Indischer Staatsminister für Bildung hält Evolutionstheorie für falsch

Affen verwandeln sich nicht in Menschen!

Der indische Staatsminister für höhere Bildung Satya Pal Singh hält Darwins Evolutionstheorie für falsch und schlägt vor, sie von den Lehrplänen zu streichen. Seine Begründung: Es hat noch nie jemand beobachtet, wie sich ein Affe in einen Menschen verwandelt.

Die Informationstechnologiebranche in Indien boomt. Mit rasanten Schritten hat sich das Land in den letzten Jahren gen Zukunft aufgemacht. Im krassen Gegensatz zu dieser wissenschaftlich-modernen Orientierung steht nicht nur, dass in weiten Teilen Indiens Armut und infrastrukturelles Chaos herrschen. Und auch in den Köpfen einiger Menschen, die nach modernen wissenschaftlichen Erkenntnissen handeln, scheint noch höchst vormodernes Denken zu herrschen.

Darauf jedenfalls lassen die Äußerungen schließen, mit denen der indische Staatsminister Satyapal Singh seit einigen Tagen die indische Presse in Atem hält. Singh ist als Staatsminister im Ministerium für die Entwicklung von Humanressourcen (Ministry of Human Resource Development) zuständig für den Bereich "Höhere Bildung". Laut diverser Berichte indischer Medien teilte Minister Singh vergangenen Freitag in Aurangabad Reportern mit, dass Darwins Evolutionstheorie wissenschaftlich falsch sei. Er schlug vor, sie landesweit aus den Lehrplänen von Schulen und Hochschulen zu entfernen:

Beispielbild
Minister Satya Pal Singh (© Praketary/CC BY-SA 4.0)

"Seit der Zeit, von der unsere Großeltern Geschichten erzählten, ja sogar seit Bücher geschrieben werden hat bis heute niemals irgendjemand berichtet, dass er in den Dschungel ging und sah, wie sich ein Affe in einen Menschen verwandelte. Nirgendwo ist so etwas schriftlich festgehalten. Darwins Theorie ist wissenschaftlich falsch und muss deshalb in Schulen und Hochschulen geändert werden. Seit der Mensch auf die Erde kam, war er immer Mensch und er wird immer Mensch sein. Vielleicht wissen Sie es nicht, aber im Ausland sagt man, was unsere Wissenschaftler schon vor 35 Jahren gesagt haben, dass diese Theorie nicht richtig ist."

Bemerkenswert ist angesichts dieser Äußerungen, dass Satya Pal Singh, Mitglied der regierenden nationalkonservativen BJP und Verfechter der traditionellen indischen Mythologie, bislang keineswegs ein wissenschaftsfernes Leben geführt hat. Ehe er vor seiner Ernennung zum Staatsminister als Polizeipräsident von Mumbai tätig war, promovierte er an der Universität von Neu Dehli in Chemie. Deshalb betrachtet sich Singh selbst als "Mann der Wissenschaft" und hält aus diesem Grund seine Äußerungen zur Evolutionstheorie für gerechtfertigt, wie er auf Nachfragen bekräftigte:

"Ich stehe absolut zu meiner Bemerkung, dass Charles Darwins Theorie nicht wissenschaftlich ist. Es gibt kaum Beweise, die diese Theorie untermauern. Große Wissenschaftler weltweit haben gesagt, dass es keine verfügbaren Belege gibt, die beweisen können, dass die Evolutionstheorie stimmt. Es gibt keine Evolution."

Wie wichtig es ist, dass Darwins Evolutionstheorie Teil der indischen Lehrpläne bleibt, zeigt kaum jemand anschaulicher als Singh selbst, der die Evolutionstheorie offensichtlich nie verstanden hat. Denn dass sich eine Art spontan in eine andere verwandeln würde, das hat Darwin nie behauptet. Vielmehr zeigt die Evolutionstheorie auf, wie sich durch das Zusammenwirken der Prinzipien von Mutation und Selektion über viele Generationen von Individuen hinweg langsam neue Arten entwickeln.

Doch es gibt Anlass zur Hoffnung, denn gegen Singhs Äußerungen zur Evolutionstheorie regte sich in Indien lautstarker Protest. Laut der britischen Zeitung The Guardian haben mehr als 2000 indische Naturwissenschaftler eine gemeinsame Erklärung unterzeichnet, in der sie Singhs Äußerungen als irreführend und jenseits jeglicher wissenschaftlicher Grundlage verurteilen. "Es ist sachlich falsch zu behaupten, dass evolutionäre Prinzipien von der wissenschaftlichen Gemeinschaft abgelehnt würden", heißt es in der Erklärung. "Im Gegenteil, jede neue Entdeckung untermauert Darwins Theorie. Es gibt vielfältige und unbestreitbare wissenschaftliche Beweise für die Tatsache, dass Menschen, Menschaffen und Affen einen gemeinsamen Vorfahren haben."

Auch von Singhs Vorgesetztem Prakash Javadekar, Minister für die Entwicklung von Humanressourcen, wurde Kritik laut. Sie richtete sich vor allem gegen Singhs Pläne für eine Tagung, auf der die vermeintliche Falschheit der Evolutionstheorie diskutiert werden sollte. Man habe keine Absicht, ein solches Event zu fördern oder durchzuführen, erklärte Minister Javadekar. Er habe Staatsminister Singh angewiesen, solche Bemerkungen demnächst zu unterlassen.  

Singh ist innerhalb der nationalkonservativen indischen Regierungspartei übrigens nicht der einzige Kopf mit fragwürdigen wissenschaftlichen Ansichten und einer Vorliebe für die heiligen Schriften des Hinduismus. Erst vor zwei Monaten hatte eine Aussage von Hismanta Biswa Sarma, Gesundheitsminister des indischen Bundesstaates Assam, in Indien für Aufregung gesorgt. Sarma hatte öffentlich seine Überzeugung zum Ausdruck gebracht, dass Krebs durch Sünden in einem früheren Leben entstünde.  


Der Artikel wurde am 26.01.2018 um 14:35 Uhr bearbeitet.