Düsseldorf

Muslimischer Verband reagiert auf Online-Vortrag von Islamismus-Expertin

Auf einen Online-Vortrag der Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst (DA!) reagierte der Kreis der Düsseldorfer Muslime (KDDM) mit einer Richtigstellung sowie mit einem mehrseitigen Faktencheck. Hierauf antwortet Herrmann-Marschall ihrerseits mit einer Gegendarstellung, die der hpd hier wiedergibt.

Am 15. April hielt die Islamismus-Expertin Sigrid Herrmann-Marschall auf Einladung des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes einen Online-Vortrag zum Thema "Politischer Islam – Düsseldorfer Organisationen und Netzwerke". In diesem Vortrag ging es auch in weiten Teilen um den Dachverband Kreis der Düsseldorfer Muslime. Ursprünglich sollte nach dem Vortrag auch noch eine virtuelle Podiumsdiskussion mit Düsseldorfer Politikern stattfinden. Nach der Kritik einer Düsseldorfer Journalistin an der Referentin sowie einer Teilnehmerin gab es jedoch mehrere Absagen, die dann zur Streichung der Diskussion führten. Trotz der Querelen im Vorfeld stieß der Online-Vortrag, der auch weiterhin im Netz eingesehen werden kann, mit bislang über tausend Aufrufen auf ein starkes Interesse. 

Der KDDM reagierte auf den Vortrag am Mittwoch letzter Woche mit einer im Internet veröffentlichten "Richtigstellung der Vorwürfe". Diese verwies auch auf einen beigefügten "Faktencheck". Bei genauer Betrachtung aber offenbarte sich schnell, dass sich darin befindliche Richtigstellungen auf Aussagen beziehen, die so von Sigrid Herrmann-Marschall gar nicht getätigt wurden oder mehr eine Rechtfertigung des KDDM darstellen. "Das sind extreme Reaktionen, mit denen der KDDM nur unfreiwillig bestätigt, was ich in meinem Vortrag angesprochen habe", lautet Herrmann-Marschalls Fazit. 

"Richtigstellung" von gar nicht Behauptetem 

Dies wird insbesondere an zwei markanten Beispielen deutlich: So hatte die Islamismus-Expertin nie behauptet, die mehrheitlich im Düsseldorfer Stadtrat beschlossene Förderung für eine Koordinierungsstelle des KDDM in Höhe von jährlich 70.000 Euro sei "undemokratisch" zustande gekommen. Auch hatte sie nie behauptet, acht KDDM-Mitglieder seien festgestellt extremistisch. An dieser Stelle ihres Vortrags hatte Herrmann-Marschall tatsächlich nichts anderes gemacht, als präzise auf eine Darstellung des Verfassungsschutzes zu verweisen, nach der bei acht KDDM-Mitgliedern extremistische Bezüge zu erkennen waren. 

"Hier wurden Behauptungen widerlegt, die ich so gar nicht getroffen habe. Ein netter Versuch, der aber nichts daran ändert, dass nichts von dem widerlegt wurde, was ich tatsächlich in meinem Vortrag gesagt habe", stellt Herrmann-Marschall konsterniert fest. "Und noch absurder wird es, wenn man beim aufmerksamen Lesen auch noch feststellt, dass vermeintliche Richtigstellungen des KDDM in Wahrheit nur nachträgliche Bestätigungen meiner Recherchen und Veröffentlichungen sind." 

Maßnahmen erst nach Herrmann-Marschalls Veröffentlichung? 

Damit meint die Islamismus-Expertin insbesondere eine Darstellung, die sich unter Punkt 4 des sogenannten Faktenchecks befindet: "In anderen Fällen befand sich eine Düsseldorfer Moschee auf einer ausländischen Internetseite als 'Prüfungsstelle' für Bildungsabschlüsse einer ausländischen Bildungseinrichtung, die im islamistischen Spektrum zu verorten sei. Die betroffene Gemeinde ist weder 'Prüfungsstelle' noch hat sie der Eintragung zugestimmt. Die ausländische Internetseite wurde zur Löschung der Eintragung aufgefordert. Es gibt keine entsprechende Eintragung auf dieser besagten Internetseite."  

"Wenn das so zutreffend ist, wie der KDDM es hier beschreibt, dann hat man dort auf eine meiner Veröffentlichungen hin mit Maßnahmen reagiert, die man mangels entsprechender Erkenntnisse ohne meine Veröffentlichung gar nicht zielgerecht hätte ergreifen können. Was die Richtigkeit meiner Veröffentlichung dazu indirekt bestätigt und auch meine Kritik daran als begründet belegt. Denn bei Unwahrem und Irrelevantem hätte der KDDM nicht das tun müssen, was er nun als seine Reaktion bekannt gibt. Nur verstehe ich dann nicht, warum der KDDM-Vorstand in diesem Fall nicht von sich aus öffentlich mitgeteilt hat, auf meine Veröffentlichung hin mit entsprechenden Maßnahmen zu reagieren? Das hätte man dann nämlich, ähnlich wie die Distanzierung von dem Salafisten-Prediger beim KDDM-Cup 2018, durchaus als vertrauensbildende Maßnahme werten können", wundert sich Herrmann-Marschall. 

Auch hinsichtlich der acht Vereine will der KDDM bereits konkrete Maßnahmen ergriffen haben, die sogar schon umgesetzt sein sollen. "Das ist deshalb seltsam, weil das Innenministerium die betreffenden Vereine gar nicht namentlich benannt hatte. Dem KDDM müssen also die fraglichen Mitgliedsorganisationen bekannt gewesen sein, wenn er wirklich konkret tätig geworden ist. Dann aber stellt sich die Frage, warum er erst tätig geworden ist, nachdem sich das Ministerium zu Wort gemeldet hatte." Öffentlich bekannt wurden solche Maßnahmen allerdings nicht. 

Diffamierung als Ersatz für Fakten und Argumente? 

Mangels tatsächlicher Richtigstellungen widmete sich der KDDM in seiner Veröffentlichung vom Mittwoch jedoch ausgiebig der Diffamierung der Referentin. So heißt es etwa wörtlich, dass Herrmann-Marschall "immer wieder im Verdacht steht, im Aktionsgeflecht der rechtsextremen Alternative für Deutschland (AfD) zu agieren". Diesen Verdacht begründete der KDDM unter anderem damit, dass Herrmann-Marschall im Januar 2019 bei einer Experten-Anhörung im Düsseldorfer Landtag zur Ahmadiyya Muslim Jamaat kurzfristig für eine erkrankte Sachverständige eingesprungen war.

Dies dürfte der erste Fall in Deutschland sein, bei dem die Anhörungs-Teilnahme eines Sachverständigen im Nachgang dazu genutzt wurde, einen Bezug seiner Person zu einer vorschlagenden Fraktion zu konstruieren. Aber der KDDM schreckte in seiner "Richtigstellung" nicht einmal davor zurück, die Tatsache, dass sich vor Jahren ein Profil eines wenig bekannten AfD-Politikers kurzfristig in die mehrere tausend Menschen umfassende Facebook-Freundesliste von Sigrid Herrmann-Marschall einschleichen konnte, als ernsthaften Beleg für eine "Verbindung" mit ihm und damit den von ihm behaupteten "Verdacht" aufzuführen. Tatsächliche Belege für einen solchen Verdacht sucht man in der Darstellung des KDDM jedoch vergebens. 

"Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass ich schon seit Jahren nicht mehr politisch aktiv bin und ich mich abseits meines Fachgebietes auch in der Regel nicht öffentlich politisch äußere, sind Vorwürfe, ich sei aktiv mit einer politischen Partei vernetzt, lächerlich", so Herrmann-Marschall. "Aber gerade deswegen werde ich die Darstellungen des KDDM zu meiner Person noch diese Woche meinem Anwalt zur Prüfung übergeben. Denn dass Vertreter aller möglichen politischen Richtungen mich irgendwo zitieren, sich sonst wie auf mich beziehen, mich für etwas vorschlagen oder in meine Facebook-Freundesliste aufgenommen werden wollen, passiert tagtäglich – und zwar von links ebenso wie von rechts oder sogar von islamistischer Seite. Und spätestens an dieser Stelle müsste eigentlich jedem klar sein, wie absurd solche Vorwürfe sind. Entscheidend ist doch, dass ich mich und meine Arbeit zum Thema Islamismus von keiner politischen Kraft vereinnahmen lasse. Und darin, das niemals zuzulassen, ganz gleich, von welcher Seite, war ich bis heute sehr erfolgreich. Sonst würden andere ja auch nicht verzweifelt Bezüge konstruieren, die es gar nicht gibt und auch nie gab." 

Gleichgültigkeit im Integrationsministerium? 

Beunruhigender als gegen sie gerichtete Schmutzkampagnen findet Herrmann-Marschall jedoch, dass der KDDM unter Punkt 5 seines vermeintlichen Faktenchecks bekannt gibt, das Landesintegrationsministerium habe "noch am 22. März 2021 den Kontakt zum KDDM erneut aufgenommen, um weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu besprechen".  

Nur sechs Tage vorher hatte Landesinnenminister Herbert Reul davon gesprochen, dass acht Vereine, die 2018 als KDDM-Mitglieder bekannt waren, zwar nicht festgestellt extremistisch, aber deren extremistische Bezüge bekannt sind. Gleichzeitig musste der CDU-Politiker einräumen, dass der Landesregierung und damit auch dem Verfassungsschutz keine aktuelle KDDM-Mitgliederliste mehr vorliegt. 

"Wenn das so zutreffend ist, was der KDDM hier sagt, dann zeugt das von völliger Gleichgültigkeit der Verantwortlichen im Integrationsministerium. Denn vor jeder Zusammenarbeit muss natürlich erst einmal eine Mitgliederliste angefordert werden, ebenso eine Einschätzung des Verfassungsschutzes zu den Mitgliedern. Extremistische Bezüge bleiben extremistische Bezüge. Von den angeblichen Distanzierungen, auf die sich der KDDM jetzt beruft, war komischerweise nichts öffentlich bekannt. Offenbar haben die in der Landesregierung Verantwortlichen nichts aus den Vorgängen in Berlin gelernt, wo erst kürzlich bekannt wurde, dass man einen Islamisten in eine Kommission gegen antimuslimischen Rassismus berufen hatte", so das abschließende Fazit von Sigrid Herrmann-Marschall.

Auch Ricarda Hinz aus dem Vorstand des Düsseldorfer Aufklärungsdienstes äußerte sich zu den Vorwürfen des KDDM, der dem DA! in der Schlussfolgerung seines Faktenchecks unterstellt, dabei zu helfen, "Verschwörungsmythen zu verbreiten": "Wir stehen voll und ganz hinter der Referentin und sind froh, dass der KDDM den Ball aufgegriffen hat. Wir sollten das jetzt öffentlich diskutieren", sagte sie dem hpd auf Anfrage.

Der Online-Vortrag beim Düsseldorfer Aufklärungsdienst ist unter diesem Link abrufbar. Aus diesem YouTube-Video stammt auch das Titelbild.

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