Der Autor und Luther-Kenner Dr. Reinhold Schlotz sprach am Montag in der Berliner URANIA über den Antisemitismus des derzeit allseits gefeierten Reformators. Die Veranstaltung des Trägervereins des Humanistischen Pressedienstes wurde von hpd-Redakteur Thomas Hummitzsch moderiert.
Selbst im Vorraum zum Kleist-Saal, in dem Dr. Reinhold Schlotz seinen Vortrag hielt, hingen Grafiken an den Wänden, die Luther feierten. In den Jubel, den die evangelische Kirche landauf, landab lautstark und unter Einsatz von rund 250 Millionen Euro veranstaltet, fallen nachdenkliche oder gar kritische Worte gegen Luther kaum ins Gewicht.
Dabei ist der Antisemitismus des Martin Luther nicht erst seit dem Nürnberger Prozeß bekannt. Dort "verteidigte" sich Julius Streicher, der Herausgeber des Hetzblattes "Der Stürmer" mit dem Worten: "Dr. Martin Luther säße heute sicher an meiner Stelle auf der Anklagebank."
Der Referent ist einer der vier Autoren, die sich die Mühe mach(t)en, einige der judenfeindlichen Schriften Luthers neu ins (aktuelle) Deutsch zu übersetzen. Dabei konnte Dr. Reinhold Schlotz tiefe Einblicke in das Denken und Schreiben von Luther nehmen. Auf die Frage des Moderators, was einen Physiker wie Schlotz dazu brachte, sich mit dem Thema zu befassen sagte der: "Wenn man in den Suchmaschinen nach dem Begriff 'Luther' sucht, finden sich zuerst Verweise auf den Antisemitismus. Das hat mich schockiert und ich bin den nachgegangen." Entstanden sind daraus eine Ausstellung sowie inzwischen vier Bücher.
Im Alibri Verlag erschien – bereits in zweiter Auflage – Luthers Schrift "Von den Juden und ihren Lügen": Vollständig im Original, in Übersetzung und mit Begriffserklärungen. Eine erschütternde Lektüre, offenbart sie doch, dass der Reformator zu den geistigen Quellen des Antisemitismus zählt.
In seinem Vortrag zeigte Schlotz auf, wie sich Luthers Antisemitismus im Laufe seines Lebens änderte. War es anfänglich vor allem die katholische Kirche, die er als Feind ansah wurden es im Laufe der Zeit immer mehr die Juden. Luther dachte christlogisch: Für ihn war "Gott Jesus" bereits im Alten Testament vorhanden und so begründete er seinen anfänglichen Antijudaismus (als Abgrenzung des Christentums vom Judentum) mit dem "Verrat" der Juden, die Jesus nicht als Messias anerkennen.
Nachtrag am 23.05.2017: Der Vortrag von Dr. Schlotz im Video
8 Kommentare
Kommentare
Kay Krause am Permanenter Link
Liebe protestantischen Mitbürger, bitte verzeiht mir den Vergleich:
Wolfgang am Permanenter Link
Lasset sie ihren Luther feiern, sie haben ja sonst nichts. Letzte Hoffnung Luther! (Letzte
Tankstelle vor der Autobahn)
little Louis am Permanenter Link
@ kay krause und:
".........So wie im Osten auch heute noch die DDR-Bonzen, Lenin, Stalin und Consorten gefeiert werden......"
Besonders falls Sie sich auf Europa beziehen:
Darüber hätte ich gern "nähere Informationen". Danke im Voraus.
Kay Krause am Permanenter Link
Hallo "little Louis"! Sie haben Ihre leider nicht so formuliert, dass ich sie verstehen kann.
Das mag durchaus an meinem niedrigen Intelligenz-Quotienten liegen.
Mit hpd-Gruß,
Seppi Wechsler am Permanenter Link
Luther hat viel bewirkt, aber such er liess es zu, dass abertausende Frauen als Hexen verbrannt wurden!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Luther hat viel bewirkt, aber such er liess es zu, dass abertausende Frauen als Hexen verbrannt wurden!"
Luther schrieb sogar: "Ich will der erste sein, der Feuer an sie legt."
Gestern haben Reinhold, Anne-Catherine, Karl-Heinz und ich (als Mitglieder der gbs-Rhein-Neckar) die neuen gbs-Luther-Broschüren verteilt. Ort war ein Theater in Mannheim, in dem ein verharmlosendes Luther-Musical aufgeführt wurde.
Wir haben den Gästen - inklusive des Oberbürgermeisters - die Info-Hefte ausgehändigt, in denen - teilweise mit erstauntem Blick - geblättert wurde. Der OB zitierte seiner Begleitung sogar daraus und mit unserem von Juliana gehäkelten Luther machten andere Gäste Gruppenfotos. Also alles ganz entspannt.
Kaum waren die Besucher im Foyer verschwunden, tauchte eine schwarz gekleidete Gestalt (nicht Luther) mit bebender Unterlippe auf, blitzte uns böse an und rief - mit unserer Broschüre in der Hand -: "Ihr seid Hetzer!" Hetzer?
Waren die Journalisten in der Watergate-Affäre die Täter oder doch eher Nixon? Wird man inzwischen schon als Hetzer tituliert, wenn man im Luther-Jahr in der Lutherdekade vor einem Luther-Musical ein Heft mit Luther-Zitaten verteilt?
Der Schwarzgekleidete meinte noch, er habe den Veranstalter informiert. Hoffentlich hat das Ganze ein juristische Nachspiel, denn mich interessiert brennend, ob man in Deutschland inzwischen wieder die Überbringer einer schlechten Nachricht an den Pranger stellt. Ob also im Luther-Jahr Luther-Zitate verboten werden könnten. Zitate von einem, der eindeutig hetzte, einem, der wirkmächtig seinen langen Schatten auf das Deutschland der ersten Hälfte des 20. Jh. warf. Das würde ich gerne vor Gericht geklärt sehen...
little Louis am Permanenter Link
Auch solche Aktionen und "gerichtliche Klärungen" werden an den bestehenden "Machtverhältnissen" nicht viel ändern, solange die Kirchen sich auf ihre (eigentlichen) "Karteileichen", d.h.
Ein Großteil der Durchschnittsbürger befürchtet immer noch (zum Tei zu recht), dass ihnen bei Kirchenaustritt gesellschaftliche/ökonomische Nachteile irgendwelcher Art drohen könnten. Zudem hindert sie oft auch eine (bewusst implementierte) psychische oder "weltanschauliche" Verunsicherung, da sehr viele gar nicht (mehr) wissen, dass es neben den religiösen auch philosophische Orientierungsmöglichkeiten gibt. (Immer wieder gehört: "Ja dann hat der Mensch ja gar keine Möglichkeit zur Werteorientierung mehr").
Aber das alles wissen wir doch schon seit Langem.
Renato Pairera am Permanenter Link
Die wirkliche Leistung Luthers, jedenfalls für mich, besteht darin, dass er durch seine Bibelübersetzung, und zwar ungewollt, einen grossen Beitrag zur Vereinheitlichung der deutschen Sprache geleistet hat.