Vor kurzem war mal wieder das Erscheinen der Maria angekündigt. Zweitausend Gläubige warteten sich in Irland die Beine in den Bauch.
Die katholische Kirche unterscheidet ja zwischen echten, zweifelhaften und unechten Marienerscheinungen, das ist ein geschickter Schachzug. Das ist als würden die Hütchenspieler ein Hütchenspieler-Gütesiegel erfinden, oder würden einen ihrer Cousins als offiziellen Hütchenspielbeobachter aussenden, der dann den Touristen erklärt: Der Hütchenspieler da links ist unseriös, vor dem sollten sie sich in Acht nehmen! Der da in der Mitte, naja, kann man versuchen, der ist noch nicht zertifiziert. Aber wenn sie Interesse an seriösem Hütchenspiel haben, sollten sie sich an den Mann da rechts halten. Ein super Erlebnis!
Die katholische Kirche also untersucht lange schon die Glaubwürdigkeit von Marienerscheinungen, und wir wollen gar wissen, was "untersuchen" in diesem Zusammenhang meint, und warum sie nicht auch gleich alle Ufo- und Elvis-Sichtungen mit abhandeln. Das Ergebnis der intensiven Nachforschungen verblüfft: Maria, der anmutig wandelnde Brutkasten Gottes, von Christen rund um den Erdball verehrt, ist erst ein rundes Dutzend Male aktenkundig geworden. Für eine Frau aus dem vorderen Orient hat sie dabei eine erstaunliche Vorliebe für Frankreich und das benachbarte Belgien entwickelt: Allein die Hälfte aller weltweit "bestätigten" Erscheinungen hat in diesem Fleckchen des Globus stattgefunden, dazu kommt dann noch einmal Polen, einmal Tschechien, und die übrigen Kontinente haben dann mit Glück noch eine Stippvisite abbekommen – außer Australien, aber vielleicht ist sie da auch versehentlich irgendwo in der Wüste appariert, und niemand hat es mitbekommen.
Warum die Mutter Gottes erscheint, ist nie recht nachvollziehbar. Manchmal gibt sie gute Tipps, etwa, sich an die Zehn Gebote zu halten, manchmal begnügt sie sich damit, den Armen Mut fürs weitere Armsein zuzusprechen – wobei sie nie aussieht wie eine Jüdin von vor zweitausend Jahren, sondern doch irgendwie immer neuzeitlichen mitteleuropäischen Gemälden gleicht, oder Marien-Reproduktionen auf Wimpeln, T-Shirts, Bierhumpen.
Sie versteht sich eben anzugleichen. Sie überfordert die Menschen nicht. Sie kommt ihren Erwartungen entgegen, sie sagt nicht allzu viel Neues oder Überprüfbares, wenn überhaupt, und sie verschwindet dann auch rasch wieder. Unklar bleibt, warum sie genau hier in diesem einsamen Wäldchen aufgetaucht ist, um genau jenem armen Schlucker Gottes Weisheit zu künden. Warum sie ihre Apparations-Superpower nicht wirkungsvoller einsetzt, um beispielsweise kurz vor einem WM-Endspiel im Anstoßkreis zu erscheinen. Aber sie ist ja auch nur eine Frau, zudem Mutter - und also ein ganz bescheidenes Wesen.
Zuletzt muss ihr regelrecht mulmig geworden sein. In Knock in Irland haben sich kürzlich geschätzte zweitausend Gläubige getroffen, um vom Auftauchen der Maria bestätigt zu bekommen, dass sie mit ihrem Glauben ganz richtig liegen. Ein 14-Jähriger, den seine Eltern schon zu anderen Pilgerstätten auf der Welt geschleppt haben, hatte vorhergesagt, sie werde dort erscheinen, mit Tag und Uhrzeit. Überhaupt nimmt sie ja vorzugsweise mit den Einsamen, Mühseligen und Beladenen Kontakt auf, Menschen, mit sozialer Not, großen gesellschaftlichen Umbrüchen oder sogar mit der Pubertät zu kämpfen haben. Zu solchen geht sie hin, die Maria, denen vertraut sie sich an. Und die sagen es dann neuerdings dem Internet weiter.
So standen sie also dort vor ein paar Tagen, in Knock in Irland, zweitausend ansonsten recht gut in die Realität integrierte Menschen, und warteten auf das Hologramm Gottes. Maria hat sich dann leider als unpässlich erwiesen, sie ist eben eine rechtschaffene Frau: Der Rummel um ihre Person ist ihr gar nicht recht, oft fühlt sie sich regelrecht benutzt von den Menschen, benutzt ja auch von Gott, immer wieder bekommt sie daher Traurigkeitsanfälle und macht dann inkognito Urlaub an Orten, wo man sie am wenigsten vermutet. Neulich haben wir sie zum Beispiel in einem gut besuchten Café in Berlin-Mitte getroffen, da hat sie mal durchgepustet von dem ganzen Muttergottes-Stress, das tat ihr gut, es war ein Strahlen um sie, und wir sehen keinen vernünftigen Grund, an ihrer Identität zu zweifeln.
8 Kommentare
Kommentare
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ich hätte auch einen Tipp für Maria, falls sie mal wieder in besagtem Café vorbeischwebt: Sie soll doch mal beim Höhepunkt der Hadsch direkt über der Kaaba schweben. So lange, bis sie mindestens 1 Mio.
Rainer Bolz am Permanenter Link
Aber nur mit angemessener Kopfbedeckung sonst bekommen die Herrschaften einen Schock und benötigen psychologischen Beistand.
Markus Schiele am Permanenter Link
Da Maria im Islam als Mutter des Propheten Jesu sehr verehrt wird, wäre ich mir da leider gar nicht so sicher.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Echt, zweifelhaft, unecht...
Made my day.
Klaus Schedlberger am Permanenter Link
Mode von einem anderen Stern
Die gute Mutter uns´res "Herrn",
sie kommt von einem and’ren Stern
und legt uns dar des Himmels Meinung
als immerwährende Erscheinung,
doch hatte „an“ in all der Zeit
sie stets dasselbe blaue Kleid,
mit diesem güldenfarb’nen Saum –
so schwebte sie durch Zeit und Raum.
Niemals trug sie, als sie erschien,
das „kleine Schwarze“ oder Jean.
Doch einmal klagte sie Gottvater,
sie bräuchte einen Stilberater,
um sie gehaltvoll einzukleiden.
Sie könne es partout nicht leiden
den gleichen "Fummel" stets zu tragen,
das schlüge ihr schon auf den Magen.
Gottvater half ihr aus der Patsche
und holte zu sich Herrn Versace,
den ließ er extra nur erschießen,
aufgrund von dem Designerwissen
des homophilen Modezaren –
darüber war man sich im Klaren.
War dieser Schritt auch ungewöhnlich,
so nahm dies Gianni nicht persönlich.
Er sagte nur zu Gott, er hoffe,
es gäb‘ genügend edle Stoffe,
denn mittels "Haute Couture" könnt´s glücken
selbst die „Madonna“ zu verzücken.
Befreit von ihrem „Einheits-Übel“
ist die "Maria" nun flexibel
und seither trägt die Muttergottes
auch ab und an mal etwas "Flottes"…
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Das würde ich bei der TAZ einreichen, die bringen das vielleicht am 15. August auf der Wahrheitsseite.
Klaus Schedlberger am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Büchner,
ich habe Ihrem Vorschlag betreffend Übermittlung meines Gedichtes "Mode von einem anderen Stern" an die taz Folge geleistet und darf Ihnen von Herrn Michael Ringel Grüße mit nachfolgendem Wortlaut übermitteln:
Sehr geehrter Herr Klaus Schedlberger,
grüßen Sie doch bitte herzlich und unbekannterweise Herrn Karl-Heinz Büchner und richten Sie ihm bitte aus, dass er leider nicht recht hatte, als er meinte, Ihr Werk würde vielleicht am 15. August auf der Wahrheit-Seite abgedruckt. Da passt es bedauerlicherweise so rein gar nicht hin.
Beste Grüße, Michael Ringel
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Schedlberger
ich darf Ihnen Grüße von Herrn Michael Ringel, verbunden mit folgendem Wortlaut, übermitteln:
Stefan Dewald am Permanenter Link
Vgl. die Marienerscheinungen in Marpingen: http://www.spiegel.de/panorama/saarland-kirche-erkennt-marienerscheinungen-nicht-an-a-390382.html
Beim letzten Mal könnte die Zusammenarbeit eines Frittenbuden-Inhabers und eines Großgrundbesitzers hier kreatiefe Auswirkungen gehabt haben. Sagt man so.
http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-14763858.html
Sogar Alice Hoffman hat sich des Themas damals angenommen:
http://www.trottoir-online.de/Kritik:-Zwischen-Sonnenoel-und-Sangria-1886.html
Aber möge sich der geneigte Leser doch ein eigenes Bild machen:
http://mediastorage01.sr-online.de/Video/FS/DOKU/07_Maria_Marpingen_L.mp4