Im Wuppertaler Stadtbezirk Ronsdorf

CDU riskierte Eklat

BERLIN. (hpd) Zur traditionellen Begrüßungsansprache zum Jahresauftakt hatten sich in der Bezirksvertretung Ronsdorf bislang christliche Vertreter jährlich abgewechselt. Bezirksbürgermeister Harald Scheuermann-Giskes wollte in diesem Jahr endlich auch die rund 30 Prozent Wuppertaler Bürger berücksichtigen, die keiner Religionsgemeinschaft angehören. Das jedoch passte der CDU nicht.

Scheuermann-Giskes bat den langjährigen Vizepräsident des Humanistischen Verbandes NRW und Feiersprecher Jürgen Köster, eine Weltanschauung übergreifende Begrüßungsrede zu halten. Sogleich protestierten die Christ-Demokraten und drohten die Sitzung zu verlassen. Dieses Recht stünde nach ihrer Auffassung traditionsgemäß nur den Vertretern christlicher Kirchen zu.

Köster ist zudem auch BV-Vertreter für Die LINKE. Daher könnte das religiöse Argument auch nur vorgeschoben sein. Bezirksbürgermeister Scheuermann-Giskes und Köster suchten jedenfalls umgehend, weitere Eskalation zu vermeiden und verzichteten auf die Ansprache.

Doch welche Geisteshaltung zeigten hier die CDU-Vertreter? Die Bundesrepublik ist ein säkularer Staat – ohne einen Alleinvertretungsanspruch gleich welcher Weltanschauung. Für die Bezirksvertretung Wuppertal/Ronsdorf war das keine Sternstunde als demokratisches Gremium.

Der Humanistische Verband NRW fordert deshalb, dass alle Weltanschauungsgemeinschaften im Wechsel die jährliche Begrüßungsrede in der Bezirksvertretung halten dürfen – oder eben niemand.

Die geplante Begrüßungsrede zum Jahresauftakt in der Bezirksvertretung Ronsdorf am 16.2.2016:

Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen Bezirksvertreter!

Ich habe die Ehre, heute Abend als Vertreter einer religionsfreien Gemeinschaft diese erste Sitzung der Bezirksvertretung Wuppertal-Ronsdorf im Jahr 2016 zu eröffnen.

Wie Sie alle wissen, war das zurückliegende Jahr ein schwieriges Jahr. Wir hatten auch hier in Ronsdorf einige Probleme zu lösen, die nicht ganz einfach waren.

Jürgen Köster
Jürgen Köster

Da war z.B. das Kontingent an Flüchtlingen, das uns zugewiesen wurde. Es ging hier ja nicht nur um die Lösung logistischer Probleme, sondern auch darum, den Menschen hier in Ronsdorf zu vermitteln, dass diese Flüchtlinge nicht einfach "Wirtschaftsflüchtlinge" sind, sondern ihre Heimat aufgrund der kriegerischen Zerstörung ihrer Wohnungen und Existenzgrundlage, sowie der Bedrohung ihres Lebens verlassen haben.

Ich wünsche niemandem von uns hier, dass er jemals in eine solche Situation kommen wird, wo er wegen lebensbedrohlicher, existenzzerstörender und menschenunwürdiger Umstände seine Heimat für immer verlassen muss. Darf ich Sie daran erinnern, dass auch wir hier in Deutschland solche Ereignisse schon gehabt haben:

Ich denke nur an die Zeit nach der bürgerlich-demokratischen Revolution von 1848, wo zigtausende Deutsche wegen der unhaltbaren Lebensumstände hier nach Amerika ausgewandert sind. Oder die Zeit nach dem 2. Weltkrieg, wo rund 12 Millionen Menschen vor dem zurückkehrenden Krieg hierher in den Westen Deutschlands geflüchtet sind. Später haben wir dann noch Flüchtlinge aus den ehemaligen sozialistischen Staaten problemlos bei uns aufgenommen.

An diesen Beispielen mögen alle erkennen, dass es immer geht – wenn man nur den festen Willen hat. Insofern habe ich mich sehr gefreut, dass die Bezirksvertretung die Erst-Unterbringung der Flüchtlinge hier in Ronsdorf einmütig befürwortet hat. Auch, dass bei der Ankunft der Flüchtlinge hier an der Erich-Fried- Gesamtschule viele Schüler und junge Menschen dabei waren, die Menschen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan warmherzig willkommen zu heißen. Ebenso mit großer Genugtuung hat es mich erfüllt, dass viele Ronsdorfer Bürger den ankommenden Flüchtlingen mit offenem und großem Herzen begegnet sind – darunter auch etliche meiner Kollegen Bezirksvertreter.

Daher sage ich an dieser Stelle herzlichen Dank allen Ronsdorfer Bürgern, den Vereinen und Kirchengemeinden, die aktiv und passiv mitgeholfen haben, diesen Menschen nach langer Flucht eine würdige Erstunterkunft zu bereiten, sie mit dem Nötigsten zu versorgen und ihnen nach langer Zeit wieder ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu geben!

Bei all dem sollten wir aber auch die alt-eingesessenen Bürgerinnen und Bürger nicht vergessen, die in unserer reichen Gesellschaft immer ärmer und so an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden. Auch sie bedürfen der vielfältigen, aktiven und tätigen Hilfe!

Ein weiteres Thema ist sicherlich – z.T. im Gefolge der Flüchtlingswelle auch geschürt – die zunehmende Bedrohung unserer demokratischen Prinzipien durch rechtsradikale und rassistische Elemente und Gruppen.

Gerade ging die Meldung durch unsere Medien, dass die Anzahl rechtsradikaler Brandanschläge, Drohungen und Körperverletzungen im letzten Jahr um mindesten 1/3 gestiegen ist! Und niemand hier wird bestreiten können, dass rechtsradikale und rassistische Aufmärsche und Schmierereien auch in unserem schönen Wuppertal wieder zugenommen haben.

Dazu zählt auch der Vorfall im "Autonomen Zentrum" (AZ) vom vergangenen Jahr im April, wo bekannte Rechtsradikale Besucher provoziert, bedroht und tätlich angegriffen haben. Gerade sind die Täter vom Gericht zu Recht für den feigen Mordanschlag verurteilt worden, bei dem ein Besucher des AZ durch Messerstiche so schwer verletzt wurde, dass er nur Glück hatte, zu überleben. Aber an den Folgen dieser Attacke wird er sein Leben lang leiden.

All diese Ereignisse zeigen ganz deutlich, dass sich die demokratischen Parteien und Kräfte dieser Stadt diesem braunen Mob deutlich sichtbar entgegenstellen müssen. Mit "Wegsehen" und Verharmlosung kann man die braune Pest nicht beeindrucken. Das haben die Lehren aus der Geschichte von vor 1933 nur allzu deutlich bewiesen. Und ich denke in diesem Zusammenhang immer an die Worte des großen deutschen Dichters Berthold Brecht: "Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!"

Ich wünsche mir und uns allen in der Bezirksvertretung, dass wir in diesem Jahr 2016 noch besser und effektiver für das Wohl der Bürger unseres schönen Stadtteils arbeiten und gemeinsam nach Lösungen zum Wohle aller suchen.

Und wenn das dann auch noch im Rathaus von den Ratsparteien richtig wahrgenommen und die Arbeit der Bezirksvertretungen ernster als bisher genommen wird, dann kommen wir unserem Anspruch wieder ein Stück näher.

Ihnen allen und Ihren Angehörigen wünsche ich in diesem Sinne ein gesundes, aktives und erfolgreiches Jahr 2016!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!