Schaut man in seinen Facebookfeed oder auf Twitter, ist er immer wieder zu sehen: der Hashtag #metoo, zu Deutsch "ich auch". Frauen erzählen damit, dass auch sie bereits Opfer sexueller Belästigung wurden. Manche erzählen detailliert, wie und wo es zu den Vorfällen kam. Ein erschreckendes Zeichen dafür, wie viele Frauen, auch aus meinem Freundeskreis, Opfer sexueller Gewalt geworden sind.
Der Hollywood-Produzent Harvey Weinstein war der Stein des Anstoßes. Über Jahrzehnte hinweg soll er Frauen sexuell belästigt haben, auch Anklagen wegen Vergewaltigung laufen oder liefen gegen ihn. Immer mehr Frauen aus dem Filmgeschäft bekannten sich daraufhin, ebenfalls Opfer Weinsteins geworden zu sein. Zu lange mussten sie schweigen. Umso lauter beklagen sie sich nun.
Und nicht nur sie. Denn den Opfern Weinsteins haben sich unzählige Frauen weltweit angeschlossen, um zu signalisieren, dass auch sie sexuelle Gewalt am eigenen Leib erfahren haben: Im Freundeskreis, in der Familie, beim Feiern, auf der Arbeit. Es scheint, als gäbe es Weinstein überall. In jeder Gesellschaftsschicht, in jedem Land, in jedem Bekanntenkreis. Die an Frauen begangenen Übergriffe reichen von sexistischen Kommentaren über sexuelle Belästigung bis hin zu Vergewaltigung.
Sie solidarisieren sich, um zu zeigen, dass Gewalt gegen Frauen nicht als Randerscheinung abgetan werden darf. Sexuelle Gewalt darf nicht unter den Teppich gekehrt werden. Scheinbar müssen erst die Opfer zeigen, dass sich was ändern muss. Sie müssen auf sich aufmerksam machen. Gerade bei sexistischen Äußerungen oder einem Grabscher bekommt man als Frau oft zu hören, dass man sich nicht so anstellen oder nicht so ein Drama machen soll. Schließlich sei alles nur Spaß.
Doch wo hört Spaß auf? Ich kann über mich selber lachen, keine Sorge. Doch es gibt eine Grenze. Diese Grenze ist erreicht, wenn ich mich erniedrigt fühle, auf mein Äußeres und meine Sexualität herabgestuft werde. Mir wird quasi das Menschsein abgesprochen. Auch durch ein einfaches Hinterherpfeifen werde ich nur zu einem Objekt. Wann und ob ich mich dann erniedrigt fühle, entscheide immer noch ich. Die Entscheidung kann kein anderer Mensch für sich beanspruchen.
Warum wird ein "Nein" nicht einfach akzeptiert? Scheinbar müssen Frauen erst ihre erniedrigenden Erfahrungen und ihre verletzlichste Seite öffentlich im Internet präsentieren, bis ein Teil der Gesellschaft bemerkt, dass immer noch etwas gewaltig schiefläuft.
Und so muss leider auch ich sagen: #metoo. Warum? Um es kurz zu fassen: Weil es reicht.
41 Kommentare
Kommentare
hj_allemann am Permanenter Link
Sie schreiben: "Wann und wo ich mich dann erniedrigt fühle, entscheide immer noch ich." Richtig!
Aber kein Mensch kennt Ihre Gefühle! Die sind bei jedem anders.
Wenn Sie zeigen, daß Sie sich verletzt fühlen, halten sich vernünftige Menschen zurück. Es gibt aber auch andere Menschen. Die sind rücksichtslos gegenüber Jedermann, der sich schwächer zeigt, ob Mann oder Frau.
#metoo Frauen inszenieren sich dann als Opfer. Könnten Männer sich eine solche Inszenierung als Opfer erlauben? Wohl weniger. Ist das dann Sexismus, wenn Frauen das dürfen, Männer kaum?
Sexismus erscheint mir als Totschlagargument, mit dem alles, vom Kommentar bis zur Vergewaltigung über einen Kamm geschoren wird.
Gerade Weinstein (den ich bisher gar nicht kannte) und die Reaktion darauf zeigt doch, daß die Kampagne angeführt wird von verlogenen Menschen. Sie wußten es alle, aber schwiegen. Jetzt, wo der Kerl fällt, tritt man nach. So ein Verhalten widert mich genauso an, wie grapschen.
Aber es gibt wichtigere Probleme als unerwünschte Kommentare oder verlogene Moral in Hollywood. Auch davon soll #metoo wohl ablenken.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
"Wenn Sie zeigen, daß Sie sich verletzt fühlen, halten sich vernünftige Menschen zurück." Dann ist aber die Verletzung schon erfolgt.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ja, das ist das Leben. Wir alle verletzen und werden verletzt. Zumindest gefühlt. Schließlich kann ja, bevor es passiert ist, niemand wissen, wann mein Gegenüber oder ich mich verletzt fühlen.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Hier geht es doch lediglich um (vermeintlich) sexuell motiviertes Verhalten, das möglicherweise als belästigend oder verletzend empfunden werden könnte. Dieses Verhalten kann jeder sofort unterlassen.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Und wer weiß, was " (vermeintlich) sexuell motiviertes Verhalten [ist], das möglicherweise als belästigend oder verletzend empfunden werden könnte"?
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Das wäre auch nicht befriedigend, oder?
Aber ich denke, wenn man alles, was nach eigenem Gutdünken als belästigend oder verletzend empfunden werden könnte vermeidet, hat man alles getan.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Ich denke, es wäre besser, statt in vorauseilendem Gehorsam alles zu unterlassen, was eine/n Gegenüber möglicherweise unbeabsichtigterweise verletzen oder verstimmen könnte, eine Kultur des entschiedenen Auftretens ge
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Warum sehen Sie einen vorauseilenden Gehorsam darin, dass man sich bemüht, niemanden durch sein Verhalten zu belästigen oder zu verletzen?
Warum meinen Sie, dass zunächst das Opfer einer Belästigung in der Pflicht ist („entschiedenes Auftreten“) und nicht der potentielle Täter, damit es gar nicht erst zu einer Belästigung kommt?
Und warum sollte eine Belästigung nicht auch 10 Jahre danach angeprangert werden?
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
Weil es unglaubwürdig wirkt, wenn ich angeblich 10 Jahre lang unter einer "Verletzung" gelitten habe, aber erst dann, wenn es opportun ist, damit an die Öffentlichkeit trete.
Und warum keine Anklage nach 10 Jahren? Weil man auch die Interessen des angeblichen Belästigers im Auge haben muss. Lassen Sie sich mal einer Straftat beschuldigen, für die es keine Beweise gibt, außer der Aussage des Opfers.
Da haben Sie Dreck am Stecken, egal, ob die Anschuldigung zutrifft oder nicht.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Könnte es sein, dass auch ein erwachsener Mensch sich scheut, eine erlittene sexuelle Belästigung öffentlich anzuprangern, wenn sie meint ganz allein dazustehen?
Ist nicht in erster Linie der potentielle Belästiger in der Pflicht, sich so zu verhalten, dass sich erst gar nicht jemand gegen ihn zur Wehr setzen muss? Darf jeder solange belästigt werden bis er sich wehrt?
> Lassen Sie sich mal einer Straftat beschuldigen, für die es keine Beweise gibt, außer der Aussage des Opfers. Da haben Sie Dreck am Stecken, egal, ob die Anschuldigung zutrifft oder nicht. <
Das ist allerdings ein Riesenproblem, das aber nicht erst nach 10 Jahren entsteht.
Ilse Ermen am Permanenter Link
a) Lieber spät als nie.
b) Hollywood ist sicher ein Betrieb, in dem es um Geld und Macht und nicht um "Kunst" geht sondern um die Herstellung mainstreamiger Massenprodukte. Zu den Materialien gehört u.A. der Körper der Darsteller_innen, insofern sind Aspekte wie Aussehen und Untergewicht besonders wichtige Faktoren für die Karriere, die Wahrscheinlichkeit von Übergriffen evtl. höher als anderswo. Es ist anzunehmen, dass zahlreiche Akteur_innen sich den "Regeln" des Business anpassen, Hauptsache Karriere…
Damit ist nicht gesagt, dass alle damit einverstanden sind, derartiges zu behaupten bedeutet unterschwellig "Schauspielerinnen wollen das nicht anders".
c) Da sexualisierte Gewalt immer noch als durch das Opfer ausgelöst betrachtet wird und klagende Frauen diskriminiert werden, egal wo und wie etwas passiert, ist es gut und richtig, dass sich Kollektive gegen Intensivtäter stellen, da die einzelne Frau nicht so leicht so leicht rausgepickt werden kann. Egal wo, ob in Hollywood, an der Universität oder am Fliessband. Ich nehme an, dass eine Klage für die wenigen männlichen Opfer auch nicht lustig ist: "Hättest doch gratis ne Niummer schieben können!" Womit Männern unterstellt wird, sie hätten nichts anderes im Kopf als Gratisnummern zu schieben.
d) Wenn jemand Opfer eines Raubüberfalls wird, würden Sie dann sagen, der Mensch (m/f) der zur Polizei geht, inszeniert sich als Opfer?
e) Das Beispiel Hollywood, aber auch der Fall DSK zeigt besonders deutlich den Zusammenhangvon Macht und Sexualität: als Inhaber einer Machtposition kann ich es mir erlauben, über den Körper meiner Untergebenen zu verfügen - ich erinnere an das "Recht der ersten Nacht" im Feudalismus (jetzt sagen Sie bloss nicht, "die betreffenden Frauen hätten klagen können"). Umgekehrt suchen machtlose Habenichtse nach einem Objekt, dem sie Macht zeigen können: Frauen. Darunter fällt sowohl die häusliche Gewalt als auch die Belästigung auf der Strasse, die allzuoft NICHT als Flirt unter Gleichen gemeint ist.
f) Wichtigere Probleme als Skandale in Hollywood? Sicher, doch dieser Skandal ist die Spitze eines Eisberges, der alle betrifft.
mgs am Permanenter Link
"Die an Frauen begangenen Übergriffe reichen von sexistischen Kommentaren über sexuelle Belästigung bis hin zu Vergewaltigung."
Eine indifferente Gleichstellung von:
a) sexistischen Kommentaren
b) sexueller Belästigung
c) Vergewaltigung
heißt: wahre Gewalt zu verharmlosen.
Sexuell konnotierte Äußerungen, verunglückte Komplimente - eventuell bildungsfern geäußerte Avancen, per se in den Verbrechenssektor zu transferieren ist mehr als unüberlegt. Gleichzeitig Frauen als einziges Ziel und ewiges Opfer einer männlichen Sexualität zu stilisieren ist in der Tat dämlich.
Doch Frau Schafflick geht noch weiter "durch ein einfaches Hinterherpfeifen" werde ihr "quasi das Menschsein abgesprochen". So einen Unfug im humanistischen Pressedienst lesen zu müssen, das tut einem Menschen weh. Das Menschsein ... das Menschsein, wir rätseln alle, was das letzte Geheimnis des Menschsein ist, ebenso rätsle ich, ob je ein sich durch dieses ordinäre Pfeifen entblödender Pfeifer sein Ziel erlangte: einen freundlichen Blick des Objekts seines Anstaunens. Doch in einem bin ich sicher: Das Menschsein wurde niemanden genommen.
Doch da wird mir Frau Schafflick vehement widersprechen, schreibt sie doch: "Wann und ob ich mich dann erniedrigt fühle, entscheide immer noch ich."
Auweia, wenn die subjektive Wahrnehmung gepaart mit der tolldreisten Behauptung ihrer Geschlechtsgenossin "I'm the proof" zu einem gesellschaftlich akzeptierten Rechtsverständnis bei gleichzeitiger Gleichschaltung eines dummen Jungen Verhaltens mit Kapitalverbrechen wie Vergewaltigung und Auslöschen des Menschseins, dann ... Gnade uns Mama Gott, wenn es sie denn gäbe.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Es müsste doch eigentlich selbstverständlich sein: Da man die "subjektive Wahrnehmung" nicht kennt, sollte man das "dummen Jungen Verhalten" unterlassen.
mgs am Permanenter Link
Lieber Herr Schmidt,
"es müsste doch" ... es ist ja hier nicht die Frage, wie es sein sollte, sondern wie es ist.
Für mich - wie für Sie - völlig unverständlich: Dumme Jungs, die hübschen Mädchen hinterherpfeifen. Was für ein peinliches und vor allem unsinniges Verhalten!
Wo kommt das her? Aus den Bergen? Aus finsteren Höhlenzeiten? Hat es je Erfolg gehabt?
Eine andere Frage ist, wie sollte sich ein angepfiffenes Wesen verhalten?
Der beste Ratschlag ist doch: ignorieren und weitergehen. Was wird passieren? Nichts!
Wer will, kann ein schnippisches Gesicht ziehen, den Stinkefinger zeigen oder eine unflätige Bemerkung in Richtung Pfeifer rufen. Was wird passieren? Nichts! Dann weitergehen.
Unstrittig ist, dass wir hier alle ein solches Verhalten als proletenhaft, idiotisch, blöde empfinden.
Die Frage, die bleibt: Ist dieses blöde Pfeifen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit? Ein von uns bisher tagtäglich missachteter Angriff auf das Menschsein an sich, ein Kapitalverbrechen, das zahlenmäßig den Holocaust übersteigt, und alle schauen weg. Furchtbar!
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Lieber Herr mgs,
es geht doch darum, dass die Täter ihr Verhalten ändern müssen und nicht um Ratschläge, wie die Frauen besser mit der Belästigung klarkommen.
>Was wird passieren? Nichts!<? Die Belästigung ist bereits passiert.
mgs am Permanenter Link
Allgemeine Verhaltensänderungen in Fragen der Etikette sind ein langer Prozess. In einer multi-ethnischen Gesellschaft ohnehin. Erschwerend kommt ein Bildungsgefälle und Erziehungsdefizite hinzu.
Deshalb ist es eine gute Sache, sein Einschätzungsvermögen zu schärfen: was ist ein Raubüberfall, was eine drohende Vergewaltigung, was eine dumme Anmache, was ein verunglücktes Kompliment, was völlig legitime Freundlichkeit. Und wie gehe ich mit der Situation um. Ignorieren ist ein guter Ratschlag. Ein klares "Nein!", wo es erforderlich ist, auch.
Ilse Ermen am Permanenter Link
So, es ist also keine Gewalt, täglich verbal belästigt zu werden? Ist es keine Gewalt, ab und zu eine Ohrfeige zu bekommen oder zumindest eine entsprechende Drohung?
Es kann schwierig sein, zwischen einer harmlosen Anmache und Belästigung zu unterscheiden: wichtig ist zunächst das Verständnis des Wortes NEIN. Dann Übergriffe wie Grapschen - kein Mensch hat ungefragt an anderen rumzufummeln. Berührung sekundärer und primärer Geschlechtsteile sind körperliche Gewalt. Dann gibt die Art Anmache, die der Frau ihre Grenzen zeigen will: eigentlich hast du auf der Strasse nichts zu suchen, du hast nicht nach links und nach rechts zu schauen, du musst geradenweges nach Hause….
Ihnen hat wahrscheinlich noch niemand auf der Strasse hinterhergepfiffen noch ebenda irgendetwas über die Form Ihres Schwanzes gesagt (oder diesen angefasst), ihnen einen Finger in den Hintern gesteckt oder gesagt, dass sie Sie mal gerne kurz durchknallen würde, oder in einer dunklen Strasse verfolgt (schätze, hinter dem Kürzel steckt ein Mann).
Ilse Ermen am Permanenter Link
Es wird doch prinzipiell das Opfer zur Täterin gemacht: der Rock zu kurz, die Stunde zu spät, die Haare zu blond, die Haut zu dunkel, kurz: Schuld, eine Frau zu sein.
Ich habe einen Fall von Belästigung an der Universität, jawohl, in den heiligen Hallen der Alma Mater, mitbekommen, wo sich die Stimmung gegen die Assistentin richtete, die sich gewehrt hatte (es ist meist noch ein Machtgefälle inbegriffen: Professor belästigt Assistentin oder Studentin, Assistent belästigt Studentin). In dem Moment, wo ich Kolleginnen davon erzählt hatte, berichteten sie mir plötzlich von ihren Erfahrungen, ich bin aus allen Wolken gefallen, da ich selber das Glück hatte, nie Opfer von Belästigung am Arbeitsplatz zu sein. Über das meiste wird überhaupt erst gesprochen, wenn das Thema aufkommt, daher jetzt dieser orkanartige Ausbruch hinter der Mauer des Schweigens.
Meine einschlägigen Erfahrungen beschränken sich zu 90% auf den öffentlichen Raum und waren auch noch länderspezifisch - in Frankreich oder Italien ca.100x häufiger als in Deutschland oder gar der Schweiz; die Täterschaft war leider auch herkunftsgeprägt (je machistischer die Herkunftskultur, desto verbreiteter das Mackertum), auch die Wahl der Opfer kann ethnisch geprägt sein (Europäer z.B. baggern evtl. häufiger Asiatinnen an).
Schlimme Gewalttätigkeiten bleiben mir erspart, doch ist es mir noch in sehr schlechter Erinnerung, dass ich mir während meines Studiums in Paris angewöhnen musste, starren Blickes und steten Schrittes von A nach B zu gehen, anstatt schlendernd die Blicke schweifen zu lassen.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Warum erkennen diese Männer in ihrem Verhalten eigentlich nicht die Selbsterniedrigung durch Betteln um die Gunst der Frauen. Täten sie es, gäbe es die Probleme für die Frauen wohl nicht.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
Gewalt und Ausbeutung müssen thematisiert werden, und es ist gut, dass eine Frau den Anfang und damit vielen anderen Frauen Mut gemacht hat. Vielleicht hat sie damit den betroffenen Männern auch Angst gemacht.
Auch mit dem Artikel bin ich fast ganz einverstanden. Ich frage mich aber: Darf ein Mann einer Frau, die er gerade erst kennenlernt, nach Meinung der Autorin ein Kompliment über ihr Aussehen machen? Eines in der Art von "Sie sehen in diesem Kleid ganz hinreißend aus"? Immerhin könnte man auch das bereits als "Herabstufung auf das Äußere und die Sexualität" betrachten.
Nicht in allen Gesellschaftsschichten wird die Formulierung "Sie sehen in diesem Kleid ganz hinreißend aus" gewählt. Das Proletariat kürzt diesen Satz ab, indem der Mann pfeift. Ich denke, dass der Inhalt wirklich der selbe ist. Er ist nur anders formuliert.
Beim klassischen Griff auf das Gesäß schaut die Sache dann wieder anders aus. Hier wird bereits in die Intimsphäre eingegriffen. Eine Ohrfeige wäre als Antwort angebracht. Ein kreativer Kopf hat einmal vorgeschlagen, dass dem Grapscher ebenfalls ans Gesäß gegriffen werden sollte. Aber nicht von einer Frau, sonern von einem alten Mann. Ich bin nur deshalb dagegen, weil ich vom Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn" nichts halte. Aber der Gedanke an sich regt zum Nachdenken an.
Zurück zur Reduzierung auf ein Objekt: Ich denke, dass man einen Musiker ohne Berücksichtigung seines Charakter für seine Musik loben darf, ebenso einen Sportler für seine sportlichen Leistungen. Dasselbe gilt für das Aussehen - v.a., wenn man bemerkt, dass der betreffende Mensch sich bemüht, gut oder sogar attraktiv auszusehen.
Wenn die Frau dann erklärt: "Ich will zwar gut aussehen, aber nicht für dich, also geh bitte weiter und hör auf zu pfeifen!", dann ist das selbstverständlich von jedem Mann zu akzeptieren. Ich sehe keinen Grund, warum einer der beiden empört sein sollte.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
1. Würden Sie auch einem Mann sagen: "Sie sehen in dieser Hose ganz hinreißend aus"?
2. "...also geh bitte weiter und hör auf zu pfeifen!" Dann hat er aber schon gepfiffen.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
S.g. Herr Schmidt!
1.: Nein, einem Mann würde ich das nicht sagen. (Ich sage es auch zu keiner Frau, aber das hängt mit meinem Beruf zusammen) Ich stehe dazu und halte es für völlig normal, dass ich Frauen anders anschaue als Männer, so wie ich auch Erwachsene anschaue als Kinder. Ich finde das einfach ganz natürlich.
Ich überlege gerade, wie ich reagieren würde, wenn mir ein Mann Komplimente wegen meines Äußeren machen würde. Es würde mich zwar irritieren, weil es einfach total unüblich ist. Aber stören oder gar verletzen würde es mich sicher nicht. Man nehme das Leben mit Humor!
2.: Wie ich bereits schrieb: Ein Hinterherpfeifen ist meistens nichts anderes als ein Kompliment (jedenfalls fasse ich es üblicherweise so auf, als unbeteiligter Dritter). Deshalb muss man es nicht als Beleidigung auffassen. Siehe dazu den Beitrag unterhalb von Juliana Bernholt.
Juliana Bernholt am Permanenter Link
Wann ist eine sexuelle Belästigung eine sexuelle Belästigung?
Lange habe ich überlegt, ob und wie ich auf den Bericht *metoo* reagiere. Unumstritten ist das NEIN einer Frau oder eines Mädchens aber auch das eines Mannes oder Jungen in einer sexuell anzüglichen Situation. Kein Mann darf eine Frau anzüglich berühren wenn diese das nicht möchte.
Doch wie ist das, wenn ein Mann einer Frau das Angebot macht, sie bekäme Geld oder die Chance Geld zu verdienen, wenn sie sich ihm hingibt. Ist das jetzt sexuelle Belästigung oder ein Geschäft? Wie ist das, wenn ein Mann mir hinterherpfeift? ‚Hast dich für dein Alter gut gehalten‘, denke ich dann und schmunzele. Viele Frauen reagieren allerdings bereits bei diesem Beispiel anders und empfinden dieses Pfeifen als Belästigung.
Warum?
Vorgestern kam mir in der Einkaufspassage ein gutgekleideter älterer Mann entgegen, schaute mir direkt in die Augen, während er mich im Vorbeigehen anlächelte. Ich erwiderte den Blickkontakt und lächelte ebenfalls aus Höflichkeit zurück. War das jetzt ein Fehler? Hätte ich das Lächeln des fremden Mannes als Anzüglichkeit bewerten sollen? Blödsinn!
Nicht jeder Mann will gleich etwas von einer Frau, nur weil er sie anlächelt, ihr nachpfeift, sie vielleicht sogar zu einem Kaffee einlädt.
Eine Frau, die mit einem Mann einen freiwilligen sexuellen Handel eingeht, wie dies nicht nur in der Filmbranche vorkommt, sagt JA zu sexuellen Handlungen. Es ist ihre Entscheidung. Überlegt sie es sich jedoch anders, hat der Mann das zu respektieren. Der Handel ist dann hinfällig.
Wo ist die Grenze dessen was Männer noch dürfen und Frauen erdulden müssen?
Edmund Schmidt am Permanenter Link
> Wann ist eine sexuelle Belästigung eine sexuelle Belästigung? <
> Wo ist die Grenze dessen was Männer noch dürfen und Frauen erdulden müssen? <
Der ältere Mann in Ihrem Beispiel hätte Ihnen deshalb besser nicht in die Augen geschaut. Er konnte ja nicht wissen, ob sie es nicht als Anzüglichkeit empfinden.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Da aber Männer die individuelle Grenze vorher nicht kennen können, müssen sie sich so verhalten, dass es nicht zu einer unbeabsichtigten Belästigung kommen kann."
Habe ich das richtig verstanden? Blickkontakt als Grenzüberschreitung?
Frauen könnten z.B. auch Angst haben/es negativ empfinden, einem Mann auf dem Bürgersteig zu begegnen. Also sollte jeder Mann präventiv die Straßenseite wechseln, wenn ihm eine Frau begegnet, den Blick immer schön zu Boden gesenkt, damit die Frau nicht denkt, er würde sie trotzdem anschauen. Anlächeln ist sowieso verboten.
Es könnte auch sein, dass sich Frauen von Männern in Restaurants, Kneipen etc. belästigt fühlen. Also am besten Männer- und Frauen-Restaurants einführen. Männer- und Frauen-Busse, -Bahnen, -Schulen, -Schwimmbäder, -Kinos, -Ärzte ...
Da wir trotzdem noch den Gleichberechtigungs-Artikel im GG haben, dürfen natürlich auch Frauen Männer nicht anschauen, ansprechen etc. Mit einem Wort: Sie propagieren die totale Geschlechterapartheit.
Willkommen im 21. Jh.!
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Nein, Herr Kammermeier, das haben Sie falsch verstanden. Es geht hier nicht um die bloße Anwesenheit von Männern, sondern um deren Verhalten, wenn dieses als Belästigung empfunden werden könnte.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Im Beispiel der Frau Bernholt ging es um einen fremden Mann, der ihr in einer Einkaufspassage direkt in die Augen geschaut hat.
Sie bestätigen genau das, was ich geschrieben hatte. Also habe ich Sie doch richtig verstanden. Ich will mich mal an dieser Stelle schonungslos outen: Ich habe mich seit meiner Pubertät so verhalten, wie Sie es gerne bei allen Männern sehen würden: Ich habe Frauen nicht angeschaut, sie gemieden, mit ihnen logischerweise auch keinen Kontakt aufgenommen (denn am Anfang steht der Blickkontakt, oder?). Die Folge war, dass ich in puncto Frauen über ein Jahrzehnt lang schmerzhaft einsam war.
Vermutlich haben sich die Frauen an den gleichen Kodex gehalten und jeglichen Blickkontakt mit mir gemieden, weil sie mich ja nicht belästigen wollten. Nun ja, so ergeht da einem, der sich früh auf die Fahnen geschrieben hat, Frauen nicht schlecht zu behandeln. Die Männer, die sich nicht gescheut haben, Blickkontakt mit Frauen aufzunehmen, haben sich da vielleicht falsch verhalten, aber sie waren nicht einsam.
Was ist also richtig? Nun, der Islam kennt die arrangierte Ehe. Vielleicht ist das eine Option...
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Das „falsch verstanden“ bezog sich auf Ihre Vermutung, dass ich Geschlechterapartheit propagieren würde.
Es geht doch darum, welches Verhalten die Frauen gerne bei allen Männern sehen oder nicht sehen würden. Deshalb auch Aktionen wie #MeToo.
> Die Männer, die sich nicht gescheut haben, Blickkontakt mit Frauen aufzunehmen, haben sich da vielleicht falsch verhalten, aber sie waren nicht einsam. <
Das würde ja bedeuten, dass man sich solange gegenüber Frauen falsch verhalten muss, bis man an eine gerät, die sich dadurch nicht belästigt fühlt. Mit den Schuldgefühlen gegenüber den anderen muss man dann leben.
Im Übrigen habe ich mich immer so ähnlich verhalten wie Sie. Trotzdem bin ich (nicht arrangiert) verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Es hätte allerdings leicht anders kommen können.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Das „falsch verstanden“ bezog sich auf Ihre Vermutung, dass ich Geschlechterapartheit propagieren würde."
Davon bin ich auch nicht ausgegangen. Es war eine überspitzte Formulierung, die sich aber konsequent aus Ihrer Prämisse ableiten lässt.
"> Ich habe mich seit meiner Pubertät so verhalten, wie Sie es gerne bei allen Männern sehen würden <
Es geht doch darum, welches Verhalten die Frauen gerne bei allen Männern sehen oder nicht sehen würden."
Da Sie in Ihren bisherigen Posts davon ausgehen, dass Männer die Wünsche von Frauen nicht einmal erahnen können (dürfen) und sie sich deshalb komplett zurückhalten MÜSSEN, läuft es doch zwangsläufig auf eine Geschlechterapartheit hinaus. Wie sollte das denn verhindert werden, wenn wir uns maximal zurückhaltend verhalten?
"Deshalb auch Aktionen wie #MeToo."
Ich habe die Aktion als Abwehr gegen übergriffige Männer verstanden. Also wenn ein "Nein!" nicht als "Nein!" akzeptiert wird. Ich habe darin nicht das Verbot, Frauen anzusehen, erkannt.
"> Die Männer, die sich nicht gescheut haben, Blickkontakt mit Frauen aufzunehmen, haben sich da vielleicht falsch verhalten, aber sie waren nicht einsam. <
Das würde ja bedeuten, dass man sich solange gegenüber Frauen falsch verhalten muss, bis man an eine gerät, die sich dadurch nicht belästigt fühlt."
Lesen Sie eigentlich auch, was Sie schreiben? Ich hatte Ihnen an meinem Beispiel geschildert, welche Konsequenzen dieses Verhalten hatte. Mir hat eine Frau, die mir helfen wollte, GERATEN, ich müsse Blickkontakt mit Frauen aufnehmen, sonst würde das nie was werden. Aber das war eine andere Zeit, wo man so was als Mann noch durfte und die, die es nicht konnten, waren die Loser.
"Mit den Schuldgefühlen gegenüber den anderen muss man dann leben."
Welche Schuldgefühle? Heute weiß ich, dass ich diese Schuldgefühle nie hätte haben müssen, weil sie Blödsinn sind. Niemand muss ein Schuldgefühl haben, wenn er einen anderen Menschen anschaut. Damals kam ich damit nicht klar und war allein mit meinen Gefühlen. Glauben Sie mir: Das hat sich richtig beschissen angefühlt!
"Im Übrigen habe ich mich immer so ähnlich verhalten wie Sie. Trotzdem bin ich (nicht arrangiert) verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Es hätte allerdings leicht anders kommen können."
Ich bin irgendwann unerwartet von einer älteren Frau verführt worden, aber trotzdem fehlt etwas in meiner Biografie. Wenn Sie nicht arrangiert verheiratet sind, wie haben Sie Ihre Frau ohne Blickkontakt kennengelernt? Oder hat sie die Initiative übernommen? Dann hat sie ja unendliche Schuld auf sich geladen. Wie kann man nur einen wildfremden Mann anschauen...?
Ich geben Ihnen einen gutgemeinten Tipp: Bedenken Sie einmal Ihre Interpretation von #MeToo zu Ende. Was bedeutet es für das Zusammenleben, wenn man seine Mitmenschen nicht mehr anschauen darf - außer nach Geschlechtern sortiert? Ich habe mühsam gelernt, dass ich in meiner Jugendzeit einem falschen Ideal nachgerannt bin. Ich hatte mich gut dabei gefühlt, den anderen Männern überlegen, die sich "nicht im Griff" hatten. Vielleicht war dies auch nur eine billige Ausrede, weil ich zu schüchtern war. Wer weiß. Faktisch verlief diese Zeit nicht so, wie ich es erhofft hatte. Und wer weiß, wie vielen Frauen ich damals begegnet bin, die sich wünschten, ich hätte sie beachtet...
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Ich sehe, dass wir im gleichen Zeitraum (10 Jahre) fast das gleiche Problem hatten. Dass ich damit sehr unzufrieden war, hätte ich mir niemals anmerken lassen.
Ich denke, bei #MeToo geht es auch um die alltäglichen kleinen sexuell motivierten Belästigungen, denen viele Frauen offensichtlich ausgesetzt sind. Dazu kann ja auch ein als anzüglich empfundenes in-die-Augen-schauen gehören.
Ich weiß von ein paar Männern, die dafür sogar schon von Frauen zurechtgewiesen wurden („Was gucken Sie mich so an?!“), sodass sich die Blicke der Passanten auf den Übeltäter richteten.
> Niemand muss ein Schuldgefühl haben, wenn er einen anderen Menschen anschaut. <
Wenn mir bewusst wird, dass ich jemanden (wenn auch ungewollt) belästigt habe, entsteht bei mir doch ein Schuldgefühl. Das bleibt auch nach einer Entschuldigung, die angenommen wurde.
> Wenn Sie nicht arrangiert verheiratet sind, wie haben Sie Ihre Frau ohne Blickkontakt kennengelernt? <
Wir waren Arbeitskollegen. So war der Blickkontakt ganz normal (unverdächtig), weil wir ja als Arbeitskollegen miteinander gesprochen haben. Und wir hatten ja relativ viel Zeit uns allmählich näher zu kommen. Meine Frau war dabei sicher weniger vorsichtig als ich. Aber ich denke, Frauen haben es da auch wesentlich leichter als Männer. Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann sich so leicht durch eine Frau sexuell belästigt fühlen könnte, egal wie lange sie ihm direkt in die Augen schaut usw.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Ich sehe, dass wir im gleichen Zeitraum (10 Jahre) fast das gleiche Problem hatten. Dass ich damit sehr unzufrieden war, hätte ich mir niemals anmerken lassen."
Das war mir von dem Moment an klar, als ich Ihren ersten (weltfremden) Kommentar las. Ich war auch mal weltfremd. :-)
"Und ich sehe auch, dass an meiner Denkweise, die mir vollkommen logisch erscheint, irgendetwas falsch sein muss, wenn ich an die drohende „Geschlechterapartheit“ denke."
Das ist der Weg, den ich schon lange zurückgelegt habe, auf dem Sie weitergehen müssen. Die Religion hat ein vormodernes Konzept (Geschlechterapartheit) zum Umgang mit der grundsätzlich vorhandenen Problematik entwickelt, das heute überwunden werden kann, ohne dass jemand darunter leidet.
"Es hat mir nur noch niemand überzeugend erklären können, was genau daran unlogisch und falsch ist. Mir wird sie im Gegenteil eher bestätigt."
Die Bestätigung rührt wohl aus einer nicht offen geführten Diskussion in der Öffentlichkeit. Hier ist dringender Gesprächsbedarf.
"Ich denke, bei #MeToo geht es auch um die alltäglichen kleinen sexuell motivierten Belästigungen, denen viele Frauen offensichtlich ausgesetzt sind. Dazu kann ja auch ein als anzüglich empfundenes in-die-Augen-schauen gehören."
Teilweise. Als "anzüglich" kann man und frau im Prinzip alles empfinden. Also kann dies nicht das Kriterium für ein gesellschaftliches Miteinander sein. Nicht vorauseilender Gehorsam dem anderen Geschlecht gegenüber ist gefragt, sondern eine Überprüfung des eigenen Verhaltens nach ethischen Maßstäben. Wenn ich mich anständig verhalte, dann mag dies anderen sauer aufstoßen, aber das ist dann deren Problem.
"Ich weiß von ein paar Männern, die dafür sogar schon von Frauen zurechtgewiesen wurden („Was gucken Sie mich so an?!“), sodass sich die Blicke der Passanten auf den Übeltäter richteten."
Sollen sie! Wir haben Augen und sind sehr stark auf visuelle Eindrücke programmiert. Wäre es anders, würde z.B. die Fortpflanzung nicht funktionieren. Man stelle sich vor, die visuelle Erscheinung einer Frau würde jeden Mann kalt lassen. D.h. es gäbe keinerlei Attraktion beim anderen Geschlecht. Wie sollte das dann vonstatten gehen? Eine Fortpflanzungsbehörde schreibt geeignete Männer und Frauen an, sie mögen sich bitte im Institut für Arterhaltung melden, um dort zu kopulieren? Das ist doch albern.
Es gibt einen schönen Spruch von vernünftigen Frauen dazu: "Das einzige, was schlimmer ist, als einer Frau hinterherzuschauen ist, dass man ihr nicht hinterherschaut."
"> Niemand muss ein Schuldgefühl haben, wenn er einen anderen Menschen anschaut. <
Wenn mir bewusst wird, dass ich jemanden (wenn auch ungewollt) belästigt habe, entsteht bei mir doch ein Schuldgefühl. Das bleibt auch nach einer Entschuldigung, die angenommen wurde."
Dieses "Schuldgefühl" kann man überwinden. Es gibt genügend vernünftige Frauen, die es wertschätzen, wenn sie beachtet werden. Und wenn Frauen sich dies verbitten, dann würde ich zurückfragen, wann sie denn vorhätten, erwachsen zu werden.
"> Wenn Sie nicht arrangiert verheiratet sind, wie haben Sie Ihre Frau ohne Blickkontakt kennengelernt? <
Wir waren Arbeitskollegen. So war der Blickkontakt ganz normal (unverdächtig), weil wir ja als Arbeitskollegen miteinander gesprochen haben. Und wir hatten ja relativ viel Zeit uns allmählich näher zu kommen. Meine Frau war dabei sicher weniger vorsichtig als ich."
Der Klassiker: Frau erlöst schüchternen Mann. Dies ist leider noch immer die Ausnahme, da auch Frauen in einem tradierten Frauenbild festhängen. Es reicht ja nicht, wenn sich Männer ändern und weniger forsch werden, sondern auch Frauen müssten sich im gleichen Maß ändern, sonst klafft eine Lücke in der Geschlechterkommunikation. Diese Lücke sollte uns Angst machen.
"Aber ich denke, Frauen haben es da auch wesentlich leichter als Männer."
Das stimmt nur auf dem Papier, nicht im wirklichen Leben. Frauen können sich nämlich auch nur schrittweise emanzipieren. Das sind Fortschritte entgegen der biologischen Programmierung, die in einer freiheitlichen offenen Gesellschaft gegangen werden können, weil wir eben nicht mehr auf freier Wildbahn leben.
"Denn ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Mann sich so leicht durch eine Frau sexuell belästigt fühlen könnte, egal wie lange sie ihm direkt in die Augen schaut usw."
Frauen schauen praktisch nie fremden Männern in die Augen. Das fällt mir immer wieder auf. Aber wenn es geschieht, freut es mich. Warum sollte ich mich belästigt fühlen? Es tut nicht weh und sagt nur: "Ich habe dich wahrgenommen!" Mit einem Blickkontakt sind keine weitergehenden sozialen Verpflichtungen verbunden. Aber er könnte der Beginn von etwas schönem werden. Solange niemand den Fehler begeht, bereits im Blickkontakt eine Art "Einverständniserklärung" für was auch immer zu sehen, ist die Welt doch in Ordnung.
Allerdings sind Männer wohl generell empfänglicher für weibliche Zuwendung und verdrängen das Gefühl, missbraucht oder belästigt zu sein, erfolgreicher, als dies Frauen gelingen mag. Ich kann dies aus eigener Erfahrung bestätigen. Wäre ich eine Frau gewesen und meine erste Freundin ein Mann, hätte man - situationsbedingt - von einer Vergewaltigung sprechen können. Doch das mache ich nicht, weil ich es nicht so empfunden habe. Aber ich kann mir gut vorstellen, dass es eine Frau an meiner Stelle so gesehen haben könnte und Anzeige erstattet hätte.
Ich hoffe, dass es irgendwann eine weit über #MeToo hinausgehende Diskussion geben wird, die vor allem weniger scheinheilig geführt wird, in der offen über Geschlechterrollen, biologische Voraussetzungen und deren verstandesgemäße Überwindung gesprochen wird, ohne dass sich ein Geschlecht zurückgesetzt fühlt. Es geht letztlich um ein zufriedenes Zusammenleben, das niemanden unter Druck setzt, aber doch die Entfaltung aller Wünsche (soweit möglich) zulässt.
Dabei müssen Männer UND Frauen eng zusammenarbeiten. Alleine wird es keine Gruppe schaffen, solange die andere Gruppe von einem "Weiterso" träumt...
Edmund Schmidt am Permanenter Link
> Das war mir von dem Moment an klar, als ich Ihren ersten (weltfremden) Kommentar las. <
> Das ist der Weg, den ich schon lange zurückgelegt habe, auf dem Sie weitergehen müssen. <
Naja, das Problem hat sich inzwischen durch mein Alter erledigt. Heute könnte es mir höchstens passieren, dass ich mitleidig belächelt werde. :-)
Trotzdem würde mich interessieren, was falsch gelaufen ist, woran es lag und wie viele Männer das betrifft. Ich denke, die Dunkelziffer liegt bei nahezu 100%. Denn sie werden sich höchstens im Nachhinein outen.
Jedenfalls verursachen diese Männer mit Sicherheit keine #MeToo-Probleme!
> Die Religion hat ein vormodernes Konzept (Geschlechterapartheit) zum Umgang mit der grundsätzlich vorhandenen Problematik entwickelt, … <
Religion hatte nie Einfluss auf mich. Ich gehöre zur dritten konfessionsfreien Generation in meiner Familie.
> Die Bestätigung rührt wohl aus einer nicht offen geführten Diskussion in der Öffentlichkeit. Hier ist dringender Gesprächsbedarf. <
Die Betroffenen werden wohl kaum bereit sein, darüber zu reden, schon gar nicht öffentlich, weil sie sich schnell dem Vorwurf der Larmoyanz ausgesetzt sehen, den sie selbst wahrscheinlich auch für berechtigt halten.
> Man stelle sich vor, die visuelle Erscheinung einer Frau würde jeden Mann kalt lassen. <
Es geht hier ja nur darum, ob er es sich anmerken lässt.
> Der Klassiker: Frau erlöst schüchternen Mann. <
Wobei ich mich nicht einmal als schüchtern bezeichnen würde, sondern eher als Bedenkenträger.
> Frauen schauen praktisch nie fremden Männern in die Augen. <
Das ist mir als ganz junger Mann ein paarmal passiert. Als Bedenkenträger konnte ich nur nichts damit anfangen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Und die Selbsterniedrigung der Männer ergibt sich aus der Einseitigkeit ihres Handelns."
Einseitig handeln muss der, der a) handeln will und b) in den "übergriffigen" Bereich mangels Entgegenkommen treten muss. D.h. nicht, dass er übergriffig werden muss oder darf, sondern nur, dass er in diesen Bereich, der eigentlich den Frauen vorbehalten ist, eindringen muss, um seinem Wunsch des Handelns nachzukommen, bzw. nachkommen zu können.
Das mag man als Selbsterniedrigung wahrnehmen, doch ist es eher unsicheres Terrain, da jedem Mann klar sein muss, dass er sich quasi im Intimbereich von Frauen bewegt. Der schüchterne Mann wird sich in diesen Bereich nicht vorwagen, bzw. ihn fluchtartig verlassen. Der normal konditionierte Mann wird sich wie ein Gast dort bewegen und die notwendige Achtung walten lassen. Der "forsche/testosterongesteuerte" Mann wird unangemessen deutlich, produziert Altherrenwitze und hat seine Finger nicht im Zaum. Gerade Letztere sehen das nicht als Selbsterniedrigung, sondern als ihr gutes Recht.
"Heute könnte es mir höchstens passieren, dass ich mitleidig belächelt werde. :-)"
Auch muss man drüberstehen. Ich kann heute auch völlig ohne Hintergedanken Komplimente machen. Wenn das nicht gut ankommt, dann habe ich nicht den geringsten Grund, mich schlecht zu fühlen.
"Trotzdem würde mich interessieren, was falsch gelaufen ist, woran es lag und wie viele Männer das betrifft. Ich denke, die Dunkelziffer liegt bei nahezu 100%. Denn sie werden sich höchstens im Nachhinein outen."
Ein guter Punkt. Die Natur legt die Erscheinungsformen der Lebewesen grundsätzlich immer so breit wie möglich an, um rasch auf Umweltänderungen zu reagieren, bzw. der Selektion genügend geeignete Mutationen zu lassen. Daher gibt es alles in puncto Fortpflanzung: vom völlig introvertierten schüchternen Mann bis zum Supermacho. Frauen steuern durch ihr Verhalten (Frauen sind faktisch für die Auswahl ["ranlassen"] zuständig), welche Verhaltensform sich fortpflanzen darf. Würden sie nur den schüchternen Mann "wählen", wäre der Supermacho vermutlich ausgestorben. Umgekehrt wäre der schüchterne Mann der Selektion zum Opfer gefallen, wenn Frauen nur an Supermachos interessiert wären. Es ist offenbar der "Mittelmann", der auf Gegenliebe stößt.
"Jedenfalls verursachen diese Männer mit Sicherheit keine #MeToo-Probleme!"
Das ist unzweifelhaft richtig. Allerdings ist das auch keine Lösung. Wobei sich #MeToo auch eher an solche Fälle wendet, in denen Männer ihre Machtposition ausnutzen, um Frauen in sexistischer Absicht zu erniedrigen. Zumindest wäre dieses Ziel der Debatte sinnvoll. Leider werden in diese Diskussion auch Komplimente etc. als angeblich übergriffig gemischt. Das ist ein Fehler, weil das den Sexismus unangemessen relativiert.
"Religion hatte nie Einfluss auf mich. Ich gehöre zur dritten konfessionsfreien Generation in meiner Familie."
Glückwunsch! Ich brachte das auch nur als Ursache für unser "Geschlechterapartheitsdenken" ins Spiel. Wir haben durch Religion den natürlichen, respektvollen Umgang der Geschlechter miteinander verlernt, bzw. nie entwickeln können.
"Die Betroffenen werden wohl kaum bereit sein, darüber zu reden, schon gar nicht öffentlich, weil sie sich schnell dem Vorwurf der Larmoyanz ausgesetzt sehen, den sie selbst wahrscheinlich auch für berechtigt halten."
Das sehe ich auch so. Mit Frauen darüber zu diskutieren ist erfahrungsgemäß sinnlos, weil sie sich aus soziobiologischen Gründen gar nicht in die Position des Mannes hineinversetzen können (das geht umgekehrt auch nicht). Ich vermute, die zurückhaltenden Männer wirken auf Frauen immer etwas suspekt, vielleicht sogar unheimlich. Vor allem, wenn man noch "Jungmann" ist. Der "mittelforsche" Mann hingegen ist sehr beliebt und für einen solchen gehen Frauen auch schon mal zur Mittellinie der Geschlechterkommunikation.
"> Man stelle sich vor, die visuelle Erscheinung einer Frau würde jeden Mann kalt lassen. <
Es geht hier ja nur darum, ob er es sich anmerken lässt."
Das ist ja klar, ansonsten gäbe es die Spezies Mensch auch nicht mehr. Aber genau hier ist der Knackpunkt: Wie gehe ich als Mann mit meinem Interesse für das andere Geschlecht um? Das Interesse hat (fast) jeder, der gesund ist.
1. die passive Option: anmerken lassen (Blicke, Körperstellung). 2. die aktive Option: a) respektvoll/witzig/charmant ansprechen, b) antatschen, übergriffig werden. Der Grübler oder Schüchterne wird sich nicht mal etwas anmerken lassen, weil er dies bereits als Übergriff wertet. Warum? Ich könnte mir Dispositionen durch Erziehung vorstellen.
"Wobei ich mich nicht einmal als schüchtern bezeichnen würde, sondern eher als Bedenkenträger."
"Bedenkenträger" ist die feige Selbsteinschätzung eines schüchternen Mannes. Ich habe mich auch immer hinter Tausenden von Bedenken versteckt. Alles Ausreden!
"> Frauen schauen praktisch nie fremden Männern in die Augen. <
Das ist mir als ganz junger Mann ein paarmal passiert. Als Bedenkenträger konnte ich nur nichts damit anfangen."
Das ist das Produkt erfolgreicher Verdrängung. Weil nicht ist, was nicht sein darf - weil man es sich selbst verbietet (Erziehung!). Letztlich versucht unser Gehirn nur so viel an Schmerz zuzulassen, wie unbedingt nötig ist. Wenn man aufs falsche Gleis in puncto Weiblichkeit geraten ist, dann kann man dauerleidend werden oder das Gehirn suggeriert sich selbst, dass man mit dem anderen Geschlecht sowieso nichts anfangen kann - ergo auch nichts mit dessen Reaktionen/Aktionen.
Für mich macht #MeToo nur dann Sinn, wenn Frauen nicht von Machomännern erwarten, auf die Seite der schüchternen Bedenkenträger zu wechseln (mit denen sie objektiv weniger Probleme hätten), sondern dass sie das Signal an alle Männer senden (sofern frau das will), ihnen bis zu Kommunikationslinie entgegenkommen zu wollen. Denn so könnten die Machos ihr übergriffiges Verhalten nicht mehr durch Verweis auf vermeintliche biologische Notwendigkeiten relativieren...
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Mit „Einseitigkeit ihres Handelns“ meinte ich das einseitige Zeigen sexuellen Interesses, ohne dass es umgekehrt auch auf der Gegenseite besteht. Zur Selbsterniedrigung in diesem Sinne führen u.A.
> Leider werden in diese Diskussion auch Komplimente etc. als angeblich übergriffig gemischt. Das ist ein Fehler, weil das den Sexismus unangemessen relativiert. <
Nur die Frauen können entscheiden, was in die Sexismusdebatte gehört. Der Relativierungsvorwurf scheint mir eine Art Schutzbehauptung zu sein, um das zahlenmäßig um ein Vielfaches größere Problem der alltäglichen kleinen Belästigungen von der Debatte als weniger wichtig abzuspalten. Ich habe nicht den Eindruck, dass das im Sinne der Frauen ist.
> Mit Frauen darüber zu diskutieren ist erfahrungsgemäß sinnlos, weil sie sich aus soziobiologischen Gründen gar nicht in die Position des Mannes hineinversetzen können (das geht umgekehrt auch nicht). <
Frauen können sich z.B. nicht vorstellen, welchen Zwängen Männer ausgesetzt sind/sein können. Das liegt sicher auch daran, dass Männer nicht darüber reden (können), was die Frauen wiederum nicht verstehen können.
Die Geschlechter müssen sich gegenseitig verstehen helfen. Diskussionen miteinander halte ich deshalb überhaupt nicht für sinnlos.
> Der Grübler oder Schüchterne wird sich nicht mal etwas anmerken lassen, weil er dies bereits als Übergriff wertet. Warum? Ich könnte mir Dispositionen durch Erziehung vorstellen. <
Er könnte es als Belästigung und/oder Selbsterniedrigung werten, solange ihm nicht eindeutig klar ist, dass das Interesse auf beiden Seiten besteht.
Meine Erziehung war gerade in Bezug auf das andere Geschlecht sehr liberal. Diese Freiheit habe ich als jugendlicher Bedenkenträger allerdings kaum genutzt. Ich war mir nicht sicher, wie weit ich gehen konnte, was aus heutiger Sicht völlig klar war. Ich habe mich dann weitgehend von allen Gleichaltrigen zurückgezogen.
> "Bedenkenträger" ist die feige Selbsteinschätzung eines schüchternen Mannes. <
„Schüchternheit“ ist für mich ein allgemeiner Begriff. Ich denke, es können verschiedene Denkweisen zugrunde liegen, aber auch ein Gefühl.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Mit „Einseitigkeit ihres Handelns“ meinte ich das einseitige Zeigen sexuellen Interesses, ohne dass es umgekehrt auch auf der Gegenseite besteht."
Das hatte ich auch so verstanden. Aber ist dies nicht jeder Erstkontakt? Wie oft ist es in der Menschheitsgeschichte vorgekommen, dass sich ein Mann und eine Frau gleichzeitig in die Augen gesehen haben und etwas (sexuell) voneinander wollten? Ich schätze noch nie.
"Zur Selbsterniedrigung in diesem Sinne führen u.A.
die gesamte Bandbreite ..."
Zum Teil, ja. Doch ist das eine subjektive Beurteilung, da sich die meisten Männer mit ihrer biologischen Rolle abgefunden haben und "den ersten Schritt" gehen. Solange sie sich dabei respektvoll verhalten, muss darin niemand etwas Selbsterniedrigendes sehen.
"Nur die Frauen können entscheiden, was in die Sexismusdebatte gehört."
Wie begründen Sie das? Bei einer "antifemininen" Debatte mag die Deutungshoheit bei Frauen liegen, doch Sexismus funktioniert in beide Richtungen.
"Der Relativierungsvorwurf scheint mir eine Art Schutzbehauptung zu sein, um das zahlenmäßig um ein Vielfaches größere Problem der alltäglichen kleinen Belästigungen von der Debatte als weniger wichtig abzuspalten. Ich habe nicht den Eindruck, dass das im Sinne der Frauen ist."
Für mich sind das zwei getrennte Bereiche. Das eine ist Sexismus im Sinne von Rassismus, d.h. die Diskriminierung von Personen aufgrund ihres Geschlechts. Da geht es um Macht, um Hass, um Kontrolle und um Erniedrigung. Das andere sind die Fälle, in denen Männer sich kommunikativ verhalten und Frauen diese Kommunikation nicht wünschen. Diese Kommunikation mag sexuell gefärbt sein, sie mag plump, ungeschickt oder uncharmant sein, aber sie ist nicht automatisch sexistisch. Sie kann auch zum Sexismus gezählt werden, wenn der Mann (oder die Frau) mit seiner (oder ihrer) Kommunikation die Absicht verfolgt, die (oder den) anderen zu erniedrigen.
"Frauen können sich z.B. nicht vorstellen, welchen Zwängen Männer ausgesetzt sind/sein können. Das liegt sicher auch daran, dass Männer nicht darüber reden (können), was die Frauen wiederum nicht verstehen können."
Das "darüber nicht reden können" ist sicher ein Problem, aber es gibt schlichte hormonelle Zustände, die wechselseitig nicht nachvollziehbar sind. Eine amerikanische Ärztin hat mal vor vielen Jahren einen Selbstversuch unternommen und sich die Menge an Testosteron spritzen lassen, die Männer ständig "aushalten" müssen. Sie hat den auf eine Woche angesetzten Versuch nach ein, zwei Tagen abbrechen müssen, weil sie es nicht mehr aushielt.
Solange man einen respektvollen Umgang pflegt, ist das aber auch kein Problem. Zum Respekt gehört aber auch, dass die Geschlechter wechselseitig ihre Andersartigkeit akzeptieren.
"Die Geschlechter müssen sich gegenseitig verstehen helfen. Diskussionen miteinander halte ich deshalb überhaupt nicht für sinnlos."
Das erste (helfen) stimmt, das zweite (nicht sinnlos) leider nicht. Wären sie nicht sinnlos, dann gäbe es längst eine Lösung für die diskrepanten Ansichten über das jeweils andere Geschlecht. Schließlich ist das seit Anbeginn der Menschheit das zentrale Thema.
"Er könnte es als Belästigung und/oder Selbsterniedrigung werten, solange ihm nicht eindeutig klar ist, dass das Interesse auf beiden Seiten besteht."
Wie oft geschrieben: Das ist subjektiv richtig, aber objektiv falsch, egal was Frauen dazu sagen. Beweis: Eindeutig klar wird das Interesse erst bei entsprechender Nachfrage. Oder sollten Frauen in der entsprechenden Stimmung mit einem Schild am Revers herumlaufen, auf dem steht: "Paarungswillig"?
"Meine Erziehung war gerade in Bezug auf das andere Geschlecht sehr liberal. Diese Freiheit habe ich als jugendlicher Bedenkenträger allerdings kaum genutzt. Ich war mir nicht sicher, wie weit ich gehen konnte, was aus heutiger Sicht völlig klar war. Ich habe mich dann weitgehend von allen Gleichaltrigen zurückgezogen."
Das kann dann tieferliegende Probleme verursacht haben. Es klingt nach einer Verunsicherung, die aber i.d.R. auf entsprechende traumatisierende Erlebnisse zurückzuführen ist. Ist das mal von einem Psychologen abgeklärt worden?
"„Schüchternheit“ ist für mich ein allgemeiner Begriff. Ich denke, es können verschiedene Denkweisen zugrunde liegen, aber auch ein Gefühl."
Es ist natürlich ein Gefühl. Eine bestimmte Situation fühlt sich nicht richtig an, also entflieht man ihr. Ich nehme nicht an, dass es sich um bewusstes Denken handelt, denn die Schüchternheit widerspricht sogar gesellschaftlichen Regeln. Dass Männer und Frauen Paare bilden, ist gesellschaftlicher Konsens. Auch der eigene Trieb (sofern er sich nicht auf das eigene Geschlecht richtet oder nur sehr schwach aufgeprägt ist [Stichwort: Asexualität]) treibt einem zum anderen Geschlecht.
Deswegen wird die (durch Schüchternheit ausgelöste) Verweigerung von Männern (interessanter Weise nicht die von Frauen), am normalen Umgang teilzunehmen, negativ konnotiert. Es ist ein schmaler Grad zwischen zu viel Verweigerung und zu aufdringlich, den man als Mann beherrschen muss, um nicht durch den Rost zu fallen, bzw. als übergriffig wahrgenommen zu werden.
Eine Debatte über "zwischengeschlechtliche Diskussionskultur" wäre also aus meiner Sicht dringend geboten. Denn ich finde die Bewertung/Wahrnehmung schüchterner Männer durch manche Frauen auch sexistisch. Das soll nicht die Fehler der Männer relativieren, aber darüber sprechen sollte man/frau schon mal...
Edmund Schmidt am Permanenter Link
> Das hatte ich auch so verstanden. Aber ist dies nicht jeder Erstkontakt? <
Nein, nicht jeder. Dazu folgendes Beispiel eines niederschwelligen Ablaufs:
> Doch ist das eine subjektive Beurteilung, da sich die meisten Männer mit ihrer biologischen Rolle abgefunden haben und "den ersten Schritt" gehen. <
Gehört "den ersten Schritt gehen“ wirklich zur „biologischen Rolle“ von Menschen-Männchen?
> Wie begründen Sie das? Bei einer "antifemininen" Debatte mag die Deutungshoheit bei Frauen liegen, doch Sexismus funktioniert in beide Richtungen. <
Aber Frauen sind doch die weit überwiegend Betroffenen und #MeToo ist eine Initiative von Frauen gegen das Fehlverhalten von Männern.
> Das "darüber nicht reden können" ist sicher ein Problem, aber es gibt schlichte hormonelle Zustände, die wechselseitig nicht nachvollziehbar sind. <
Ich denke schon, dass unser Gehirn in der Lage ist, die „hormonellen Zustände“ auch beim jeweils anderen Geschlecht zu verstehen, wenn wir das wirklich wollen. Und ich denke auch, dass unser Gehirn in der Lage ist, unser Verhalten trotz „hormoneller Zustände“ zu kontrollieren.
> Zum Respekt gehört aber auch, dass die Geschlechter wechselseitig ihre Andersartigkeit akzeptieren. <
Die Andersartigkeit der Geschlechter soll von Natur aus wohl erstaunlich gering sein. Der größte Teil wird durch Erziehung, soziales Umfeld, Medien usw. begründet und/oder verstärkt. Jedenfalls glaube ich nicht, dass wir der Andersartigkeit schutzlos ausgeliefert sind.
> Wären sie nicht sinnlos, dann gäbe es längst eine Lösung für die diskrepanten Ansichten über das jeweils andere Geschlecht. <
Ist es nicht eher so, dass die „diskrepanten Ansichten“ kultiviert werden, als Teil eines Spiels zwischen den Geschlechtern?
> Beweis: Eindeutig klar wird das Interesse erst bei entsprechender Nachfrage. <
Eine Möglichkeit (ohne entsprechende Nachfrage) ist der niederschwellige Ablauf wie oben beschrieben.
> …die aber i.d.R. auf entsprechende traumatisierende Erlebnisse zurückzuführen ist. <
Traumatisierende Erlebnisse hatte ich nicht. Und ich habe mit Sicherheit auch nichts verdrängt.
> Ich nehme nicht an, dass es sich um bewusstes Denken handelt, denn die Schüchternheit widerspricht sogar gesellschaftlichen Regeln. <
Doch, meiner Zurückhaltung lag immer - wenn auch fehlerhaftes - bewusstes Denken (Bedenken) zugrunde. Deshalb fand ich auch den Begriff Bedenkenträger treffender.
> Auch der eigene Trieb … treibt einen zum anderen Geschlecht. <
Wahrscheinlich fehlerhaftes bewusstes Denken hält einen davon fern. Das ist schwer aber die möglichen Risiken erschienen als zu groß und zu wahrscheinlich. Jedenfalls gab es immer wieder Bedenken.
Juliana Bernholt am Permanenter Link
Hallo Herr Schmidt
Ich dachte immer, wir leben in einem Land in dem es die Höflichkeit gebietet, sich in die Augen zu schauen.
Ich wurde so erzogen.
Das sehe ich anders.
Ich hätte ja wegschauen können, wenn ich den Blick als anzüglich empfunden hätte.
Edmund Schmidt am Permanenter Link
Hallo Frau Bernholt
Selbstverständlich schaut man einem Gesprächspartner in die Augen. Das kann dann ja auch nicht als Anzüglichkeit verstanden werden.
Mit Ihrem Wegschauen wäre die Anzüglichkeit ja nicht rückgängig gemacht.
agender am Permanenter Link
Da ich weder auf facebook noch twitter noch sonstigen "sozialen Medien" bin, kann ich nur hier hinzufügen: METOO!!!!!!!
Auflistung wäre ein dicker Schinken (ist das Wort für Buch noch bekannt?)
ALLE diese Strassenpöbel, Beschimpfer und Angreifer WISSEN dass sie sich aufzwingen.
Die weitaus mensten wissen sehr wohl, dass ich Agender bin und leisten sich TROTZDEM oder eher DESWEGEN Zumutungen, ich hätte "weiblich zu sein" und oft Bedrohungen, weil ich mich und meine Schmerzen primär setze und jede Aufopferung verweigere - und der Rest könnte entweder fragen und die Antwort respektieren, oder könnte schlichtweg SEHEN wie mühsam ich mich bewege.
Stattdessen: wenn ich jenseits der Schmerzmittelwirkung bin, wird´ s besonders schlimm!
hj_allemann am Permanenter Link
In was für eine akademische (?) Insider-Gesellschaft bin ich denn da geraten? Ich armer Tropf weiß weder, was agender ist, noch kenne ich den Fall DSK (gebraucht von Ilse Ermen).
Aber der Reihe nach. Ja, es kommt vor, daß ich andere unwillentlich verletze. Um nicht mit Sex ins Fettnäpfchen zu treten, ein Beispiel:
Beruflich bedingt lerne ich ständig Engländer kennen. Einige wenige begrüßen mich, sobald sie erkennen, daß ich Deutscher bin, mit dem Hitlergruß. Die finden das lustig. Ich finde es blöd, bin aber nicht beleidigt, die meinen das ja auch nicht beleidigend. Ich antworte dann manchmal (je nach Situation) genau so blöd mit "God shave the queen" und bin dann gespannt auf die Reaktion. Manche sind dann beleidigt. Mir egal, aber ich vermeide solche Situationen dann in Zukunft. Einen guten Kontakt gibt es dann stets auch mit den Engländern, die auf meine Replik hin grinsen oder eben anders positiv reagieren.
Genauso könnte es mir mit Bemerkungen passieren, die das Thema Sex berühren. Da hat jeder ein anderes Niveau von Beleidigtsein. Ich weiß das vorher nicht.
Und übrigens: Verbale Belästigung ist KEINE Gewalt. Ich bin in einer Gegend aufgewachsen, wo Gewalt auf der Straße, in der Disko etc. alltäglich war. Von einer Gruppe oder einem Stärkeren vermöbelt zu werden ist übrigens mindestens genauso erniedrigend, wie begrapscht zu werden. Gibt es da eine männliche Metoo-Gruppe?
Ilse Ermen am Permanenter Link
Ein positiver Nebeneffekt ist, dass es hier einigen auch sonst Schurken an den Kragen geht: gegen Tariq Ramadan laufen mittlerweile 4 Vergewaltigungsklagen.