Bis zum Jahr 2060 werden die beiden Großkirchen in Deutschland gegenüber heute ihre Mitgliedszahlen halbieren. Das sagt eine aktuelle Prognose von Forschern der Universität Freiburg. Der Staat jedoch bedenkt die Kirchen weiterhin großzügig mit Geldern. Er sollte damit aufhören. Auch um das Sterben der Kirchen nicht länger herauszuzögern. Ein Kommentar von Daniela Wakonigg.
Dass die beiden christlichen Großkirchen in Deutschland im Sterben liegen, darüber lässt die jüngst veröffentlichte Prognose vom "Forschungszentrum Generationenverträge" an der Universität Freiburg wenig Zweifel aufkommen: Nachdem die Kirchen in Deutschland bereits in den letzten Jahrzehnten mitgliedertechnisch massiv ausgeblutet sind, werden bis zum Jahr 2060 die Kirchenmitgliedszahlen voraussichtlich um weitere 49 Prozent sinken – und mit ihnen die Kirchensteuereinnahmen. Grund hierfür sei, so die Forscher, zum einen die demografische Entwicklung – es sterben wesentlich mehr alte Kirchenmitglieder als junge per Taufe aufgenommen werden – vor allem aber die Tatsache, dass die Kirche junge Erwachsene einfach nicht an sich binden kann. Sie treten aus. Missbrauchs- und Finanzskandale beschleunigen diesen Trend.
Die Kirche in Deutschland stirbt also. Doch sie will es nicht wahrhaben. Die Verleugnungsphase. Eine verständliche Reaktion. Wer blickt dem eigenen Untergang schon gern ins Auge? Warum sollte sie auch? Schließlich spürt sie den Schmerz ihres Vergehens dank der staatlichen Palliativversorgung mit hohen Dosen an Finanzmitteln kaum. Ganz zu schweigen vom Mitspracherecht, das die Politik der Kirche in vielen Bereichen einräumt. Kein Wunder, dass sie sich deshalb selbst für unverzichtbar hält und davon überzeugt ist, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: nämlich, dass sie aufhört zu sein.
Um der Kirche die Chance zu geben zu erkennen, wie schlecht es wirklich um sie steht, wäre es deshalb ratsam, das Mitspracherecht und die palliative Finanzversorgung zurückzufahren. Keinesfalls darf die Finanzmitteldosis erhöht werden, um es der Kirche zu ermöglichen, nach dem nächsten Strohhalm zu greifen – ein übliches Verhalten in der Verleugnungsphase. Diesen Strohhalm sehen Kirchenvertreter bereits deutlich vor sich: Wenn sich junge Erwachsene nicht an die Kirche gebunden fühlen, dann müsse man eben ein Konzept entwickeln, wie man auf diese zugehen könne. Solange die Kirche noch genug Kraft besitzt, selbst nach diesem Strohhalm zu greifen, möge sie es tun. Doch der Staat sollte sich an einer solchen Leidensverlängerungsmaßnahme nicht beteiligen.
Liebe Kirche, irgendwann kommt nun mal der Moment, an dem selbst der größte Realitätsverleugner erkennen muss, dass das Ende nah ist. Das gilt auch für dich. Deine Organe stoßen sich von dir ab, im Grunde bist du nur noch eine leere, sehr sehr alte Hülle. Geh' in Würde, solange nach den vielen Skandalen noch Reste davon vorhanden sind. Ja, ich weiß, du willst es noch immer nicht wahrhaben. Und ja, ich weiß, deine Geschwister in anderen Erdteilen erfreuen sich noch bester Gesundheit. Doch auch ihr Immunsystem wird schwächeln, wenn dort die Armut ab- und vor allem die Bildung zunimmt. Sei tapfer und blicke der Wahrheit ins Gesicht: Auf dieser Erde ist nichts von Dauer. Auch du nicht. Das Alte geht und etwas Neues kommt.
Das Neue, das nun kommt, scheint eine Generation von jungen Menschen zu sein, die ihr Schicksal und das der Erde in die eigene Hand nehmen, statt darauf zu vertrauen, dass eine höhere Macht die Dinge schon irgendwie richten wird. Ich freue mich auf diese Generation. Und sicher wäre bei ihr das Geld besser aufgehoben, das derzeit ins Lebenserhaltungssystem der Kirchen gepumpt wird.
29 Kommentare
Kommentare
David See am Permanenter Link
Danke, je schneller der Wahnsinn vorbei ist desto besser und danach muss man leider Bilanz ziehen, was von der Erde und den Tieren übrig geblieben ist und wie wir damit umgehen.
Konrad Schiemert am Permanenter Link
In letzter Zeit wurde viel über Sterbehilfe diskutiert. Die Zeit ist gekommen auch über Kirchensterbehilfe zu diskutieren um den Abgang würdevoll gestalten zu lassen.
Kay Krause am Permanenter Link
Konrad Schiemert, ich spendiere freiwillig einen Kranz!
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Ja, das sind die Fakten. Nichts und niemand kann den Untergang der Kirchen aufhalten - und "Gott" kann es nicht, z. B. weil er nicht existiert.
Dabei braucht sich die Kirche für die nächsten 100 Jahre keine finanziellen Sorgen zu machen. Wenn die nun überflüssigen - bzw. gar nicht nachwachsenden - Priester entlassen würden, weil sie nicht mehr gebraucht werden, wenn theologische Fakultäten geschlossen würden, weil Interpretatoren des Gotteswahns ebenfalls überflüssig sind und wenn endlich der überflüssige Religionsunterricht eingestellt würde, dann blieben genügend Milliarden (geschätzte 180 Mrd. allein in Deutschland) Euros übrig, damit die Geschäftsleitung der Glaubenskonzerne weiterhin in Saus und Braus leben kann. Vielleicht können sie auch noch ein paar Milliarden an die Bürger zurückgeben, die sie in den letzten Jahrzehnten mit politischer Hilfe ergaunert haben.
Wir müssen uns also um den sterbenden Riesen nicht sorgen. Eine Träne werde ich ihm allerdings auch nicht nachweinen. Die sind alle schon vergossen durch sein reales Wirken in den vergangenen Jahrhunderten...
Kay Krause am Permanenter Link
Herr Kammermeier, Sie sind aber auch wirklich sparsam mit Ihren Gefühlen!
Wenn ich schon einen Kranz spende, dann könnten Sie doch wenigstens eine Träne dazu tun!
Mit Gruß vom Kay, dem krausen1
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Nun gut, ich quetsch mal - ja, jetzt, da glitzert etwas an meinem Augenlid. Mit ein wenig Fantasie kann man es als diamantene Trauerträne interpretieren.
Das sollte als schwülstiges Nachwort reichen...
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
Seien wir mal ehrlich: Die Kirchen haben sehr viel Geld und dadurch natürlich auch viel Macht und demzufolge können diese viele Posten vergeben.
Heinz König am Permanenter Link
Seien wir human und leisten Sterbehilfe dann geht es leichter und schneller. Das was die Kirchen immer verweigerten.
Kay Krause am Permanenter Link
Heinz König, jenes das Sterben erleichternde Medikament heißt: "AUSTRITT!"
Åse am Permanenter Link
Schön polemisch formulierter Artikel, aber leider geht das "Totengebet" an der Realität vorbei.
Wenn wir der Gesellschaft die Frage vorhalten, ob der Umgang der Politik mit den Kirchen (besser der "Kniefall" vor den Kirchen) noch zeitgemäß ist, sollten wir auch fragen, ob die Kirchen "trotz" steigender finanzieller Zuwendungen schrumpfen, oder nicht sogar "wegen" eben dieser.
"Großkotz" oder "demütiger Diener der Gesellschaft"? Die Einschätzung geht bei Vielen immer häufiger in Richtung Antwort A. Dieses Missverhältnis gilt es für uns aufzuzeigen.
Eine Warnung sollte für uns auch das Sprichwort sein: Todgeweihte leben länger.
Michael Ganß am Permanenter Link
Ich bin sehr gespannt, was die Kirchen versuchen werden, wenn das Kirchensteuersystem sich dem Ende zuneigt.
Frank am Permanenter Link
Die Kirchen sind noch lange nicht am Ende, selbst wenn die staatliche Finanzierung eingestellt wird. Die haben letzten 2000 Jahre überstanden, sie werden die nächsten 2000 Jahre überstehen.
Thomas Göring am Permanenter Link
@ Frank
"Die Kirchen haben die letzten 2000 Jahre überstanden, sie werden die nächsten 2000 Jahre überstehen."
Ja, aber wohl nur dann, wenn die Menschheit selber noch die nächsten 2000 Jahre übersteht und sich dabei dann auch weiterhin das einschläfernde Geistes-Opium oder aufputschende Geistes-Kokain all der sog. "Weltreligionen" leistet.
Thomas B. Reichert am Permanenter Link
@Frank Die Kirche ist keine 2000 Jahre alt - eher wohl 1200 Jahre. Aber selbst die mehrdeutigen Märchen der Bibel sind wohl jünger.
Kay Krause am Permanenter Link
APELL. an den Klerus und seineAlimentierer:
wollt Ihr wahrhaft noch 50 Jahre weiter beten,
bis der letzte endlich ausgetreten?
Wollt Ihr noch hundert Jahre weiter zahlen,
Besser wär' doch heute schon die Kirchenwende!
Wenn auch mit Schrecken, so wär' es doch ein Ende!
Ein altes Sprichwort sei dem Klerus angemahnt:
Was Du heute kannst besorgen,
das verschiebe nicht auf morgen!
Heut' könnt Ihr noch in Ehren gehen.
Ob morgen noch? wir werden sehen?!
Heut' könnt Ihr Euch mit gepackten Siebensachen,
heimlich aus dem Staube machen.
Macht es ruhig, ohne Hast,
doch - bitte, fallt uns weiter nicht zur Last!
Nehmt das Geld, das in Millionen ihr gebündelt,
und in tausend Jahr'n von uns erschwindelt!
Nehmt mit auch Eure Sünden und Gelüste,
für die schon Euer Jesus büßte!
Ihr fragtIhr mich:"Wohin soll'n wir uns wenden?"
So betet nur! Es liegt in Eures Gottes Händen!
Und laßt zur Rückkehr niemals Euch bewegen.
Euch begleitet unser kirchbefreiter Segen!
Laßt Vernunft statt Religion auf dieser Erde walten,
Noch fünfzig Jahre Kirche? - nein, das wär' nicht auszuhalten!
Dies schreibt aus glaubensfreiem Hause,
mit besten Grüßen Euch: Kay Krause!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Hallo Kay, wieder mal ein schönes Gedicht.
Was ist nur mit der Menschheit los? Sie schafft es zum Mond zu fliegen und dort herumzuspazieren, aber einen in Urzeiten erfundenen Geisterglauben loszuwerden schafft Sie
nicht? Ich verstehe das nicht, kann mir jemand das erklären?
Leander am Permanenter Link
Dass die Kirchen noch so viel Akzeptanz erfahren, liegt daran, dass viele, auch Ungläubige, froh sind, dass es noch große Institutionen gibt, die eine andere Ideologie / andere Werte vertreten als nur die Macht des Ge
Kay Krause am Permanenter Link
Lieber Herr Leander! Vom Großkapital einmal abgesehen ist es doch wohl in erster Linie die Kirche, welche den Wert und die Macht des Geldes zu schätzen weiß und dementsprechend nutzt
Thomas B Reichert am Permanenter Link
@Leander
Ungläubige? Religionen sind logisch konstruierte Irrlehren, wobei der intelligente Mensch den einfachen Mensch verdummt - ihn geistig versklavt.
Klar kann man Menschen mit Feste, Rituale, Brimborium locken und dann locken halt noch die etwa 450.000.000.000 Euro, welche man durch Lug, Betrug, Raubmord, Erbschleicherei, Zehnten ... aus dem Volk ausgepresst hat. Der Mensch ist halt ein Mitläufer.
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Gerade die Kirchen, als Weltweit größter Konzern sind es, welche die Macht des Geldes am
meisten einsetzen für Ihre Interessen. So sieht die Realität aus Leander.
Thomas Göring am Permanenter Link
Ja, Herr Leander, vor allem wenn es um Pfründe & Macht der Kirchen geht, um deren satte Milliarden-Alimentierung durch den bürgerlichen Staat - auch aus dem Portemonnaie der von Ihnen en Passant erwähnten Ungläubi
Dieter Bauer am Permanenter Link
Ein Kommentar, der voll ins Schwarze trifft. Gratulation zu einer reifen Leistung.
Allein mir fehlt der Glaube zur Hinwendung zum realen Denken und Handeln.
Was uns regieren kann, ist Liebe und Wahrheit. Beide stehen in untrennbarem Verhältnis zueinander; Liebe basiert auf uneingeschränkter Wahrheit (auch Tatsache genannt), und Wahrheit ist die Grundlage für allumfassende Liebe!
erista am Permanenter Link
Bei Religionen handelt es sich um kindliche Indoktrinationen in eine Glaubensgemeinschaft der Eltern. Dies je nach Kultur und Land, in das man hineingeboren wird.
Wolfgang Schaefer am Permanenter Link
Alle Religionen in der Vergangenheit sind "gestorben" und die christlichen Kirchen haben ihr Verfallsdatum erreicht. die künstliche Sauerstoffzufuhr des Staates ändert daran gar nichts.
Aber immer noch ist bei den Christen die Leidensfähigkeit höher als die Denkfähigkeit,
Kritik gibt es schon gar nicht, das ist eine Todsünde und Kritiker mag man überhaupt nicht. Scheiße bleibt Scheiße, auch wenn sie vom Papst ist. (gefunden im Netz, von unbekannt.) Ich freue mich auf die neue Generation.
Jürgen Roth am Permanenter Link
Die Schlussfolgerung der Autorin lässt sich mit dem Ergebnis der zitierten Studie nicht begründen. Die Kirchen verlieren in den nächsten Jahrzehnten die Hälfte ihrer Mitglieder.
Dr. Ingeborg Wirries am Permanenter Link
Auch wenn die sog.
Karl-Heinz Büchner am Permanenter Link
"Als monopolartige Sozialkonzerne werden sie weiterhin die PolitikerInnen/die Gesetzgebung zu beeinflußen suchen ..."
Rene Goeckel am Permanenter Link
Diese Standortbestimmung wurde nicht alleine von der Uni Freiburg erarbeitet.
"Darüber hinaus kooperiert das FZG in diesem Forschungsbereich mit anderen wissenschaftlichen Institutionen, wie beispielsweise der Universität Siegen (Prof. Dr. Ulrich Riegel), der CVJM-Hochschule (Prof. Dr. Tobias Faix) und der EH Ludwigsburg (Prof. Dr. Wolfgang Ilg)."
Alles kirchennahe Institutionen/Leute.
Das bringt mich auf den Gedanken, dass hier nur die Grundlage für Überlegungen erarbeitet wurde, wie man nach der Zeit der Kirchensteuer noch an das Geld der Menschen kommt.
Nur für die Feststellung, dass das Kirchenvolk schrumpft, braucht es so eine konzertierte Aktion nicht.
Das vorliegende Ergebnis hätten sie auch von mir haben können.
Resnikschek Karin am Permanenter Link
Die Kirche/n habe sich seit 1949 die Gesetze geschaffen, die ihre Existenz sichern. Deren Erhalt steht bekanntlich bei Katholiken über dem Erhalt der Menschenrechte. Daher ist Sterbehilfe für sie verboten.