Kommentar

Hamed Abdel-Samad: "Dann müssen wir Muslime eben beleidigen!"

Der Politologe und Islamkritiker Hamed Abdel-Samad beklagt eine mangelnde Streitkultur, wenn es um den Islam geht. Dadurch bestehe die Gefahr, dass man eine Opferhaltung bestätigt und Diskursunfähigkeit zementiert. Ein Kommentar.

Wenn ein normaler gläubiger Muslim, der den Islam nie wirklich studiert hat, mir sagt, dass meine Islamkritik seine religiösen Gefühle verletzten würde, kann ich das schon verstehen. Verletzt wird man von Argumenten oft wenn man selber sprachlos oder diskursunfähig ist. Irgendwann war ich auch ein gläubiger Muslim und ich fühlte mich ständig beleidigt und verletzt, wenn jemand meine Religion kritisiert hatte. 

Was ich aber nicht akzeptiere ist, wenn Islam-Experten oder solche, die es gerne werden wollen, die auf meine Argumente ruhig mit Argumenten hätten antworten können, das Thema Beleidigung und religiöse Gefühle ins Spiel bringen, um meine Argumente zu diskreditieren. Auch das ist schwach und Zeichen der Diskursunfähigkeit. Manchmal steckt dahinter Opportunismus oder sogar ein Agenda, oft ist es nur pure Naivität. Solche Menschen erwarten von Muslimen nicht das gleiche was sie von Angehörigen anderer Religionen erwarten. Das ist der sanfte Rassismus der gesenkten Erwartungshaltung von dem ich öfter sprach. Todenhöfer ist das beste Beispiel dafür.  

So nimmt man Muslime nicht in Schutz, sondern bestätigt sie in ihrer Opferhaltung und zementiert ihre Diskursunfähigkeit. Denn wer Kritik wegen seiner eigenen Gefühle ablehnt, verpasst eine Chance für Veränderung und lässt zu, dass diese Gefühle alles bestimmen und Debatten im Keime ersticken (Erdogan lässt grüßen). Und genau daran erkrankt der Diskurs in der islamischen Welt seit Jahrzehnten. 

Studien belegen, dass viele psychisch kranke Muslime es schwerer haben, sich dem Therapeuten zu öffnen und ehrlich über ihre Probleme zu reden. In einer Kultur der Ehre fällt einem schwer, seine eigenen Schwächen zuzugeben und offenzulegen. Dazu kommt das Stammesbewusstsein, das eine Kritik an einem Aspekt des Stammes als Angriff auf die Existenzberechtigung des gesamten Stammes deutet. Deshalb habe ich keine große Achtung vor der Kategorie der Beleidigung und der verletzten Gefühle und lasse mich von niemandem im Namen irgendwelcher Gefühle moralisch erpressen. Ich bin allen im Nachhinein dankbar, die mich damals provoziert und sogar meine religiösen Gefühle beleidigt haben, denn sie haben mich animiert, meine veralteten Weltbilder infrage zustellen. 

Ich respektiere Muslime als Menschen und trete für ihr Recht auf Religions- und Meinungsfreiheit ein, aber ich muss nicht alles respektieren, woran sie glauben. Denn Religionen sind nur eine Sammlung von Ideen. Keine Idee steht unter Artenschutz. Jede Idee kann kritisiert und geschmäht werden. Wer keine kritischen Distanz zwischen sich und Ideen, Religion, Nation oder Fußballclub hat, fühlt sich immer persönlich beleidigt, wenn diese kritisiert werden. Dieses kindische Verhalten muss nicht von uns im Namen des Respekts honoriert werden. 

Solange ich niemand persönlich beleidige, darf ich sagen der Islam habe einen Geburtsfehler und dass Mohamed ein kranker Tyrann gewesen sei. Man kann ruhig widersprechen und behaupten der Islam sei perfekt geboren und Mohamed sei ein Friedensengel gewesen. Aber wer das Thema Gefühle und Beleidigung ins Spiel bringt, wird von mir nicht mehr ernst genommen! Und wenn Islamkritik immer als Beleidigung der Muslime interpretiert wird, dann müssen wir Muslime eben beleidigen. Ich werde auch täglich von Muslimen nicht nur beleidigt, sondern auch bedroht. Ich lebe damit und schalte die Justiz ein, wenn Grenzen überschritten werden. Ihr könnt auch dasselbe mit mir tun!