Die meisten Protestanten wissen es nicht, und die Theologen der Evangelisch-lutherischen, der Calvinistischen und der Zwinglianischen Kirche nebst deren zahlreichen Deviationen und Denominationen werden es ihnen – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – auch nicht sagen. Aber das Gottesbild Luthers – übrigens auch das Calvins – ,von dem die Gläubigen nichts wissen, möglichst nichts erfahren sollen, ist in der Tat monströs, ungeheuerlich, zutiefst erschreckend, erschütternd und abstoßend, unmenschlich, irrational und absurd. Man sollte auch nicht erwarten, dass im 500. Jubiläumsjahr des in Wirklichkeit nie stattgefundenen Thesenanschlags durch Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg die EKD, der Lutherische Weltbund oder irgendein anderes kirchenamtliches Organ der Öffentlichkeit und ihren eigenen Leuten reinen Wein einschenken werden. Die Aufdeckung des haarsträubenden Gottesbildes Luthers würde auch die letzten Getreuen aus den Kirchen heraustreiben. Wie sollte man denn dann noch ein ganzes Jahr lang mit immer neuen, staatlich honorig unterstützten Fest- und Feierlichkeiten die Propagandathese über Luther als Reformator, Heros und Menschenfreund aufrechterhalten?
Eines muss man allerdings diesem Mann lassen: Er war wahrhaftiger als seine Nachfolger. In aller Offenheit und Brutalität deckte er auf, was er über Gott dachte. Frank und frei erklärte er, dass "sich die Natur vor solcher göttlichen Majestät entsetzen muss".(1) Gott sei "schrecklicher und greulicher denn der Teufel. Denn er handelt und geht mit uns um mit Gewalt, plagt und martert uns und achtet unser nicht." (2) "In der Majestät ist er ein verzehrendes Feuer." (3) Wenn ein Mensch "recht an Gott gedenket, so erschrickt ihm das Herz im Leibe und liefe wohl zur Welt aus." (4) Gott hat nach Luther eine geradezu sadistische Lust am Schmerzzufügen: "Er schlingt einen hinein und hat solche Lust daran, dass er aus seinem Eifer und Zorn dazu getrieben wird, die Bösen zu verzehren. Fängt das einmal an, dann hört er nicht mehr auf." (5) "Dann werden wirs lernen, wie Gott ein verzehrend Feuer sei, das da allemache und eifere zu beiden Seiten." (6) "Das ist denn das verzehrend fressige Feuer." (7) "Und wirst du sündigen, so wird er dich auffressen." (8) "Denn Gott ist ein Feuer, das verzehret, frisset und eifert, das ist, er bringt euch um wie das Feuer ein Haus verzehrt, zu Asche und Staub macht."(9) Das Schreckliche, Wütende in Gott falle den Menschen an, als wäre Gott der Teufel selber. Er, Luther, sei "nicht nur einmal bis auf Todesgefahr davon angefochten worden (…) Lehren soll man zwar von Gottes unausforschlichem und unbegreiflichem Willen; aber sich unterstehen, denselben zu begreifen, das ist sehr gefährlich und man bricht sich dabei den Hals." (10)
Unumwunden bekennt Luther, dass Gott im Grunde "untragbar für die menschliche Natur ist". (11) Es gibt ihm zufolge keine gerechte Bestrafung des Sünders nach dem rationalen Maß und Vorstellungsvermögen des Menschen. Die "Hure Vernunft" sei da völlig überfordert und fehl am Platz. Vielmehr sei Gott, seine Gerichtsbarkeit, sein Straßmaß unerforschlich, unbegreiflich, über jedes menschliche Verstehen hinausgehend: "mysteriis suis et iudiciis impervestigabilibus" (in seinen Geheimnissen und Gerichten undurchschaubar); seine "vera maiestas" zeige sich "in metuendis mirabilibus et iudiciis suis incomprehensibilibus" (wahre Majestät in seinen furchterregenden Wundertaten und unbegreiflichen Gerichtsurteilen). (12)
Mit der Rationalität und Humanität als einsichtigen Erfordernissen wahrer Gerechtigkeit und angemessener Gerichtsbarkeit hat Luthers Richtergott nichts am Hut. "Luther kennt Abgründe und Tiefen der Gottheit, die ihm das Herz verzagen machen, vor denen er sich flüchtet in das 'Wort' wie ein Has in die Steinritzen (…) Dieses Furchtbare aber, vor dem er sich flüchtet in oft sich wiederholenden Zuständen bangen Erschauerns seiner Seele, ist nicht nur der strenge Richter, der die Gerechtigkeit fordert. Denn der ist durchaus auch 'offenbarer Gott'. Es ist zugleich: Immer der Gott nach seiner 'Unoffenbarkeit' in der schauervollen Majestät seines Gottseins selbst: der, vor dem nicht erst der Gesetzesübertreter erzittert, sondern die Kreatur selber in ihrer 'unbedeckten' Kreatürlichkeit. Luther wagt es sogar, dieses Schauervoll-Irrationale in Gott als den 'deus ipse' zu bezeichnen, ut est in sua natura et maiestate (in der Tat eine gefährliche und falsche Annahme …)." (13)
Halten wir fest: Das "Schauervoll-Irrationale" ist also für Luther der "deus ipse", also Gott selbst, Gott in seinem eigentlichsten Selbstsein, so wie er "in sua natura et maiestate", also in seiner wahren Natur und Majestät ist. Im Kern von Luthers Gottheit liegt das Düstere, Dunkle, Gewalttätige, Jähzornige, Feurig-Triebhafte, Zügel- und Maßlose. "Er (Gott) ist ohne Maß, Gesetz und Ziel und betätigt sich im ganz Paradoxen." (14) Selten hat ein Mensch seine eigene zügellose, triebhafte, grobe und gewalttätige Natur derart deutlich in seinen Gott projiziert wie Luther. Der "launische Despot" Luther macht Gott zu einem ebensolchen launischen Despoten, der völlig gesetzlos handeln darf. Aber diesen Projektionsmechanismus bei Luther haben bis zum heutigen Tag nur wenige seiner theologischen Nachfahren durchschaut (oder durchschauen wollen). "Bis an die Grenze der Gemütskrankheit" führte Luther sein "irrationales Erleben eines tief irrationalen transzendenten Objektes, das sich fast der Bezeichenbarkeit mit 'Gott' entzieht. Und dies ist die dunkle Folie für das gesamte Glaubensleben Luthers. An unzähligen Stellen seiner Predigten, Briefe, Tischreden wird diese Folie sichtbar." (15)
Der Glaube an die Rechtfertigung allein aus Gnade, aus der Gnade Gottes, ohne alle Werke und Verdienste des Menschen, ist das Zentrum von Luthers Theologie, dem sich jeder evangelisch-lutherische Theologe schon von Berufs wegen verpflichtet fühlen muss, weil mit diesem vom katholischen Verständnis der Erlösung unterschiedenen Sonderglauben erst überhaupt die Existenzberechtigung der evangelisch-lutherischen Kirche gegeben ist. Dieser Glaube mag zwar vielen als Sünder sich Fühlenden gefallen, aber er kann auch schlimme psychologische Konsequenzen entfalten. Denn ein solcher, den menschlichen Beitrag an der Erlösung völlig ablehnender, also inhumaner und unethischer Rechtfertigungsglaube mündet zwangsläufig und direkt in den ebenso inhumanen Glauben an die totale Alleinwirksamkeit Gottes, den dann also auch alle Theologen evangelisch-lutherischer Provenienz, ob sie wollen oder nicht, zu akzeptieren haben, weil er eben ein notwendiges Resultat, eine direkte Konsequenz des Rechtfertigungsglaubens ist.
Diese Konsequenz machen sich nur nicht alle pastoralen Nachfahren Luthers klar, oder sie wollen sie sich nicht bewusst machen. Denn der aus dem Rechtfertigungsglauben konsequent folgende Glaube an die göttliche Alleinwirksamkeit ist derart brutal und menschenunwürdig, dass die Leute massenweise aus der evangelischen Kirche austräten, wenn er ihnen von ihren Pfarrern bekanntgemacht würde. So wird man auch von den Kanzeln und Altären evangelischer Kirchen her nirgendwo ein Wort darüber vernehmen. Aber die Psyche lutherischer Pfarrer muss diesen Sachverhalt ständig verdrängen. Nicht wenige von ihnen landen ja auch aufgrund nicht gelingender Verdrängung beim Psychotherapeuten oder gar Psychiater. So stellte z.B. schon vor Jahren der evangelische Theologe und Psychotherapeut K. Thomas, bekannt geworden durch seine erfolgreiche Telefon- und Praxisseelsorge an Lebensmüden und Verzweifelten sowie durch sein "Handbuch der Selbstmordverhütung", fest, dass 12 Prozent seiner Patienten evangelische Pfarrer und ihre Frauen, Religionslehrer, Diakonissen und Theologiestudenten sind, obwohl ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung sich nicht einmal auf 1 Prozent beläuft, dass 40 Prozent seiner Patienten an ekklesiogenen, d.h. an durch die lutherischen Lehren und Erziehungseinflüsse verschuldeten Neurosen leiden.
Und Neurosen kann schon verursachen, was Luther über die Alleinwirksamkeit Gottes sagt. Gott, so Luther, hat zwei Seiten: die rationale, geoffenbarte, uns zugewandte, freundlich erscheinende und die "nicht verkündete", "nicht offenbarte", "nicht aufgedeckte", die sein tiefstes (irrationales) Wesen ausmacht. Entsprechend habe Gott eben auch zwei Willen: auf der einen Seite den "gepredigten, geoffenbarten" Willen, der sich als "freundlicher" und "gnädiger" Wille manifestiert, der "nicht den Tod des Sünders", sondern "alle Menschen zum Heil führen will"; auf der anderen Seite den nicht gepredigten, nicht geoffenbarten, nicht angebotenen "heimlichen Willen", die "voluntas occulta et metuenda", "non requirenda, sed cum reverentia adoranda", "imperscrutabilis et ignoscibilis" (= der verborgene und zu fürchtende göttliche Wille, dem man nicht nachgrübeln, sondern den man mit Ehrfurcht anbeten soll, weil er ein unerforschlicher und nicht erkennbarer ist). Dieser zweite Wille ist die eigentliche "voluntas maiestatis" (Wille der wahren Majestät Gottes), der Wille, der macht, was er will, der aus seiner ganz freien, durch nichts bedingten, schrankenlosen Ursächlichkeit heraus "Menschen verlässt, verhärtet, verdammt" (homines deserat, induret, damnet), je nachdem ob er sie von Ewigkeit her "liebt oder nicht liebt" (vel amat vel non amat) ; der "den Tod des Sünders will" (vult mortem peccatoris), bevor dieser überhaupt geboren ist; und der das Böse und den Tod von sich aus (ohne Rücksicht auf das gute oder schlechte Tun des Menschen) bewirkt (malum et mortem operatur). (16)
Die Wahrheit bleibt unbestritten und unverrückbar: Luther hat allen Lutheranern ein extrem inhumanes, krankmachendes Gottesbild vererbt. Seine "Theologie" ist das Spiegelbild seiner Persönlichkeit, die sich als willenloses Werk- und Spielzeug in der Hand übernatürlicher, sich in seiner Seele tummelnder göttlicher und teuflischer Mächte empfand und erlebte. Diese Art von Erleben interpretierte er theologisch dahingehend, dass der Mensch im Grunde wehr- und willenlose Marionette Gottes oder des Teufels sei, die nichts, aber auch gar nichts zu ihrer Selbstverwirklichung, ihrer ethischen Reifung oder gar zu ihrer Erlösung beitragen könne. Konsequenterweise war dann Gott in seinem innersten Wesen für Luther ein unberechenbarer Despot, ein Willkürgott, ein oberster Tyrann, der sein Heil ganz ungerecht verteilt, an wen er will. Das Triebhafte, Irrationale, Anti-Vernünftige in Luther selbst, in ihm im Lauf seines Lebens immer mehr dominierend, erhöhte er metaphysisch, verlagerte er in das Innerste Gottes selbst. So wurde Gott selbst naturalisiert und materialisiert, wurde zu einer blinden Naturkraft, einer blind waltenden, triebhaften Energie, wurde zu nackter, alles fortreißender oder vernichtender Gewalt. Insofern ist an dem von manchen in ihm gewitterten Pantheismus oder Pansatanismus durchaus "etwas dran". Luther hat seinen Epigonen einen theologischen Naturalismus und Materialismus vermacht, denn sein Gott ist nur noch physische, keine logische, keine geistige Allmacht. Die Freiheit Gottes ist nur noch die blinde Ungebundenheit einer ihrer selbst nicht mehr mächtigen, rasenden, schrankenlos wütenden Macht, eines Orkans, der fast alles niederreißt und einiges Wenige stehenlässt. Gott ist ein tyrannisches Faktum und Fatum jenseits von Gut und Böse, ein universaler Determinator und Exterminator, der aber selber nicht weiß, warum er so und nicht anders determiniert und exterminiert. Mit Recht hat man gesagt: "Niemals hatte das Credo quia absurdum ('Ich glaube, weil es unsinnig ist') einen so von seinem Auftrag überzeugten Anwalt wie Luther. " (17)
Wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen. Heutige evangelische Theologen, die sich das extrem irrationale, menschenunwürdige, grausame Gottesbild ihres Konfessionsgründers, zu dessen Anerkennung sie an sich von Berufs wegen verpflichtet sind, vergegenwärtigen, müssten redlicherweise eigentlich ganz still und demütig werden, dürften großspurig-arrogante Verdikte über andere religiöse und weltanschauliche Gruppierungen gar nicht mehr austeilen. Es gehört ein fast grenzenloses Unmaß an Unwahrhaftigkeit, Verstellung, Heuchelei, ja Betrug dazu, sich dem Staat, der Gesellschaft, den Medien als der Humanität und Objektivität dienende Experten anzudienern, wenn man vom fatalen, katastrophalen Gottesbild eines solchen Obergurus abhängt. Wie gewaltig muss aber auch die Ignoranz, um nicht zu sagen willige Dummheit oder gar Lügenbereitschaft einer Gesellschaft und von Medienvertretern sein, die diese Zusammenhänge nicht im entferntesten durchschauen, vielmehr ständig von diesen evangelischen „Humanisten“ objektive, unabhängige Expertisen zur Ethik und Humanität anfordern. Die "Evangelische Zentralstelle für Weltanschauungsfragen" (EZW), deren Leiter übrigens einmal Dr. Karl Hutten, ein begeisterter Anhänger des Nationalsozialismus und ein Antisemit "aus sittlichen Gründen" (!) war, (18) hat keine innere Berechtigung, sich als unfehlbare Oberinstanz, als inquisitorische Über-Behörde zu gebärden und sich als höchste Garantin für saubere Recherchen den maßgeblichen staatlichen und gesellschaftlichen Organen anzubieten. "Sechs Dinge sind, die der Herr haßt, und das siebente verabscheut seine Seele; lügenhafte Zeugen (…) einen falschen Zeugen, der Lügen vorbringt, und wer Zwietracht aussät unter Brüdern" (Ps. 33,14)! Da die evangelische Kirche von Luther so kräftig auf das Wort der Hl. Schrift festgenagelt worden ist (sola scriptura), sollten sich ihre Vertreter und Verteidiger bei ihrer Kritik an anderen ständig dieses Psalmwort vor Augen halten und im Spiegel dieses Wortes ihr eigenes Verhalten und Reden kritisch betrachten. Aber, wie gesagt, noch wichtiger und dringender wäre, dass sie für lange Zeit schweigen und ihre künftige Rede dann nur noch der reuevolle Ausdruck ihrer schonungslosen Kritik am eigenen Verhalten, am eigenen Gottesbild und an ihrem Gründer-Vorbild Luther sein sollte. Aber leider feiern sie jetzt ohne alle Skrupel ein ganzes Jahr lang dieses „Unglück von einem Mönch“ (Nietzsche).
Das Gottesbild ihres Konfessionsgründers stellt die evangelischen Geistlichen vor eine fatale Alternative: Entweder sie identifizieren sich mit diesem Gottesbild, wozu sie eigentlich von Amts wegen verpflichtet sind. Dann partizipieren sie an dessen inhumanem, die Menschenwürde mit Füßen tretenden Charakter. Oder sie identifizieren sich eben nicht mit Luthers Gottesbild. Dann stehen sie in innerer Opposition zu ihrer Kirche und deren Lehre, für die das Gottesbild Luthers verbindlich und zentral ist. Die Folge sind Versteckspiel und Heuchelei, weil man nach außen hin eine Rolle spielt, die mit der inneren Bewusstseinslage nicht übereinstimmt. Manche evangelische Christen spüren ja auch diese mangelnde Übereinstimmung, was sich dann in Worten wie den folgenden Bahn bricht: "Die Pastoren glauben doch selbst nicht, was sie sagen."
In der Tat ist eine naheliegende Konsequenz des furchtbaren Gottesbildes Luthers - der Atheismus. Neuere Umfragen demonstrieren ja auch immer wieder übereinstimmend, dass ein nicht unerheblicher Prozentsatz evangelischer Pfarrer gar nicht mehr an Gott glaubt. Das hat sicher viele Gründe, aber mit Sicherheit auch den, dass das amtskirchlich normative, maßgebende Gottesbild des Konfessionsgründers derart negativ ist. Man kann eben nicht davon ausgehen, dass jeder evangelische Geistliche einen so großen Glauben aufbringt, wie ihn Luther allen Ernstes verlangt, wenn er betont: "Das ist der größte Grad des Glaubens, zu glauben, dass der gütig ist, der so wenige rettet, so viele verdammt; zu glauben, dass der gerecht ist, der durch seinen Willen uns notwendig verdammenswert macht." (19)
Es ist aber nicht bloß der kleine evangelisch-lutherische Pfarrer, der da seinen Gottesglauben verliert. Im Grunde kapituliert die gesamte evangelische Theologie vor der Gottesproblematik im allgemeinen und der Luthers im besonderen. "Gott", so klagt ein führender evangelischer Universitätstheologe, "das ist einst ein anspruchsvolles Wort gewesen. Doch es droht immer mehr zu einem unpassenden Wort zu werden." (20)
17 Kommentare
Kommentare
P.F. am Permanenter Link
Wirklich erschreckend, was da zu lesen ist. Unglaublich, dass daraus die Reformation entstand.
Vielen Dank für diesen Text.
annen nerede am Permanenter Link
heißt dies, dass Luther von Christus gar nichts hielt oder diesen in seinen Schriften überhaupt nicht "ins Feld führt" ??
Dr. Jochen Lengerke am Permanenter Link
Sie scheinen davon auszugehen, dass Christus der Born der Liebe und Barmherzigkeit sei - im Gegensatz zu dem von Luther phantasierten Gott. Das ist nicht ganz so:
Jesus, der Juniorchef persönlich, propagierte wiederholt die Ermordung Abtrünniger durch Verbrennen, beispielsweise in seinem Gleichnis vom Weinstock (Joh. 15,6):
Wer nicht in mir bleibt, der wird weggeworfen wie eine Rebe und verdorrt, und man sammelt sie und wirft sie ins Feuer und sie müssen brennen.
oder noch eindeutiger menschenverachtend im Gleichnis vom Unkraut(!)(Mt. 13,38-42):
[38] Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reichs. Das Unkraut sind die Kinder des Bösen.[39] Der Feind, der es sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel.[40] Wie man nun das Unkraut ausjätet und mit Feuer verbrennt, so wird's auch am Ende der Welt gehen.[41] Der Menschensohn wird seine Engel senden, und sie werden sammeln aus seinem Reich alles, was zum Abfall verführt, und die da Unrecht tun,[42] und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.
(Zitat aus: http://www.lengerke.de/krumm/text/aufklaerung.html )
Horst Herrmann am Permanenter Link
Luthers Gottesbild ist gewiss so erschreckend wie seine Vorstellungen vom Menschen. Er steht mit beidem innerhalb seines Milieus nicht allein: Alle Theologen haben nur den Amtsgott ihrer Glaubensrichtung verkündet.
Wolfgang am Permanenter Link
Das faszinierende am Christentum besteht darin, Scheinheilige werden zu Heiligen und der Staat macht alles mit, zahlt und schützt. Eine monströse Religion. Die Monster sind unter uns.
Marti L. am Permanenter Link
Wenn ich gezwungen würde, mich zu einer Religion zu bekennen, so würde ich trotzdem das heutige Christentum dem heutigen Islam vorziehen.
Yvonne Fritz am Permanenter Link
Das Gute heutzutage ist, dass Sie nicht gezwungen werden können, sich zu einer Religion zu bekennen, und darüber hinaus haben Sie noch mehr als Christentum und Islam zur Auswahl.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
Ich bin jetzt total durcheinander. Ich weiß nicht, was mir mehr Genugtuung bringen würde: Austreten aus der RKK oder Austreten aus der evangelischen Kirche.
Vielen, vielen Dank für diesen Beitrag!
Klaus Bernd am Permanenter Link
Ja es ist erschreckend, mit welchem Gottesbild Theologen manchmal operieren,zuweilen aber auch lachhaft. So auch Luther, wenn er meint, dass unser lieber Herr manchmal Schabernack treibe mit seinen Kindern.
Bergoglio gibt ebenfalls merkwürdige bis lächerliche Aussagen über Gott von sich. Immer wieder mal spricht er von einem Gott der träumt, oder weint, oder von der Menscheit enttäuscht ist und ständig neue Pläne macht. Auch das steht in eklatantem Widerspruch zu Allwissenheit und Allmacht. Aber wie wir wissen ist der logische Widerspruch im theologischen Denkgebrauch nicht sehr beliebt und schon gar nicht, wenn es um den „Alles-ist möglich-Gott“ geht.
Matthias Wehrstedt am Permanenter Link
Luther war nur konsequent und hat das, was in der Bibel steht, ernst genommen und zu Ende gedacht. Wer ihn dafür verachtet hat die Bibel nicht verstanden.
Gott sei Dank, dass es diesen Gott nicht gibt.
little Louis am Permanenter Link
Hubertus Mynarek sollte diese seine Thesen an Weihnachten an die Kirchenportale dieser Republik "schlagen". Zum Auftakt einer schonungslosen Debatte . Vor allem unter den Pseudokristen selbst.
Matthias Krause am Permanenter Link
Ich habe den Eindruck, dass der von Luther beschriebene Gott nicht "Luthers" Gott ist, sondern der Gott der Bibel. Den beschreiben die obigen Lutherzitate m.E. sehr treffend.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Nun, Luther beruft sich ja immer auf die Bibel, aber aus der kann man ja herauslesen, was immer man will. So gesehen ist ein aus der Bibel "abgeleitetes"
Carsten Herrmann am Permanenter Link
Da scheint Herr Mynarek vom gütig blickenden Bischof seiner Firmung eingeholt und bewogen worden zu sein, etwas einseitig alles auf den Ketzerhäuptling zu schieben.
„Jesus spricht öfters von der ‚Gehenna‘ des ‚unauslöschlichen Feuers‘, die für jene bestimmt ist, die bis zum Ende ihres Lebens sich weigern, zu glauben und sich zu bekehren, und wohin zugleich Seele und Leib ins Verderben geraten können. Jesus kündigt in ernsten Worten an, daß er ‚seine Engel aussenden‘ wird, die alle zusammenholen, die andere verführt und Gottes Gesetz übertreten haben, und . . . in den Ofen werfen, in dem das Feuer brennt (Mt 13, 41-42), und daß er das Verdammungsurteil sprechen wird: ‚Weg von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer!‘ (Mt 25,41).
Die Lehre der Kirche sagt, daß es eine Hölle gibt und daß sie ewig dauert. Die Seelen derer, die im Stand der Todsünde sterben, kommen sogleich nach dem Tod in die Unterwelt[*], wo sie die Qualen der Hölle erleiden, ‚das ewige Feuer‘. Die schlimmste Pein der Hölle besteht in der ewigen Trennung von Gott, in dem allein der Mensch das Leben und das Glück finden kann, für das er erschaffen worden ist und nach dem er sich sehnt.“ (München: Oldenbourg, 2003, S. 295)
Oder eben nicht. Aber ob demnach Funktionäre dieser Kirche wirklich besser geeignet sind, sich Staat und Gesellschaft als „Humanisten“ anzuempfehlen?
*Jener außerordentliche Professor der Theologie, von dem James Frazer zu hoffen wagte, er sei auch im weiteren Sinne außerordentlich, war das also durchaus nicht:
„See Dr. Joseph Bautz, Die Hölle, im Anschluss an die Scholastik dargestellt² (Mainz, 1905). Dr. Bautz holds that the damned burn in eternal darkness and eternal fire somewhere in the bowels of the earth. He is, let us hope in more senses than one, an extraordinary professor of theology at the university of Münster, and his book is published with the approbation of the Catholic Church.“
(The Golden Bough, vol. 3, p. 136)
Martin Weidner am Permanenter Link
Ich bin dankbar, dass diese Thematik aufgegriffen wird.
Hier hinken die Kirchen in der Tat hinter Luther hinterher.
Allerdings habe ich nach meiner Kenntnis von Luthers Theologie nicht den Eindruck, dass er hier richtig wiedergegeben wird. Deshalb einige konstruktiv-kritische Anmerkungen:
Die Zitate beschreiben den homo religiosus (auf R. Otto wird ja verwiesen). Bei Martin Luther hat der Christ in der Anfechtung genau die Stellung des religiösen Menschen: Er steht vor der Unbegreiflichkeit Gottes angesichts des furchtbaren Welthandeln Gottes. Bei Luther ist die Anfechtung keine leichte Sache, es ist Gott selbst (deus ipse), der da erfahren wird. Das ganze Evangelium und die Zusagen von Gottes Liebe wird einem da gänzlich aus der Hand geschlagen. Darin tut Gott sub contrario sein Werk.
Für Luther ist und bleibt Gott aber ein glühender Backofen voller Liebe – nur das ist in der Anfechtung eben verstellt. Nun kann der Christ in der Anfechtung aber nicht den gnädigen Gott aus dem theologischen Hut zaubern, er hat auch nicht wie alle anderen Religionen irgendeinen Handhabe, Gott gnädig zu stimmen (Opfer, heilige Mahle, gutes Handeln, …) sondern das geschieht in dem unverfügbaren Geschehen des Evangeliums als Wort Gottes. Für Luther ist der böse, zornige Gott deshalb nicht die dunkle Folie für die Gnade in Jesus Christus, weil der Christ nie die Anfechtung hinter sich lassen kann. Nach der Anfechtung ist vor der Anfechtung.
Dies genügt vielleicht schon, um deutlich zu machen, dass das, was im Artikel beschrieben wird, einen bestimmten Ort in der Theologie Luthers hat. Es steht also nicht so absolut da, wie es der Artikel suggeriert, sondern beschreibt eben nicht das Evangelium, sondern das Gesetz. Nach Luther ist der kein guter Theologe, der Gesetz und Evangelium nicht richtig unterscheiden kann. Das würde er diesem Artikel auch vorwerfen.
Vor allem ist für Luther die Theologie eine praktische Wissenschaft. Es geht nicht um theoretische Erörterungen, wie Gott ist (das ist uns sowieso verschlossen- schon aus diesem Grund zeichnet der Artikel ein schiefes Bild), sondern um die Widerfahrnis Gottes in der Anfechtung, also eine sehr praktische Sache, in der die (theoretische) Vernunft alleine nicht weiter hilft.
Die Anfechtung ist für Martin Luther unabdingbar für den Glauben, wer das weglässt, lästert Gott (Sofern im Jubiläumsjahr das unter den Tisch fällt, wäre es ein drastisches Urteil Luthers über diese Feierlichkeiten). Aber man muss es schon im Zusammenhang darstellen. Der Artikel greift willkürlich einzelne Versatzstücke heraus, wodurch die Aussagen unverständlich werden bzw. falsch verstanden werden.
Der restliche (weit umfangreichere) Teil des Artikels fußt dann auf dieser falschen Darstellung. Schade, da hier tatsächlich ein fundamentales Stück reformatorischer Theologie benannt wird, das hpd mehr im focus hat als so mancher heutiger Kirchenvertreter.
Anmerkung: Ich habe die ersten beiden Anmerkungen in der online-WA nachlesen wollen, aber die Zitate dort nicht gefunden. Vielleicht weiß jemand Links, die zu den richtigen Stellen führen.
little Louis am Permanenter Link
Jemand aus meinem Bekanntenkreis hat zu einem Luther lobpreisenden Leserbrief in einer Zeitung den folgenden Antwort- Leserbrief "eingereicht".
___________ . ___________
Leserbrief:
"Man kann M.H. zu seinem Vorschlag, einen Martin Luther- Wanderweg über ......... (eine Kleinstadt) bis nach ..... (Universitätsstadt) einzurichten, nur gratulieren. Insbesondere wäre zu überlegen, in diesen die örtlichen KZ- Gedenkstätten mit einzubeziehen. Dort könnte dann dem begeisterten Lutherverehrer ein Exemplar eines weniger bekannten Spätwerkes des Humanisten Luther als Wanderer- Sonderausgabe zur Verfügung gestellt werden. Gemeint ist Luthers Schrift: "Von den Juden und ihren Lügen", die erst kürzlich neu herausgegeben wurde. Allerdings besteht die Gefahr, dass solche Lektüre nicht wenige Christen verunsichern könnte. Manche könnten eventuell sogar auf die Idee kommen, dass der als Jahrhundert-Intellektueller gefeierte Reformator ein wesentlicher Wegbereiter der Hitlerschen Barbarei sein könnte.
Wie sagte Luther doch in Heidelberg: " Die Werke des Menschen sind Todsünden, wenn sie........ in böser Selbstsicherheit getan werden." (Zitiert nach dem Leserbrief von M.H.).
Wie Recht Luther mit seinen (von ihm zu verantwortenden) " Sünden " hatte, die in den Jahrhunderten bis zum modernen Rassismus und während dessen Blütezeiten zum Tod von Millionen unschuldigen Menschen geführt haben."
Wolf-Dieter Busch am Permanenter Link
„Gott „sei schrecklicher und greulicher denn der Teufel (...)‘“ – unter Berücksichtigung des Wissensstandes spricht die Auffassung nicht gegen, sondern für Luther!
Luther tut nicht mehr und nicht weniger als den Sachstand des alten Testaments nach menschlichen Moralkategorien zusammenzufassen.
Wir müssen berücksichtigen, dass im damaligen christlichen Abendland Gott als real existierendes Wesen galt: ein sadistrisches Monstrum, dem wir nichts entgegen setzen können. Die Betrachtung Gottes als philosophische Kategorie oder womöglich menschliche Fiktion entstand erst Jahrhunderte viel später.
Das Erschreckende mach Luthers Zusammenfassung sein. Es ist nicht seine Vorstellung von „Gut und Böse“.
Calm down allemann.