellung griffig zu machen, gab ich der letzten gemeinsamen Vorfahrin von Mensch und Schimpanse den Namen “Oma Chimpman”. Aus Platzgründen wurde die “Chimpman”-Passage zwar aus “Keine Macht den Doofen” gestrichen (sie tauchte dann später in abgewandelter Form in “Hoffnung Mensch” wieder auf), aber seither hat mich die Idee gereizt, eine Ahnenkette zu schildern, die nicht nur bis zu “Oma Chimpman”, sondern bis zu den Anfängen des Lebens vor mehr als 3,5 Milliarden reicht.
Das Problem an der Darstellung einer solchen Ahnenkette besteht darin, dass wir nicht genau wissen, welcher Art unsere direkten Vorfahren angehörten…
So ist es. Wir wissen zwar ungefähr, welcher Klasse oder Ordnung unsere Vorfahren zu einem bestimmten Zeitpunkt angehörten, haben aber keine Ahnung, welcher Art sie zuzurechnen waren. Daher muss man schon auf Phantasienamen zurückgreifen, um die Linie unserer direkten Vorfahren eingängig und vor allem kindgerecht zu beschreiben. Nachdem ich das im Fall von “Oma Chimpman” bereits getan hatte, trieb ich das Spiel weiter fort.
Die gemeinsame Vorfahrin aller Trockennasenaffen, zu denen neben uns und den anderen Großen Menschenaffen auch die Gibbons, Paviane, Kapuzineraffen und Koboldmakis gehören, nannte ich “Oma Trockennase”, die gemeinsame Vorfahrin aller Säugetiere “Oma Spitzmaus”. Weiter ging es dann über “Oma Echse”, “Oma Amphibia”, “Oma Fischmaul” und “Oma Schwammkopf” bis hin zu “Omapa Bakteria”.
Warum “Omapa”?
Weil Bakterien kein Geschlecht haben. Sexualität entstand erst vor rund 600 Millionen Jahren. Die längste Zeit kamen die irdischen Lebewesen ohne das aufwändige “Mann-Frau-Spiel” aus, was zweifellos weniger Spaß bedeutete, aber auch weniger Tragödien.
Im Jahr 2012 erschien in Deutschland “Der Zauber der Wirklichkeit” von Richard Dawkins, das streckenweise einen ähnlichen Ansatz wählt wie Sie in “Big Family”. Auch Dawkins verfolgt in einem Kapitel die väterliche Abstammungslinie bis zu den Fischen zurück. War das eine Inspirationsquelle für Sie?
Ja und nein. Die Grundidee von “Big Family” stand zu diesem Zeitpunkt ja schon längst fest, jedoch bestärkte mich Richards Buch darin, das “Big Family”-Projekt zu realisieren.
Weshalb?
“Der Zauber der Wirklichkeit” ist für Jugendliche und Erwachsene geschrieben. Es enthält großartige Illustrationen, aber auch sehr viel Text. Zudem hat Richard die Idee der Ahnenreihe in seinem Buch nur am Rande behandelt, ich hingegen konzentrierte mich voll und ganz auf die Ahnenkette, um mit ihrer Hilfe die große Linie der Evolutionsgeschichte zu schildern.
Bei meinen Recherchen, die ich 2010/2011 für das Evokids-Projekt durchführte, hatte ich den Eindruck gewonnen, dass die meisten Evolutionsbücher für Kinder sich auf irgendwelche Details stürzen, es aber verpassen, die eigentliche Kerngeschichte zum Ausdruck zu bringen. Ich nahm mir daher vor, die Kerngeschichte unserer evolutionären Abstammung mit möglichst wenig Text und möglichst großen Bildern zu erzählen – und zwar in einer Weise, die auch für Grundschulkinder nachvollziehbar ist. Schließlich sollte das Buch auch im Rahmen des Evokids-Projekts Verwendung finden.
War es schwierig die richtige Person für die Illustrationen zu finden?
Oh ja! Als ich den Text für “Big Family” schrieb, hatte ich bereits klare Vorstellungen davon, wie die Zeichnungen und das Buch später einmal aussehen sollten, und deshalb war mir von Anfang an bewusst, dass es nicht leicht sein würde, dafür geeignete Mitstreiter zu finden. Es gibt ja nicht allzu viele Zeichnerinnen und Zeichner, die die Fähigkeiten für ein solches Projekt mitbringen.
Zum Glück lief mir 2014 bei einer Lesung zu “Hoffnung Mensch” Anne-Barbara Kindler über den Weg. Nachdem wir zufällig ins Gespräch gekommen waren, schickte sie mir eine ihrer Zeichnungen zu und mir war sofort klar, dass sie die perfekte Illustratorin für das Buch sein würde. Es hat zwar einige Zeit gebraucht, bis “Big Family” fertig war, aber ich bin sehr froh darüber, dass wir im Produktionsprozess keine faulen Kompromisse eingegangen sind, da das Buch ansonsten längst nicht so gut geworden wäre.
Ist das der Grund dafür, weshalb Sie “Big Family”, im Unterschied zu Ihren anderen Büchern, im Eigenverlag veröffentlicht haben?
Das war einer der Hauptgründe. Wir hatten in unserem Team, zu dem neben Anne-Barbara auch Jörg Salomon gehörte, der für Satz, Layout und Druckabwicklung verantwortlich war, ein sehr klares Konzept der Form, die das Buch haben sollte, und wollten die Kontrolle darüber an keinen Verlag abgeben. Für den Eigenverlag sprach außerdem, dass von vornherein feststand, dass einige Texte und Grafiken aus dem Buch im Rahmen des Evokids-Projekts verwendet werden sollten und die Hälfte des Verlagsgewinns dem Projekt zufließen sollte. Das wäre mit einem normalen Verlag nicht möglich gewesen.
Auf der Basis des Buchs hat Ricarda Hinz einen beeindruckenden 18-minütigen Film für das Evokids-Projekt gedreht…
Ja, und auch das hätte mit einem richtigen Verlag kaum funktioniert. Denn der Film konnte nur unter der Voraussetzung realisiert werden, dass wir unsere Texte und Bilder unentgeltlich zur Verfügung stellten. Die Hauptlast beim Film lag natürlich bei Ricarda, die, wie zuvor Anne-Barbara, eine grandiose Arbeit abgeliefert hat!
Die meisten Leute haben leider überhaupt keine Vorstellung davon, welchen Aufwand man betreiben muss, um einen solchen Film herzustellen. Normalerweise braucht man dafür finanzielle Ressourcen, über die wir bei Weitem nicht verfügen. Umso glücklicher sind wir natürlich, dass Ricarda mit “Big Family”, wie schon zuvor bei der Doku “Hoffnung Mensch” oder bei dem Video “Children of Evolution”, zeigen konnte, dass man auch mit einem schmalen Budget beeindruckende Resultate erzielen kann.
Eine Buch-Produktion im Eigenverlag hat aber auch Nachteile, oder? Wie wir gehört haben, können einige Buchhandlungen “Big Family” nicht liefern …
Das hat mit dem Eigenverlag nur indirekt etwas zu tun. Uns erreichen täglich Bestellungen von Buchhandlungen, die ein oder zwei Exemplare von “Big Family” für ihre Kunden ordern. Allerdings haben wir uns aus prinzipiellen Erwägungen dazu entschlossen, das Buch erst ab einer Mindestbestellmenge von 10 Exemplaren zum Rabatt von 40 Prozent auszuliefern.
Wer weniger bestellen möchte, dem teilen wir mit, dass er sich an unseren Kooperationspartner denkladen.de wenden kann, der “Big Family” an Buchhandlungen zu einem geringeren Kollegenrabatt weitergibt. Damit sind einige Buchhandlungen nicht zufrieden, weshalb sie gegenüber ihren Kunden fälschlicherweise behaupten, das Buch sei nicht lieferbar. Deshalb heißt es auf der Website zum Buch, “Big Family” sei nur bei “guten Buchhändlern und Buchversandhandlungen” erhältlich.
Es ist also ein “Gütesiegel”, wenn eine Buchhandlung das Buch liefern kann?
Ja, so würde ich das sehen. Buchhandlungen, die ihre Kunden anlügen, indem sie behaupten, das Buch sei nicht lieferbar, und sie nicht wenigstens auf die Bestellmöglichkeit bei denkladen.de hinweisen, sind schlechte Buchhandlungen.
Gute Buchhandlungen in größeren Ortschaften schaffen es in der Regel mühelos, zehn Exemplare von “Big Family” so zu platzieren, dass sie sie verkaufen können. Und in solchen Fällen ist es auch völlig in Ordnung, wenn sie 40 Prozent des Verkaufspreises einstreichen. Ich sehe es aber überhaupt nicht ein, warum Buchhandlungen, die das Buch in ihrem Laden nicht auslegen, sondern es nur einkaufen, wenn ein informierter Kunde es zuvor bei ihnen bestellt hat, für die Leistung “Buchauspacken” und “Beim Kunden abkassieren”, sehr viel mehr Geld bekommen sollten als all diejenigen zusammengenommen, die an der Produktion des Buchs aktiv beteiligt waren!
Ich habe wirklich keine Lust, mich an diesem grotesken “Buchhandelswirtschaftssystem”, das mich schon seit einigen Jahren ärgert, zu beteiligen – aber das ist ein Luxus, den ich mir nur als kleiner Selbstverleger erlauben kann. Die allermeisten Verlage stehen unter dem Diktat dieses Systems und müssen sich dem unterordnen, ob sie wollen oder nicht.
Die meisten Leser haben keinen Einblick in das “Buchhandelswirtschaftssystem”, wie Sie das nennen. Könnten Sie uns erläutern, wo Ihrer Meinung nach die Missstände liegen?
Die meisten Menschen gehen davon aus, dass der Hauptanteil des Bucherlöses bei den Autoren und dem Verlag ankommt, aber davon kann gar nicht die Rede sein. Als Autor hat man schon Glück, wenn man 10 Prozent des Ladennettopreises erhält. Hat man noch einen Co-Autor oder eine gleichberechtigte Illustratorin, bleiben bei jedem Einzelnen im Falle eines konventionellen Buchvertrags nur noch 5 Prozent.
Daran sind allerdings nicht die Verlage schuld, denn bei ihnen bleibt letztlich auch nicht sehr viel mehr hängen, wenn man die Kosten für den Druck, das Lektorat, die Werbung, Buchvorschüsse etc. abzieht, die ja nicht in jedem Fall wieder eingespielt werden. Der Hauptanteil des Erlöses am Buchverkauf liegt bei den Buchgroßhändlern sowie den Buchhandlungen, die in der Regel mehr als die Hälfte des Buchpreises abschöpfen.
Wenn man eine Buchhandlung in der Innenstadt sowie einige Angestellte hat, sind damit ja auch einige Kosten verbunden.
Selbstverständlich. Wie gesagt: Ich habe nichts dagegen, wenn Buchhändler, die meine Bücher vorrätig haben, ordentlich an dem Verkauf verdienen. Nur ist das eben sehr selten der Fall. In den meisten Buchhandlungen sind meine Bücher nicht auffindbar, obwohl sie mehr als 200.000mal verkauft wurden.
Das Problem betrifft natürlich nicht nur mich alleine. In den Buchhandlungen sind die Philosophieabteilungen, sofern es sie überhaupt noch gibt, völlig verwaist, stattdessen findet man riesige Berge an esoterischen Ratgebern und sonstiger Bullshit-Literatur vor. Früher habe ich sehr viel Zeit beim Schmökern in Buchhandlungen verbracht und bin dabei immer wieder auf interessante Literatur gestoßen, heute kann ich die meisten Buchhandlungen kaum mehr betreten, ohne dass ein unwiderstehliches Ekelgefühl in mir aufsteigt.
Glauben Sie, dass Sie dagegen etwas ausrichten können, indem Sie Einzelauslieferungen an den Buchhandel unterlassen?
Natürlich nicht. Aber es ist schon eine kleine Befriedigung für mich, zu wissen, dass “Big Family” nicht dazu genutzt werden kann, um Ladenflächen für die Auslage von Esoterik- oder Papsthuldigungsliteratur zu subventionieren. Außerdem freut es mich, dass einige Buchladenkunden durch unsere Verlagspolitik das zugrundeliegende Problem erkennen, wie u.a. ein Beschwerdebrief an Hugendubel zeigt, der im Internet veröffentlicht wurde.
Wichtiger ist aber noch, dass wir durch unsere Verlagspolitik gute Buchhandlungen mit einem aufklärerischen Sortiment unterstützen können, da sie ihren Kunden ein Buch anbieten können, dass es bei den meisten anderen Buchhändlern nicht gibt. Dem für die säkulare Szene wichtigen Buchversand denkladen.de haben wir dadurch ein schönes Weihnachtsgeschäft beschert. Außerdem können von unserer Verlagspolitik auch säkulare Gruppen profitieren, wenn sie Büchertische betreiben. Denn auch sie erhalten das Buch zum Rabatt von 40 Prozent und verdienen somit mehr als 6 Euro pro verkauftem Exemplar.
Kommen wir zurück zum Thema “Evolution”. Vor kurzem erklärten Sie das besondere Engagement der Giordano-Bruno-Stiftung auf diesem Gebiet damit, dass eine frühzeitige Beschäftigung mit evolutionären Prozessen nicht nur bildungspolitisch, sondern auch integrationspolitisch von Bedeutung sei.
Richtig. Wir meinen, dass eine frühzeitige Beschäftigung mit Evolution der Schlüssel für eine erfolgreiche Integrationspolitik sein könnte. Denn wer die Prozesse der Evolution versteht, der begreift auch, dass “Religionen”, “Nationen”, “Völker” letztlich nur soziale Konstrukte sind, die eine für unser Zusammenleben bedeutsame Tatsache häufig verdecken, nämlich, dass uns Menschen untereinander sehr viel mehr verbindet als trennt. Zudem vermittelt uns die Evolutionstheorie die faszinierende Erkenntnis, dass wir zusammen mit allen anderen Lebewesen auf der Erde eine einzigartige große Familie, eine “Big Family”, bilden, deren Entstehungsgeschichte wir bis zu den ersten Einzellern vor mehr als 3,5 Milliarden Jahren zurückverfolgen können.
Wer diese große Geschichte des Lebens im Kopf hat, wird mit den engen, hinterwäldlerischen Vorstellungen von Nationalisten, Ethnozentristen oder religiösen Fundamentalisten nichts mehr anfangen können. Gerade für Migrantenkinder, die häufig aus Gegenden stammen, in denen die Evolutionstheorie rigoros abgelehnt wird, ist es daher wichtig, dass sie möglichst frühzeitig Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen erhalten.
Müssten der “Big Family”-Film und das Buch dafür nicht in andere Sprachen übersetzt werden? Viele Flüchtlings- und Migrantenkinder werden mit einem Buch in deutscher Sprache nicht allzu viel anfangen können…
Natürlich. Deshalb hat es mich auch sehr gefreut, als wir vor einigen Tagen die Anfrage für eine arabische Übersetzung von “Big Family” erhielten. Arabische Exemplare des Buchs sollen im Libanon und in Deutschland an syrische Flüchtlingskinder verteilt werden. Zudem planen wir Übersetzungen ins Englische und Türkische.
Muss man bei einer arabischen Übersetzung nicht unweigerlich mit Konflikten rechnen?
Konflikte kann man nicht ausschließen, da die Evolutionstheorie in weiten Teilen der arabischen Welt abgelehnt wird. Allerdings hat “Big Family” den Vorteil, dass wir in dieser Geschichte das Thema “Religion” überhaupt nicht berühren.
Was die Akzeptanz biologischer Fakten für den religiösen Glauben bedeutet, muss jeder Gläubige für sich selbst entscheiden. Immerhin behaupten ja die Theologen aller Konfessionen, auch der Sunniten und Schiiten, dass ihr Glaube mit der Vernunft zu vereinbaren sei.
Steht denn die Evolutionslehre nicht notwendigerweise im Widerspruch zum religiösen Glauben?
Die Evolutionstheorie steht selbstverständlich im Widerspruch zu überholten Formen des Glaubens, die auf der wörtlichen Auslegung “Heiliger Texte” beruhen, aber es ist durchaus möglich, theologische Konzepte zu formulieren, die mit unserem Wissen über die Welt kompatibel sind. Wie viel bei einer solchen theologischen Generalüberholung von der eigentlichen Glaubenssubstanz erhalten bleibt, ist natürlich eine schwierige Frage. Zum Glück muss ich sie als konfessionsfreier Mensch nicht beantworten. Mit diesem Problem müssen sich die Kolleginnen und Kollegen aus der Theologie herumschlagen – eine Aufgabe, um die ich sie wirklich nicht beneide…
Herr Schmidt-Salomon, herzlichen Dank für das Gespräch!
25 Kommentare
Kommentare
malte am Permanenter Link
"Denn wer die Prozesse der Evolution versteht, der begreift auch, dass “Religionen”, “Nationen”, “Völker” letztlich nur soziale Konstrukte sind."
Den Zusammenhang verstehe ich nicht. Wieso sollte sich die Erkenntnis, dass es sich bei diesen Phänomenen um soziale Konstrukte handelt, ausgerechnet aus der Evolutionstheorie ableiten lassen? So eine Aussage zeigt doch wieder nur, dass sich die Evolutionstheorie wunderbar als Projektionsfläche eignet: Jeder findet dort scheinbar seine eigene Weltsicht wieder. Es gibt auch Leute, die meinen, aus der Evolutionstheorie eine völkische Ideologie ableiten zu können - also das genaue Gegenteil.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Wer begriffen hat, dass er über die Evolution mit allem Leben auf der Erde (und materiell sogar mit dem gesamten Universum = wir sind Sternenstaub) verbunden ist, kann sich nicht gleichzeitig mit völkischen oder relig
Religionen oder politische Strömungen, die die Evolution vollumfänglich als Tatsache akzeptieren - oder sogar als Theorie - können per definitionem nicht mehr dem intoleranten Ingroup-Outgroup-Denken verhaftet sein.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Kammermeier!
Man kann - so, wie Sie das offenbar praktizieren - sich selbst als Teil der Evolution sehen, die immer wachsender Komplexität zustrebt. Das ist schön.
Ihre Darstellung im zweiten Absatz ist mehr Wunschdenken als Tatsache. Genausogut könnte ein Christ (wie ich) sagen: "Wer an einen einzigen Schöpfergott glaubt, der alles in der Welt und auch mich selbst geschaffen hat, kann per definitionem nicht mehr dem intoleranten Ingroup-Outgroup-Denken verhaftet sein." Das wäre schön. Aber die Geschichte beweist das Gegenteil. Und mit der Evolution ist es genauso. Sie wurde und wird z.B. von Rassisten missbraucht.
Ich persönlich glaube, dass ein Mensch, der voller Hass ist, sich weder von einer Glaubens- noch von einer Evolutionslehre ändern lässt, sondern nur von liebevollen Erfahrungen. Daran können alle Menschen guten Willens arbeiten, unabhängig von Ideologie oder wissenschaftlicher Kenntnis.
Mit freundlichen Grüßen!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Wer an einen einzigen Schöpfergott glaubt, der alles in der Welt und auch mich selbst geschaffen hat, kann per definitionem nicht mehr dem intoleranten Ingroup-Outgroup-Denken verhaftet sein."
Ja, das wäre in der Tat schön. Millionen durch Religionen Umgebrachte wäre froh gewesen, wenn die Schwerter oder Krummsäbel schwingenden Monotheismus-Verbreiter es so gesehen - und gelebt! - hätten.
Nur sieht dies leider bis heute niemand so auf Seiten der Monotheismen. Unabhängig davon, dass es sich bei Religionen um Lügenkonstrukte handelt, die einen ganz anderen Zweck verfolgen, als den Menschen spirituell zu erbauen. Deshalb MUSS "Gott" der Intoleranz verhaftet bleiben, weil eine Religion ohne intoleranten "Gott" einfach keinen Sinn für die Religionsbetreiber auf der Erde macht.
Es muss schließlich irgendwie erklärt werden, warum nicht jeder Mensch seit Anbeginn der Zeit von diesem tollen "Gott" je hörte. Da er anfangs mit den Menschen in seinem Paradies in einer Art Transzendenz-WG lebte, muss es irgendwann eine Entfremdung gegeben haben, die religiöse als Sünde (= Gottesferne) definiert wird. Aber diese Entfremdung hat "Gott" selbst provoziert, in dem er dem Menschen die verbotene Frucht direkt vor die Nase gesetzt hat. Das wäre heute die Verleitung zu einer Straftat. "Gott" selbst hat sich nach heutigem Rechtsverständnis also strafbar gemacht, aber nur die Menschen werden aus dem Paradies vertrieben. Kein Richter über "Gott" verurteilt ihn zu Buße oder Reue. Im Gegenteil: Später reut es ihn den Menschen erschaffen zu haben und er begeht die nächsten Straftaten.
In einer evolutionär entstandenen Welt wäre "Gott" verurteilt oder gar für seine Gräuel (denn tatsächlich ist dieser "Gott" dem Menschen ein Gräuel, nicht umgekehrt) auf alttestamentliche Weise vernichtet worden.
Doch da sich die Religionen ihre eigene Wirklichkeit fabuliert haben, ist "Gott" ewig und unantastbar, sogar allbarmherzig, egal welche Scheiße er baut. Und Universum, Erde, Tiere und Menschen sind sein Eigentum, fein säuberlich getrennt, so dass es geborene Sklaven gibt (die Nachfahren von Ham, weil der seinen Vater besoffen und nackt auf dem Bett gesehen hat) und ein geborenes auserwähltes Volk als Gegenstück. Dieser Gedanke bestimmt noch heute Israels Politik. Auch Heiden wurden von ihm erschaffen, um die Gläubigen zu prüfen.
"Gott" ist nach heutigem Verständnis (d.h. aus seinen "heiligen" Schriften zu ersehen) ein Rassist. Und wer einem Rassisten nacheifert kann kein Antirassist sein - oder er hat die frohe Botschaft nicht verstanden...
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Kammermeier!
Zum "Rassistischen Gott": Ich empfehle Ihrem Interese das Buch Ruth (von mir aus auch die Inhaltsangabe in Wikipedia). Es spricht ehrlicherweise den verbreiteten Rassismus im damaligen Israel an - endet aber damit, dass eine Moabiterin zur Urgroßmutter König Davids und zum Vorbild für die Israeliten wird.
Zu "Frohe Botschaft nicht verstanden": Die kulturelle Leistung der Bibel liegt u.a. darin, dass Rache (inkl. Blutrache) und Krieg in Gottes Hände gelegt wird. V.a. die Psalmen sind voll davon. Gott zur Rache aufzurufen ist besser, als sie selbst zu üben. Später (bis heute) übernehmen staatliche Gerichte diese Aufgabe.
Zu "Religionsverbreiter brauchen einen intoleranten Gott": Mit einer einzigen Ausnahme wurde mir bei Gesprächen mit Imamen, Pastoren etc. noch nie mit göttlicher Strafe gedroht. Da ist die Evolution viel intoleranter, weil nämlich die Natur keine Fehler verzeiht. Menschen mit Erbkrankheiten zu unterstützen, ist z.B. höchst widernatürlich - wie will ein Darwinist hier für Nächstenliebe argumentieren? Einem Christen fällt das leicht.
malte am Permanenter Link
Mit der Evolutionstheorie kann man weder FÜR die Unterstützung von Menschen mit Erbkrankheiten argumentieren, noch DAGEGEN.
Herr Schmidt-Salomon und Herr Kammermeier scheinen zu glauben, durch die Evolutionstheorie werde man automatisch zum guten Menschen. Sie scheinen zu glauben, sie führe automatisch zum Sozialdarwinismus. Beides ist falsch.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. malte!
Danke für Ihren sehr ausgewogenen Kommentar!
Es freut mich, wenn Herr Schmidt-Salomon die Evolutionstheorie als Anleitung zum friedlichen Miteinander begreift; ein friedlicher Evulotionist (und in seinem Fall Atheist) ist mir allemal lieber als ein christlicher Kriegshetzer. Und es steht mir nicht zu, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln.
Mir wäre nur lieb, wenn Gesprächspartner wie Herr Kammermeier mir und meinen Mitbrüdern und -schwestern auch weder Mangel an guter Absicht noch mangelnde Kenntnis meiner eigenen Religion unterstellte.
Mit freundlichen Grüßen!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Lieber Herr Schönecker,
ich verallgemeinere in keiner Weise so, wie Sie es (leider) tun.
"Mir wäre nur lieb, wenn Gesprächspartner wie Herr Kammermeier mir und meinen Mitbrüdern und -schwestern auch weder Mangel an guter Absicht noch mangelnde Kenntnis meiner eigenen Religion unterstellte."
Da ich Sie persönlich nicht kenne, wage ich kein Urteil über Ihre innere Einstellung zum Christentum. Im Gegensatz zu mir scheinen Sie aber alle ihre "Mitbrüder und -schwestern" zu kennen. Ich unterstelle hingegen niemandem etwas - nichts Gutes und nichts Schlechtes.
Ich gehe von der Ideologie aus, die Sie "Christentum" nennen. Diese Ideologie basiert auf einem uralten Buch, das in bestimmter Absicht geschrieben wurde. Das Christentum hat also zum einen das Buch zur Selbstlegitimierung hervorgebracht, bzw. verändert, uminterpretiert, verfälscht, zum anderen ist die Uridee ein geistiger Ausfluss aus der Zeit des babylonischen Exils - und genau für diese Zeit wurde der Tanach geschrieben, für die damalige politische Situation. Dass hierbei ein kruder Mix aus volkstümlich tradierten Gottesbildern zu einem Einheitsgott zusammengerührt wurde, um dem politischen Vorhaben Nachdruck und "Glaubwürdigkeit" zu verleihen, ist in einer magischen, geistergläubigen Welt nachvollziehbar und alternativlos.
Die Erfinder des Monotheismus sind also gewissermaßen entschuldigt, weil sie einem Irrtum aufgesessen sind, der in der damaligen Zeit nicht ohne Weiteres korrigiert werden konnte.
Doch dieser Irrtum ist längst aufgeklärt. Unsere stetig wachsende Kenntnis über den Aufbau des Universums und seine inneren Kräfte hat alle Mythen, die man sich vor 2.600 Jahren noch über eine transzendente Welt zuraunen durfte, erfolgreich widerlegt.
Wer also heute noch die Mythen als wahre Geschichten verkauft, wer heute noch seinen Mitmenschen einzureden versucht, es gäbe so etwas wie einen abrahamitischen "Gott", der - ich muss es so hart ausdrücken - lügt.
Da ich bei den Betreibern der monotheistischen Ideologie kaum den Willen zur Umkehr erkennen kann, muss deren falsche Ideologie mit den Mitteln der Aufklärung bekämpft werden. Alles andere wäre unterlassene Hilfeleistung an den ahnungslos der Ideologie ausgelieferten Mitbürgern.
Das hat nicht das Mindeste mit der jeweiligen persönlichen Ansicht der Kleriker zu tun. Ich nehme sofort an, dass es viele gläubige Menschen - auch in kirchlichen Diensten - gibt, die wirklich aufrichtig um Verbesserung der Welt oder der Lebensumstände ihrer Mitmenschen bemüht sind. Doch das hat nichts mit der Ideologie Christentum oder Monotheismus zu tun, denn das machen auch positive Atheisten so. Die einzigen, die gerade Atheisten immer wieder unterstellen, sie seien Sozialdarwinisten ohne Werte, sind ja gerade ach so barmherzige Gläubige.
Ich greife also keine Menschen an oder deren positives Wirken, sondern ausschließlich die falsche Ideologie, die heute nachweisbar auf einer Lüge basiert. Wer vom Steuerzahler dafür Geld verlangt, dass er eine Lüge verbreitet, hat mit meinem Widerstand zu rechnen. Denn man kann auch gut zu seinen Mitmenschen sein, ohne sich einer Lüge zu bedienen. Atheisten ohne staatliche Alimentierung schaffen das auch...
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Herr Schmidt-Salomon und Herr Kammermeier scheinen zu glauben, durch die Evolutionstheorie werde man automatisch zum guten Menschen."
Ich kann nur für mich sprechen: Durch eine Theorie wird man zunächst gar nichts. Durch die Evolution sind wir das geworden, was wir sind: Gute und weniger gute Menschen (aus subjektiver Sicht!). Die Evolution lässt uns Fähigkeiten, die im Sinne des Überlebens notwendig sind. Leider gehört dazu auch das Ausmerzen von Konkurrenten.
Doch die Zivilisation hat dies überwunden und uns gezeigt, dass zusammenarbeiten effektiver ist, als gegeneinander zu arbeiten. Hier zeigt sich also der evolutionäre Vorteil unseres Großhirns, denn den Konkurrenten auszurotten ist Kennzeichen primitiver Lebensweisen.
Da die Moral Letzteres zulässt und die Ethik hingegen ganz klar verbietet, ist jedes ethische Konzept jedem moralischen Konzept überlegen. Erst durch die Akzeptanz der Ethik können wir also (mithilfe der Evolution) tatsächlich zu besseren Menschen werden. Wobei wir die negativen Anteile in uns weitertragen und auch vererben. Es bleibt ein dauernder Kampf um ethische Vernunft, bei dem Moral hinderlich ist.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Kammermeier!
Sie schreiben: "den Konkurrenten auszurotten ist Kennzeichen primitiver Lebensweisen".
Wenn Sie "primitiv" in diesem Zusammenhang ausschließlich auf das Großhirn beziehen, dann sei mir die Frage gestatten, woher Sie die Auffassung beziehen, dass aggressiv-kriegerische Völker wie Skythen oder Maori ein weniger entwickeltes Großhirn hatten als kooperierende Völker wie die Tahitianer.
Wir sind uns einig darin, dass Solidarität, Zusammenarbeit und auch Toleranz nicht Produkte der Evolutionstheorie sind, sondern der Zivilisation.
Ihre Unterscheidung zwischen Moral und Ethik kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich vermute, sie verwenden "Moral" für religiös begründete Normen und "Ethik" für anders (vorwiegend aus der Vernunft) begründete Normen. Die Jahre nach der Französischen Revolution zeigen jedenfalls, dass die Vernunft als (offizieller) Maßstab keineswegs vor Greueltaten, vor Lynchjustiz, Angriffskrieg und Verfolgung Andersdenkender schützt.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Sie wissen vermutlich schon, dass ich mit "primitiver Lebensweise" nicht auf das Tierreich abhob. Wobei natürlich der Grad der Skrupellosigkeit mit dem Abstieg auf der evolutionären Leiter schon zunimmt.
"Wir sind uns einig darin, dass Solidarität, Zusammenarbeit und auch Toleranz nicht Produkte der Evolutionstheorie sind, sondern der Zivilisation."
Auch Ihnen muss ich mitteilen, dass die Evolutionstheorie gar nichts bewirkt (außer gläubige Geister in heillose Konfusion zu versetzen), sondern die Evolution. Und bei ihrer Aussage sind wir uns mitnichten einig. Es gibt jede Menge Tierarten, die zusammenarbeiten. Selbst Fischschwärme tun dies.
Alle diese positiven Effekte sind aus dem Grund entstanden, dass Zusammenarbeit für die Arterhaltung förderlicher ist, als Einzelgängertum. Das haben wir natürlich der Evolution zu verdanken, deshalb ist auch die Nächstenliebe ausschließlich ein Produkt der Evolution.
"Ihre Unterscheidung zwischen Moral und Ethik kann ich nicht ganz nachvollziehen. Ich vermute, sie verwenden "Moral" für religiös begründete Normen und "Ethik" für anders (vorwiegend aus der Vernunft) begründete Normen."
Moral ist für mich in Teilen sogar unethisch. Ich gebe Ihnen zum Verständnis ein Beispiel: Masturbation gilt (im religiösen Kontext) als unmoralisch. Dabei schadet sie niemandem. Nur ein imaginierter "Gott", der offenbar auch voyeuristisch veranlagt zu sein scheint, könnte sich daran stoßen. Warum er dies tut, ist völlig unerheblich. Unlogisch ist es in jedem Fall, weil er - seine Schöpferfunktion vorausgesetzt - genau die Fähigkeit zum Lustempfinden bei der Masturbation dem Menschen ja angeknetet hat.
Masturbation ist jedoch keinesfalls unethisch, denn durch sie wird niemand geschädigt.
Ethik ist also etwas Evolutionäres. Sie entwickelt sich weiter mit dem Fortschritt unserer Erkenntnis. Wenn es z.B. gestern als moralisch gut empfunden wurde, seine Kinder oder Frauen zu züchtigen - weshalb diese drakonischen Strafen (Ruten oder sogar Steinigungen) in allen "heiligen" Schriften als Gottesauftrag fixiert sind (siehe z.B. die Zwölf Stämme), dann wissen wir heute, dass dies schon immer falsch war, weil schwarze Pädagogik (zu der praktisch alle religiösen Strafen oder Riten zählen) den heranwachsenden Menschen nur gefügig, aber nicht frei und verantwortlich macht. Warum sich Gläubige nie darüber beschweren, dass ausgerechnet die viel gepriesene Nächstenliebe nicht auf Kinder und Frauen ausgeweitet wurde, bleibt deren Geheimnis.
"Die Jahre nach der Französischen Revolution zeigen jedenfalls, dass die Vernunft als (offizieller) Maßstab keineswegs vor Greueltaten, vor Lynchjustiz, Angriffskrieg und Verfolgung Andersdenkender schützt."
Was hat es mit Ethik oder Vernunft zu tun, wenn Idioten glauben die alte Landnahmepolitik fortzusetzen? Oder die Ehefrau umzubringen, weil sie einen anderen hat? Wobei sich historisch zeigt, dass die Religion (speziell der Katholizismus im 19. und 20. Jh.) ihren Teil zur Befeuerung dieser Angriffskriege und Verfolgung Andersdenkender beigetragen hat.
Ich empfehle hier als Literatur: Karlheinz Deschner, Die Politik der Päpste, 2013, im Alibri-Verlag. Dort finden Sie auf 1.200 Seiten mit fast 5.000 Belegstellen alles Wissenswerte über die Art, wie sich die Päpste des 19., 20. und Anfang des 21. Jh. mit aggressiver Politik "arrangiert" haben. Sehr lesenswert!
Sie haben ein zentrales Problem: Sie teilen die Welt in zwei Teile, wie dies die Monotheismen seit ihrer Erfindung tun. Es gibt Dinge (auch Menschen), die einem gefallen oder in den Kram passen und dann gibt es die andere Seite, die einem weniger bis gar nicht behagt. Erstere Abteilung wird der Religion (oder "Gott") gutgeschrieben (deswegen ist auch die Nächstenliebe erst durch Jesus erfunden worden), während die andere Abteilung dem Teufel oder der Vernunft zugeschrieben wird. Wahlweise gelten z.B. im Islam schlechte Regeln als "kulturell", während alles was gefällt "religiös" zu sein hat. Das ist natürlich sehr bequem, spiegelt jedoch in keinem Fall die Wirklichkeit und ist vor allem überhaupt nicht hilfreich, mit den ballaststoffreichen Religionen klarzukommen.
Sie verstehen nicht, wie beleidigend es auf Atheisten wirkt, wenn sie quasi als "Geschöpfe" vereinnahmt werden, wenn deren Kindern "religiöse Grammatik" beigebracht werden soll, wenn mir Kleriker weißzumachen versuchen, mir würde ohne "Gott" etwas fehlen im Leben und im Grunde sei ich ja auf der Suche nach "Gott". Sie verstehe das nicht, weil Sie es für etwas Gutes halten, seine Mitmenschen mit dem religiösen Quatsch zu behelligen. Da lobe ich doch die Zeugen Jehovas. Denen kann man wenigstens noch die Tür vor der Nase zuknallen. Aber Glockengeläut oder verbale Papstabsonderungen in der Tagesschau sind da schwerer vermeidbar.
Glauben Sie mir: Ich habe viele Jahre lang alle Weltreligionen und deren Vorläufer ausgiebig studiert. Ich will, dass dieser Unsinn weder unser Alltagsleben noch gar unsere Politik beeinflusst. RELIGION IST LÜGE!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Die kulturelle Leistung der Bibel liegt u.a. darin, dass Rache (inkl. Blutrache) und Krieg in Gottes Hände gelegt wird."
Falls ein "Gott" existieren würde und dieser "Gott" tatsächlich gute Absichten hegen würde und dieser "Gott" tatsächlich seine guten Absichten in die Tat umsetzen würde, dann wäre ich ganz bei Ihrer persönlichen Interpretation der Bibel.
Doch zum einen wissen wir gar nicht, welcher "Gott" in der Bibel vorkommt (es ist definitiv ein Konglomerat diverser Gottesbilder); allein die unterschiedlichen Interpretationen der Hochreligionen beweisen dies. Zum anderen ist überhaupt nicht klar, ob dieser "Gott" überhaupt existiert. Und dann kann über seine angeblich guten Absicht gar nichts ausgesagt werden. Er selbst - so er existiert - schweigt beharrlich.
Daraus entsteht die Gefahr der Religionen: Jetzt fühlt sich sein "Bodenpersonal" aufgerufen, den angeblichen Willen eines angeblichen "Gottes" umzusetzen. Die Folgen sind endlose Religionskriege, die alle IM NAMEN GOTTES geführt wurden und werden. Niemals in der Geschichte der Menschheit (seit Erfindung des Monotheismus) überließen Gläubige ihrem "Gott" das Kriegsführen oder die Rache.
Es ist also letztlich unerheblich, ob Ihre persönliche Interpretation richtig ist, mir reichen die Millionen anderer Gläubiger, die das (nach deren Meinung ebenfalls zu Recht) anders sehen, um zu erkennen, dass Religionen schädlich sind.
Rainer Bolz am Permanenter Link
S.g. Herr Schönecker,
Moralisch, wie juristisch, kommt diese Handlungsweise aus Religioskreisen unterlassener Hilfestellung gleich!!
Zustimmung an Bernd Kammermeier, - Religion ist in weiten Bereichen bis heute schädlich.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Bolz!
Vorsicht ist nicht immer ein Deckmantel. Manchmal ist sie einfach nur Vorsicht.
Eine Abtreibungsdebatte möchte ich hier nicht führen, also beschränken wir uns auf den Fall, dass einer PID eine Behandlung folgt.
Noch vor 20 Jahren war meines Wissens der Stand der Dinge dieser: Die Gefahr, dass bei der PID ein gesunder Embryo verletzt und dauerhaft geschädigt wird, ist größer als die Wahrscheinlichkeit, dass er vorher schon behindert war. Jeder Versicherungsmathematiker würde bei so einer Vorgehensweise die Hände über dem Kopf zusammenschlagen - jedenfalls, wenn man dem Embryo einen hohen Wert beimisst.
Aus meiner Sicht spricht gegen PID überhaupt nichts, wenn:
) sie verlässlich ist
) sie den Embryo nicht gefährdet
) sie im Fall einer diagnostizierten Behinderung zu einer Therapie und nicht zu einer Abtreibung führt
Um so weit zu kommen, wird noch viel Forschung nötig sein, die ich sehr befürworte.
Little Louis am Permanenter Link
@ bernd kammermeier
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
@ Little Louis
Ich verstehe mich als Aufklärer. Und ein Aufklärer ist irgendwo auch ein Lehrer. Warum sollte ich mit meinen Schülern ungeduldig werden? Ein gläubiger Mensch ist oft unverschuldet auf das falsche Gleis geraten und nun misstraut er den Hinweisschildern, dass dies das Gleis nach Nirgendwo ist, sondern er fährt im vollstem Gottvertrauen weiter und weiter.
Warum sollte ich diesen Verirrten nicht zurufen, dass es einen Ausweg gibt, der ihnen mehr hilft, als auf das Paradies im südlichen Teil des dritten Himmels Shehaqim zu hoffen? Wäre das nicht unterlassene Hilfeleistung, sie sehenden Auges durch den Weihrauchnebel irren zu lassen?
Ich glaube an die grundsätzliche Lernfähigkeit jedes Menschen. Und ich werde niemals aufgeben - freundlich, sachlich und den Menschen zugewandt. Das ist meine humanistische Nächstenliebe. Mehr als das: Es ist meine Universumsliebe, denn ich finde es toll, hier sein zu dürfen.
Hier in einem unvorstellbar großen und alten Kosmos, der selbst völlig unbedeutende Planetchen und noch unbedeutendere Bewohnerchen dieser Planetchen staunen, träumen und sich am Wunder einer einfachen Schneeflocke (wenn noch mal welche kommen) erfreuen lässt.
C.Scherg am Permanenter Link
Bernd Kammermeier:
"Wer begriffen hat, dass er über die Evolution...
..."
Wenn schon an MSS orientieren, Bernd, dann richtig und vollständig, er schreibt nämlich betont differenzierend Folgendes:
:
"Wer diese unendlichen Dimensionen nicht nur INTELLEKTUELL BEGRIFFEN hat, sondern auch die Tiefe und Erhabenheit SPÜRT, die in dieser Weltsicht liegt, der entwickelt eine besondere Form von „Religiosität“, die mit den traditionellen Religionen schwerlich in Einklang zu bringen ist."
...
Es geht also keineswegs um ein Entweder-Oder! Sondern gerade seit Beginn der Evolution und mit der Entstehung des Lebens und des menschlichen Bewusstseins um ein andauernd konfliktträchtiges Sowohl - Als auch: SOWOHL rationales Begreifen des ständig fortschreitenden Prozesses der Ausdifferenzierung und Individualsierung über Gruppen hin zum freien Individuum, ALS AUCH um ein SPÜREN der Zusammengehörigkeit mit Allem im Universum im Sinne einer besonderen Form von "Religiosität".
Du weiß ja: "das Rationale wird mystisch" und "das Mystische rational". Hoffentlich! ;-)
Little Louis am Permanenter Link
Zu:C.Scherg und:
".. ALS AUCH um ein SPÜREN der Zusammengehörigkeit mit Allem im Universum im Sinne einer besonderen Form von "Religiosität". (Zitatende).
Ich glaube nicht,dass MSS ein Pantheist ist, auch wenn ich noch nicht alles von ihm gelesen habe.
David am Permanenter Link
Nun, das könnte man auch anders deuten. Wenn man unter Evolution u.a.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Vielen Dank für das sehr informative Gespräch mit MSS. Vielen Dank an MSS für sein Engagement.
"Wie viel bei einer solchen theologischen Generalüberholung von der eigentlichen Glaubenssubstanz erhalten bleibt, ist natürlich eine schwierige Frage."
Eigentlich ist die Antwort recht simpel: Nichts!
Die notwendige Basis des Monotheismus (und nur auf den bezieht es sich schwerpunktmäßig) ist die "Tatsache", dass ein "Gott" das Universum, die Erde, alles Leben und schlussendlich den Menschen geschaffen habe.
Wäre dies nicht der Fall, dann müsste es von einem (größeren?) "Gott" oder "Obergott" erschaffen worden sein - wie das in polytheistischen Glaubenssystemen behauptet wurde. Wäre also der abrahamitische "Gott" nicht der allmächtige, allwissende Schöpfer von ALLEM, dann gäbe es zwangsläufig andere "Götter", die daran zumindest mitgewirkt haben. Das würde die Idee des Monotheismus vollkommen ad absurdum führen.
Dieser dann übrigbleibende "nichteinzige Nichtschöpfergott" hätte keine Wirkmächtigkeit, ein Volk auszuerwählen und über alle anderen Völker zu setzen sowie diesem Volk ein ganzes Land zu schenken. Später hätte dieser "Nichtschöpfergott" keinen Anspruch auf die absolute Wahrheit sowie einen weltweiten (universumweiten?) Missionsauftrag zu vergeben.
Er hätte keine Autorität wenn es um das Jüngste Gericht geht ("Gott" als oberster Richter), somit keine Möglichkeit, die "Guten" ins Paradies und die "Bösen" in die Hölle einzulassen, bzw. zu schicken.
Ohne "Schöpfergott" würden sämtliche Mythen und Dogmen aller Monotheismen obsolet - deshalb darf es keine Evolution ohne "intelligent design" gegeben haben. Zumindest ein Schlupfloch für "Gott" muss hier aus theologischen Gründen offengehalten werden, eine der berühmten Nischen, in denen sich "Gott" im Zeitalter der Empirie zu verstecken sucht.
Sollten die Monotheismen zu einer derartigen Radikalreform fähig sein, dass sie wahrhaftig annehmen, weder bei der Entstehung des Universums noch schlussendlich des Menschen habe irgendeine "sinnstiftende" Macht mitgewirkt? Schließlich würde das den Jenseitsglauben abgrundtief vernichten (im Wesentlichen, weil "Gott" nun kein oberster Richter mehr sein kann), es würde "Gott" als einzigen möglichen Ansprechpartner im transzendenten Raum diskreditieren und natürlich das Abhängigkeitsverhältnis zwischen "Gott" und Mensch nachhaltig zerstören.
Schließlich muss ein gottunabhängiger Mensch keine Riten mehr befolgen, um diesem keine Macht mehr über ihn entfaltenden "Gott" zu huldigen. Gottesdienste wären vom Wortsinn her obsolet und damit auch der Priester als Mittler zwischen "Gott" und Mensch.
Hand aufs Herz: Was bliebe übrig von den Monotheismen, wenn es wirklich und wahrhaftig eine Evolution gegeben hätte? Deshalb gibt es aus religiöser Sicht nichts, was nicht sein darf. Was letztlich das gute Geschäft mit den dummen Schäfchen zunichte machen würde.
Dass "Gott" selbst das Produkt einer Evolution ist (nächstes Jahr erscheint ein Buch von mir zu dem Thema), müsste Theologen in den Wahnsinn treiben. Aber ich anerkenne neidlos, dass sie ihre Lügen sehr lange - wenn auch oft mit Gewalt - am Leben erhalten haben. Doch jetzt sind wir - so denke ich - reif für die Wirklichkeit...
Noncredist am Permanenter Link
>> Sollten die Monotheismen zu einer derartigen Radikalreform fähig sein, dass sie wahrhaftig annehmen, weder bei der Entstehung des Universums noch schlussendlich des Menschen habe irgendeine "sinnstiftend
Diesen Tag würde ich liebend gerne erleben, doch leider bin ich nicht unsterblich ;)
Unser modernes Weltbild braucht meiner Meinung nach gar mehr solcher Bücher über die Grundlagen, wie sie MSS hier darlegt. Und sie müssten am besten allesamt "gratis" in Schulen, in den Medien und in privaten Haushalten besprochen und behandelt werden. Weshalb wir uns noch immer an Geschichten halten, die Steinigungen, Sklavenhaltung, Diskriminierung von Minderheiten bis hin zur Ausrottung von Mitmenschen und ewiges Leid als "göttlich notwendig"(!") dem Leser näher bringt, bleibt für mich ein Rätsel. Im Allgemeinem werden solche Geschichten in Horrorfilmen verarbeitet und den Kindern zu ihrem Schutze vorenthalten. Sie als "frohe Botschaften" zu verkünden, muss wohl eine besondere Eigenart des christlichen Humors sein ;)
Little Louis am Permanenter Link
Zu:
Sie sitzen selbst einer Propagandabehauptung auf: Denn "wir" halten uns doch gar nicht wirklich daran. das Einzige was wir wirklich tun, ist doch SO ZU TUN, als würden "wir " uns daran halten.
Deswegen weist B. Kammermeier ja immer wieder darauf hin, dass die Buchtexte zu großen Teilen eine massenpsychologische "Herrschaftsfunktion" haben.
Denn allzuviel pedantisch- ausziselierte Theologie ist dem Vatikan doch eher hinderlich. (-: Das lockt doch auch nur wieder das Gift der Vernunft und den schwefelgeruch des Zweifels aufs Tablett.
Little Louis am Permanenter Link
@ B.K. und:
"..Dass "Gott" selbst das Produkt einer Evolution ist (nächstes Jahr erscheint (Zitatende)ein Buch von mir zu dem Thema), müsste Theologen in den Wahnsinn treiben.
Schon K.R. Popper (und andere vor ihm) hat auf die Sinnlosigkeit des "Unendlichen Regresses" hingewiesen. Deswegen ziehen Theologen ja ganz einfach einen UNVERURSACHTEN Verursacher (Schöpfer) aus dem (Zauber-) Hut.
DerTheoretiker am Permanenter Link
Da dieses Thema immerhin erheblichen Raum im Interview einnimmt, und ich - als Nichtautor - keine Kenntnisse über das “Buchhandelswirtschaftssystem” habe, mal eine Beobachtung zum Thema Buchläden, insbesondere online
Eine Suche nach "big family" ergab folgendes:
1) Die Plattformen 'buch.de', 'buecher.de', 'weltbild.de' sowie 'thalia.de' listen das Buch überhaupt nicht.
2) Bei 'amazon.de' erscheint es - ohne Preisangabe - als "Derzeit nicht verfügbar".
3) Bei 'buchhandel.de' und bei 'denkladen.de' habe ich es zum Preis von 16,90€ gefunden. Bei 'buchhandel.de' waren die Versandkosten nicht erkennbar und bei 'denkladen.de' kommen 3€ Versandkosten dazu, so dass der Gesamtpreis in diesem Fall 17,8% darüber liegt.
Bei den in 1) und 2) genannten Plattformen fallen für Bücher keine Versandkosten an, so dass die Gewinnmarge bei 'denkladen.de' über den genannten 40% liegen dürfte.
Falls ich hier wichtige Dinge übersehe, bin ich gerne bereit zu lernen. Hier also meine Fragen:
Da also 'denkladen.de' als "Kooperationspartner" auch bei Bestellungen anderer Buchhändler stets mitverdient, ist da eine gewisse Zurückhaltung der Wettbewerber nicht verständlich?
Wieso darf ein örtlicher Buchhandel « für die Leistung “Buchauspacken” und “Beim Kunden abkassieren” » nicht genauso kassieren wie 'denkladen.de' für die Leistung “Bucheinpacken" und “Beim Kunden abkassieren"?
Und erscheint die Klassifizierung "guter Buchhändler" für Händler, die, wenn sie nicht zu den ausgewählten Kooperationspartnern des Autors zählen, Kunden freiwillig zur Konkurrenz schicken nicht doch recht subjektiv?
Reinhard Knittel am Permanenter Link
ärgerlich, dass der Verfasser das nicht beachtet: Es gibt einen Unterschied zwischen "das" und "dass" .(siehe Text: ...ein Buch, dass es...nicht gibt)