1000-Kreuze-Marsch Münster 2020

Das Kreuz mit den 1000 Kreuzen

Am vergangenen Samstag fand im westfälischen Münster der alljährliche 1000-Kreuze-Marsch christlicher Abtreibungsgegner*innen statt. Begleitet von zahlreichen Gegendemonstrant*innen und geschützt von Hunderten Polizist*innen.  

Er ist schon zu einer Art Ritual geworden: Der alljährliche Gebetsmarsch "1000 Kreuze für das Leben" von christlichen Abtreibungsgegner*innen in Münster. Normalerweise findet der von der überkonfessionellen christlichen "Lebensschützer-Vereinigung" EuroProLife organisierte Gebetszug in Münster im März statt und eröffnet die Saison der "Lebensschützer-Märsche" im deutschsprachigen Raum. Coronabedingt fiel der 1000-Kreuze-Marsch 2020 im Frühjahr jedoch aus und wurde nun am vergangenen Samstag nachgeholt.

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Deutliche Ansage der Gegendemonstrant*innen gegenüber den Teilnehmer*innen des 1000-Kreuze-Marschs. (© Daniela Wakonigg)

Rund einen Meter groß und weiß sind die Kreuze, mit denen die sogenannten "Lebensschützer*innen" singend und betend durch die Stadt ziehen. Jedes dieser Kreuze soll hierbei eines von 1000 Kindern symbolisieren, welche nach Auffassung der Abtreibungsgegner*innen täglich in Deutschland abgetrieben werden. Allerdings kommen bei den Märschen selten tatsächlich 1000 Kreuze zusammen. Entgegen anders lautender Zahlen in der lokalen Presse nahmen an dem Marsch in diesem Jahr nur gut 50 Personen teil. Im vergangenen Jahr hatte er rund 120 Teilnehmer*innen.

Fast in jedem Jahr sind in dem Gebetsmarsch dieselben Gesichter zu sehen. Vor allem ältere Menschen, Männer und Frauen, bereits durch den Kleidungsstil erkennbar christlich-konservativ. Doch auch jüngere Menschen finden sich unter den Teilnehmer*innen des Marsches. Bei der jüngeren Generation dominieren allerdings deutlich die Männer. Hier fallen neben Geistlichen in konservativer katholischer Soutane vor allem junge Männer auf, die laut Szenekennern rechten Gruppierungen zuzurechnen sind.

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Unter massivem Personaleinsatz schirmt die Polizei den 1000-Kreuze-Marsch von Gegendemonstrant*innen ab. (© Daniela Wakonigg)

Bereits seit Jahren formiert sich gegen den seit 2003 in Münster stattfindenden 1000-Kreuze-Marsch Widerstand. Die zentrale Gegenkundgebung fand in diesem Jahr zeitlich parallel zum Marsch der Abtreibungsgegner*innen auf dem Prinzipalmarkt statt und informierte über sexuelle Selbstbestimmungsrechte, die Problematik der Paragrafen 218 und 219 im Strafgesetzbuch und die wieder zunehmende praktische Schwierigkeit für Frauen in Deutschland und weltweit, Zugang zu legalen Schwangerschaftsabbrüchen zu bekommen.

Veranstaltet wurde die Kundgebung wie in den Vorjahren vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung Münster. Zu den Bündnis-Unterstützern gehören neben feministischen Gruppen politische Parteien, Gewerkschaften, Hochschulgruppen, politische und kulturelle Vereine sowie säkulare Verbände wie der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten NRW (IBKA). Laut Veranstalter hatte die Gegenkundgebung 400 Teilnehmer*innen, laut Polizei 300.

Doch wie immer beschränkte sich der Protest gegen die selbstbestimmungsfeindlichen Positionen der Abtreibungsgegner*innen nicht allein auf die zentrale Kundgebung. Der 1000-Kreuze-Marsch wurde auch direkt vom Gegenprotest zahlreicher kleiner Gruppen begleitet, die mit Sprechchören und Transparenten gegen den singenden Gebetszug demonstrierten, der durch die Innenstadt von Münster zog – unter dem Schutz von Hunderten von Polizist*innen. Wie in jedem Jahr ein martialisches und zugleich kurioses Bild. Kurios, weil eine Handvoll Menschen, die zutiefst auf ihren Gott vertrauen, in der Praxis zum Schutz doch lieber auf eine Übermacht von bewaffneten Staatsdienern zurückgreifen.

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