Schwuler Netflix-Jesus sorgt für Proteste

Über kreative Neuinterpretationen ihrer Religion und ihrer Religionsgründer sind Gläubige nur selten erfreut. Dies zeigt sich aktuell in Brasilien, wo eine Comedy-Gruppe beim Streamingdienst Netflix eine Jesus-Satire veröffentlicht hat, die Jesus als schwulen Mann zeigt. Rund zwei Millionen Christen fordern derzeit in einer Petition, dass der Film aus dem Netflix-Programm genommen wird.

"Jesus wird 30 und macht seine Sippe mit einem Überraschungsgast bekannt", so der verheißungsvolle deutsche Netflix-Teaser des Films "The First Temptation of Christ" (Die erste Versuchung Christi). Mit der Veröffentlichung ihrer nur 46-minütigen Satire am 3. Dezember gelang der in Brasilien sehr bekannten YouTube-Comedy-Gruppe Porta dos Fundos (Hintertür) innerhalb der vergangenen Wochen endgültig der Sprung in die weltweite Berühmtheit.

Der Dank hierfür gilt verärgerten Christen, die es für Blasphemie halten, dass Jesus als schwuler Mann dargestellt wird, und die deshalb umgehend eine Petition starteten, in der sie Netflix dazu auffordern, den Film aus dem Programm zu nehmen. Rund zwei Millionen Menschen haben die Petition bislang unterschrieben. Ein brasilianischer Bischof erklärte, dass er aus Verärgerung sein Netflix-Abo gekündigt habe und forderte Gläubige auf, es ihm gleichzutun. Sogar Eduardo Bolsonaro, der Sohn des brasilianischen Präsidenten, meldete sich per Twitter zu Wort: "Wir sind für Meinungsfreiheit, aber ist sie einen Angriff auf den Glauben von 86 Prozent der Bevölkerung wert?"

"The First Temptation of Christ" ist nicht das erste Weihnachtsspecial, das die gelegentlich mit Monty Python verglichene Comedy-Truppe Porta Dos Fundos gedreht hat. Im vergangenen Jahr veröffentlichte sie einen Film über den Morgen nach dem letzten Abendmahl, an dem alle Jünger mit schwerem Kopf aufwachen und sich fragen, wo ihr sadistisch veranlagter Saufkumpan und Messias Jesus geblieben sei. Der Film wurde als beste internationale Komödie mit einem Emmy ausgezeichnet.

Während es im Vorjahr die christlichen Gemüter offenbar nicht sonderlich erregt hatte, dass Jesus als selbstsüchtiger Säufer dargestellt wurde, traf die Darstellung Jesu als netter schwuler Kerl in diesem Jahr hingegen einen Nerv. Denn obwohl das Oberste Gericht von Brasilien im Juni dieses Jahres Homophobie zum Verbrechen erklärte und sich dafür aussprach, Anfeindungen gegenüber Homo- und Transsexuellen analog zu rassistischen Vergehen als Straftat zu werten, ist Homophobie im mehrheitlich christlichen Brasilien sehr verbreitet. Prominentester Vertreter dieser Haltung ist kein Geringerer als der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro selbst, der – neben der Tätigung anderer homophober Äußerungen – während seines Wahlkampfs verkündet hatte, dass er lieber einen toten Sohn hätte als einen schwulen. 

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