Deutsche Kriegsschuld und Verpflichtungen gegenüber Griechenland

Die Wehrmacht hat in Griechenland gewütet wie in keinem anderen nicht-slawischen Land. Ihrem Terror fielen während der deutschen Besatzung von 1941 bis 1944 über Hunderttausend Partisanen und Zivilisten zum Opfer. Hunderttausende Griechen und Griechinnen starben einen qualvollen Hungertod oder erfroren, weil die Wehrmacht alles Lebensnotwendige beschlagnahmte. Circa 90 Prozent der griechischen Juden und Jüdinnen sind in Konzentrationslagern ermordet worden. Als die Wehrmacht sich zurückzog waren Infrastruktur, Bergwerke, Industrie- und Gewerbebetriebe, Straßen- und Eisenbahnnetze sowie die Handelsflotte weitgehend zerstört.

Über die Verbrechen der Wehrmacht und ihrer Kollaborateure in Griechenland bestehen keine Zweifel, doch darüber wurde lange geschwiegen. Und die Kompensationen, die Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten zu zahlen bereit war, sind minimal.

Die völkerrechtliche Verbindlichkeit von Reparationen kann dem Internationalen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt werden, aber es gibt keine moralische Instanz, die für eine Positionsbestimmung in dieser Auseinandersetzung angerufen werden könnte. Von der Bundesregierung werden Reparationsforderungen schmallippig zurückgewiesen und juristisch und politisch als abgeschlossen bezeichnet. Zu groß ist die Angst vor einem Dominoeffekt. Und über 70 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg stoßen Reparationsforderungen aus Athen von bis zu 300 Milliarden Euro bei vielen Menschen auf Unverständnis.

Die Höhe der Reparationsforderungen entspricht ungefähr der Staatsverschuldung Griechenlands. Dies birgt die Gefahr, dass in der öffentlichen Wahrnehmung eine historische Schuld Deutschlands mit der dramatischen wirtschaftlichen Lage Griechenlands in Verbindung gebracht wird. Der Eindruck einer Instrumentalisierung der Geschichte mit wirtschaftspolitischer Zielsetzung birgt jedoch das Risiko, dass der Diskurs in eine völlig falsche Richtung gelenkt wird.

Die Rechtmäßigkeit der aufgestellten Forderungen sollte nicht ausschließlich unter völkerrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet werden, denn es ist zu befürchten, dass es unabhängig vom Ausgang einer juristischen Auseinandersetzung dann im Sinne der Aussöhnung beider Völker nur Verlierer gäbe. Eine rein juristische Sichtweise ignoriert die Tragweite des Konflikts. Die Bundesregierung muss sich die Frage stellen, wie sie sich Griechenland gegenüber verstehen will. Als Partner, der einsieht, dass Deutschland viel Leid über dieses Land gebracht hat und nun ein positives Zeichen setzen möchte oder als Kontrahent, der unabhängig von historisch-moralischer Verantwortung seine juristische Position durchzusetzen versucht.

Um in die verhärteten Positionen Bewegung zu bringen, hat Respekt für Griechenland e. V. – ohne sich den Maximalforderungen des griechischen Parlaments anzuschließen – die Kampagne "Deutsche Kriegsschuld und Verpflichtungen gegenüber Griechenland" mit drei Forderungen eröffnet, die vordringlich und zeitnah erfüllbar sind:

  • Rückzahlung des Zwangskredits Griechenlands an das "Deutsche Reich",
  • Rückzahlung des Lösegelds für jüdische Zwangsarbeiter in Thessaloniki und
  • Einrichtung eines Fonds zur nachhaltigen Entwicklung des ländlichen Raums

unter besonderer Berücksichtigung von "Märtyrerdörfern".

Als ErstunterzeichnerInnen wurden über 60 Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft gewonnen.

Unabhängig von einer juristischen Bewertung werden Bundestag und Bundesregierung aufgefordert, ein Zeichen zu setzen, dass Deutschland bereit ist, seiner historisch-moralischen Verantwortung gerecht zu werden und einen Beitrag zur Aussöhnung und Völkerverständigung zwischen Deutschen und Griechen zu leisten. Der französische Staatsmann Vincent Auriol brachte es nach dem Zweiten Weltkrieg auf die tiefgründige Formel: "Wenn ihr euch erinnert, können wir vergessen".