Stellungnahme zum Debattenbeitrag "Neuregelung des assistierten Suizids" vom Juli 2021

DIGNITAS-Deutschland kritisiert Leopoldina

Mit Redaktionsschluss vom Juli 2021 hat die Leopoldina einen Debattenbeitrag zu dem veröffentlicht, was sie eine "Neuregelung des assistierten Suizids" nennt. Empirische Daten, die eine verengende Regulierung der Selbstbestimmung nahelegen, geschweige denn rechtfertigen könnten, präsentiert sie darin keine. Dass sie sich mit Personenkreisen ausgetauscht hätte, die praktische Erfahrung mit Suizidhilfe haben, ist nicht ersichtlich. Eine Einschätzung von DIGNITAS – Menschenwürdig leben – Menschenwürdig sterben (Sektion Deutschland).

Kernstück der Empfehlungen der Leopoldina ist eine zwingende Beteiligung ärztlicher Expertise im Vorfeld einer Suizidhilfe, durch die explizit ausgeschlossen werden müsse, dass eine autonome Entscheidung ernsthaft infrage stellende Gründe vorliegen, wobei mindestens zwei Ärzte einzubeziehen sein sollen. Kriterien definiert sie keine.

Die Leopoldina sorgt sich auch um Kommerzialisierung und Werbung, ohne abzustecken, wie weit das daraus unweigerlich hervorgehende Erfordernis zum unentgeltlichen Arbeiten für Ärzte ihrer Auffassung nach gehen solle. Inwieweit etwa auch Palliativmedizinern, Gerontologen, Onkologen und anderen die Erzielung von Einkünften damit untersagt werden soll, bleibt offen.

Einen großen Schwerpunkt der Empfehlungen bildet ein Beratungsangebot, wenngleich nicht eindeutig klar wird, inwieweit eine rechtliche Verpflichtung zu dessen Wahrnehmung bestehen soll, und ob Suizidhelfer sich Bescheinigungen oder Ähnliches vorlegen lassen müssen sollen.

Als DIGNITAS-Deutschland haben wir die Hoffnung auf eine Einsicht seitens der Leopoldina darin, dass eine über derzeit geltende Gesetze hinausgehende engere Regulierung von Sterbehilfe nicht erforderlich, sondern kontraproduktiv wäre, nicht aufgegeben. Wir stehen Wissenschaftlern und Autoren der Leopoldina jederzeit zwecks fachlicher Erörterung zur Verfügung.

In den Reigen derer, die der Öffentlichkeit eine Anheimstellung unterbreitet haben, wonach Suizidhilfe in Deutschland eine besondere Regulierung erfahren sollte, hat sich nunmehr auch die Leopoldina dazugesellt. Bemerkenswert ist, dass eine ausgewiesene Fachperson zur Thematik aus den eigenen Reihen, Prof. Dr. Dr. Dieter Birnbacher, nicht unter den Autoren war.

Wissenschaftlichkeit

Früh zu Beginn der Erörterungen wird die Behauptung erhoben: "die nachfolgenden Ausführungen basieren auf wissenschaftlichen Erkenntnissen".

Offenbar ist man sich der eigenen Autorität, wonach einem bestimmt unkritisch geglaubt werden wird, sehr gewiss. Denn darauf, belastbare Daten zu Suizidhilfe in Deutschland zu präsentieren und zu erläutern, wird gänzlich verzichtet. Auch auf die Alternative, eine zwingend logische Argumentation auszubreiten, wurde verzichtet. Insofern spiegelt die Veröffentlichung allenfalls den kleinsten gemeinsamen Nenner der unter den Autoren vorhandenen normativen Weltanschauungen wider, und steckt also den Rahmen ihrer geteilten ideologischen Homogenität ab.

Erforderlichkeit

Vorgefallene Verwerfungen, die Bedarf nach dringender Regulierung aufwerfen könnten, werden keine präsentiert. Aus welchem unerfreulichen Geschehen heraus sich Erfordernisse nach Gesetzesausweitung speisen soll, wird nicht ersichtlich.

Suizidversuchsprävention

Immerhin: "Wichtig ist (…) ein breiter gesellschaftlicher Diskurs über Suizidbeihilfe und Suizidprävention." Die Autoren legen keinen Wert darauf, das letzte Wort gehabt zu haben. Schön wäre es gewesen, wenn sie nicht im Eifer des Gefechts vergessen hätten, auch die Suizidversuchsprävention zu erwähnen. Zum anstehenden Weltsuizidpräventionstag am 10. September hätte es gepasst.

Wem das Leid von Menschen aufrichtig am Herzen liegt, und wer sich im Rahmen der vorliegenden Thematik von Heuchlern abgrenzen möchte, der sollte stets darauf hinweisen, dass sich das weitaus größte menschliche Elend hier im Bereich des Suizidversuchsgeschehens abspielt. Also der hochriskanten Eigenunternehmungen, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, und keineswegs in dem von Suizidhilfe.

Ein niedrigschwelliges Suizidhilfeangebot, mit Aussicht auf professionalisierte Unterstützung und Begleitung, ist nicht nur geeignet, scheiternde Suizidversuche einzudämmen, sondern entspricht auch insofern der effektivsten Suizidprävention, als dass Menschen Kontrollgewissheit verschafft wird. Wenn sie einmal Hilfe benötigen, dann wird ihnen nicht nur von Menschenrechtsaktivisten, sondern überdies von Fachleuten geholfen. Legal, kompetent und empathisch. Die Auswirkungen subjektiv empfundener Kontrolle über die eigene Lebenslage auf die psychische und physische Gesundheit ist schwerlich zu bestreiten. Das ist wichtig. Mit Hürden wie Wartezeiten, Einbeziehung mehrerer Ärzte oder anderer eng definierter Personenkreise sowie dem Risiko, als gesunde Person eine Fehleinschätzung hinsichtlich seiner Freiverantwortlich­keit zu erhalten, holt man niemanden aus dem Suizidversuchsgeschehen in die professionalisierte Suizidhilfe.

Diskurs

Breiter gesellschaftlicher Diskurs anstatt wertungsfreier Informierung und Überlassung der höchstpersönlichen Entscheidungssphäre ist außerdem nicht ungefährlich. Es geht dabei schließlich nicht um "ideale Sprechsituationen" nach Jürgen Habermas. Wie sollen in Diskursen moralistische Drohkulissen, religiöse Weltanschauungsmissionierung, einschüchternde Schweigespiralen sowie forsche Minderheiten, die als Meinungsmehrheiten erscheinen, verhindert werden? Besser als Tabuisierung, wie früher, sind Diskurse allemal. Noch besser wäre aber, höchstpersönliche Entscheidungen einfach zu respektieren, anstatt infrage zu stellen.

Einflussnahme

"Besondere Aufmerksamkeit ist (…) auf einen möglichen gefühlten oder realen äußeren Druck auf die Suizidwilligen zu richten."

In welche Richtung soll die Aufmerksamkeit für Druck auf Suizidgewillte gerichtet werden? Auch darauf, ob ihnen ein Suizidwunsch ausgeredet wird? Ob in Familien Empörung und Vorwürfe geäußert werden, wenn ein hochbetagter oder schwerkranker Angehöriger damit aufwartet?
Und wie soll sichergestellt werden, dass in einem gesellschaftlichen Diskurs, wie vielseits gefordert, kein Eindruck von sozialen Erwartungen und erwünschtem Verhalten entsteht, insbesondere, wenn Glaubensangehörige von Religionen, Kirchen und Ähnliche versuchen, mit ihren Weltanschauungen Einfluss auf die Gesetzgebung zu nehmen, und somit darauf, wie auch Glaubensangehörige anderer Religionen leben müssen? Hierzu schweigt die Leopoldina. Dass man ihr einseitige Perspektivnahme unterstellt, fürchtet sie offenbar nicht.

Paternalismus

"Menschen am Ende ihres Lebens nicht allein zu lassen, ist eine zentrale Aufgabe einer sorgenden Gemeinschaft."

Ja, aber bitte nicht Sorge mit Paternalismus verwechseln. Wer erleben muss, dass "die Gesellschaft" seine Selbstbestimmung in höchstpersönlichsten Angelegenheiten erschwert, der möchte oft genug doch lieber von ihr alleine gelassen werden.

Beurteilung

"Grundsätzlich haben Staat und Gesellschaft die Aufgabe, innerhalb ihrer Möglichkeiten Rahmenbedingungen zu schaffen, die dem Einzelnen ein gutes Leben ermöglichen können (…)."

Was ein gutes Leben ist, ist so subjektiv und individuell verschieden, wie Menschen nur sein können. Der eine lebt keusch, der andere exzessiv. Und so unterschiedlich sind auch die Lebensenden. Darüber, was ein gutes Leben wie auch ein gutes Lebensende für ein Individuum ist, hat eine Gemeinschaft nicht zu entscheiden. Darüber, was "lebenswert" ist, und dieser unappetitliche Ausdruck fällt leider noch immer dann und wann, erst recht nicht. Erforderliche Rahmenbedingungen bestehen dabei bestimmt nicht in der Erschwerung selbstbestimmter Entscheidungen und deren Verwirklichung in höchstpersönlichen Angelegenheiten.

Nachhaltigkeit

Es "(…) muss berücksichtigt werden, dass ein Suizidwunsch oft instabil ist – gerade bei terminal erkrankten Menschen kann er Schwankungen unterliegen."

Schwerkranke Menschen, die eine selbstbestimmte Leidens- und Lebensbeendigung in Erwägung ziehen, tun dies kaum leichtfertig. Auch der Wille nach Lebensfortsetzung ist derweil mindestens so instabil, wie Suizidwünsche es sein können. Menschen, die eine Suizidassistenz in Erwägung ziehen, wählen nicht zwischen "sterben" und "gesund werden", sondern zwischen "schmerzfrei und selbstbestimmt das eigene Leben gemäß ihren eigenen Vorstellungen von Würde beenden" einerseits, und "unter schrecklichen Qualen leidend und nicht nach Vorstellungen der eigenen Würde qualvoll sterben" andererseits. Nur schon die Gewissheit, im Bedarfsfall Suizidhilfe in Anspruch nehmen zu können, macht die Situation für viele erträglicher.

Wahrnehmung

"Es bleibt (…) ein nicht vollständig aufzulösendes Spannungsverhältnis bestehen: die Achtung der Autonomie des Einzelnen einerseits, die mit Blick auf seine Entscheidungsfreiheit letztlich nicht an Bedingungen geknüpft werden kann, und andererseits das Wissen darum, dass der Entschluss (…) abhängig von (…) veränderbare[n] Faktoren ist und immer auch Ausdruck einer (…) beeinträchtigten Wahrnehmung sein kann."

Das mit der beeinträchtigten Wahrnehmung ist so eine Sache. Wissenschaftler haben nicht nur stets mit der Ausmerzung von statistischen Verzerrungen, sogenannten "Biases", zu kämpfen, sondern auch intelligente Menschen unterliegen ebenso einer Vielzahl an kognitiven Verzerrungen, unlogischen Irrationalitäten sowie Empathiedefiziten. Schwierigkeiten darin, sich im Nachvollziehen fremder Entscheidungen von eigenen Präferenzen freimachen zu können, gehören in diesen Bereich. Als Moralist oder Paternalist zu glauben, dass man den Mastercode dafür kennt, wie Menschen miteinander interagieren sollten, gehört auch dazu. Bescheidenheit in dieser Hinsicht ist den Vorschlägen der Leopoldina nicht anzumerken.

Fehlertoleranz

A propos Mastercode.

"Selbstverständlich kommt Suizidunterstützung nur bei denjenigen in Frage, deren Suizidwunsch ernsthaft, stabil, informiert und freiverantwortlich ist. (…). Wie lässt sich dies mit hinreichender Gewissheit feststellen?"

Offenbar erkennen die Autoren der Leopoldina einerseits, dass Menschen kein Armaturenbrett aufweisen und Freiverantwortlichkeit sich nicht wie an einem Tachometer daran ablesen lässt. Andererseits machen sie sich insofern der Naivität verdächtig, als dass sie die Wahrscheinlichkeiten, nach denen Ärzte inakzeptable Fehldiagnosen in problematischer Anzahl treffen, pauschal als hinreichend gering einschätzen. Oder sie halten Fehldiagnosen für tolerierbar.

"(…) wichtig (…) im Wissen darum, dass die Klärung (…) im Einzelfall auch für Expertinnen und Experten schwierig und fehleranfällig sein kann".

Aber in wessen Stellvertretung tolerieren sie? Von freiverantwortlichen, aber fehldiagnostizierten Personen erwarten sie, dass diese den Preis dafür zahlen, dass einige nichtfreiverantwortliche Personen vom Sterben abgehalten werden, obwohl niemand weiß, ob diese sich bei vorliegender Freiverantwortlichkeit, unter sonst gleichen Bedingungen, für ein Weiterleben entschieden hätten. Dies bedeutet, manchen Gemeinschaftsmitgliedern sicheres Leid zuzumuten, um andere vor unterstellten Fehlentscheidungen zu bewahren, die kein Leid zur Folge gehabt hätten.

Natürlich unterlaufen Ärzten Fehler. Einem Irrtum unterlegen zu haben, während man die Freiverantwortlichkeit eines Patienten verneinte, ist für Ärzte eine hohe persönliche Belastung. Auch die Schultern von Ärzten sind nur begrenzt mit Verantwortung für Menschen belastbar.

Freiverantwortlichkeit

Derweil findet die Leopoldina es "(…) wichtig, ein ausbalanciertes System zu entwickeln, das (…) die Entscheidungshoheit der Betroffenen – ggf. auch angesichts einer letztlich nicht nachvollziehbaren Motivation und der Irreversibilität dieser Entscheidung – akzeptiert (…)."

Wie soll ein Arzt zwischen einer für ihn persönlich absolut nicht nachvollziehbaren Entscheidung einer freiverantwortlichen Person und einer aufgrund mangelnder Freiverantwortlichkeit nicht nachvollziehbaren Entscheidung unterscheiden können? Hier liegt ein echtes Spannungsverhältnis vor. Wenn die Freiheit eines Bürgers und sein Schutz vor Einmischung durch einen zweiten Bürger und vor Fremdbestimmung eines der höchsten Güter oder gar das allerhöchste Gut in einer Gemeinschaft sein soll, und wenn dieser Schutz vor Einmischung selbstverständlich auch gegenüber dem Staat oder bestimmten Berufsgruppen gelten soll, dann müssen die Hürden für eine Diagnose über fehlende Freiverantwortlichkeit die höchsten sein, die es in der Medizin gibt, und die staatlichen Vorgaben setzen.

Insofern ist fraglich, ob in Beurteilungsprozessen durch Ärzte ein paternalistischer Maßstab angelegt werden sollte, der lautet, dass lieber einem Menschen zu viel als zu wenig die Freiverantwortlichkeit abgesprochen werden sollte, oder nicht lieber ein liberaler Maßstab, der von fehlbaren, aber selbstverantwortlichen und selbstbestimmten Menschen ausgeht, deren Würdeverständnis eine fehlerhafte Entmündigung noch weniger ertragen könnte als ihre körperlichen Leiden.

Im Hinblick auf Ärzte könnte es angemessen sein, eher über Entlastung von dem nachzudenken, was Ärzte hier alles verantworten sollen.

Voraussetzungen

Dem Standpunkt der Leopoldina nach "(…) ist eine ausreichende Bedenkzeit vorzusehen, die in Ausnahmefällen verkürzt werden kann."

Im Hinblick auf Minderjährige findet die Leopoldina: "[I]n besonderen medizinischen Ausnahmefällen eines Suizidwunschs bei gravierendem Leidensdruck ist auch die Entscheidung Jüngerer anzuerkennen, sofern die Person entsprechende Fähigkeiten zur hinreichend selbstbestimmten Willensbildung besitzt."

Die Leopoldina findet also, dass Fähigkeiten zur hinreichend selbstbestimmten Willensbildung nicht ausreichen dürfen sollen, um eine selbstbestimmte Entscheidung über sein Lebensende zu treffen, sondern es soll kumulativ auch eines gravierenden Leidensdrucks bedürfen. Dies steht in krassem Widerspruch zum Bundesverfassungsgerichtsurteil, demnach Leiden gar keine Voraussetzung ist.

Die Worte des Bundesverfassungsgerichts (RZ 210) lauteten:

"Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben ist als Ausdruck personaler Freiheit nicht auf fremddefinierte Situationen beschränkt. Das den innersten Bereich individueller Selbstbestimmung berührende Verfügungsrecht über das eigene Leben ist insbesondere nicht auf schwere oder unheilbare Krankheitszustände oder bestimmte Lebens- und Krankheitsphasen beschränkt. Eine Einengung des Schutzbereichs auf bestimmte Ursachen und Motive liefe auf eine Bewertung der Beweggründe des zur Selbsttötung Entschlossenen und auf eine inhaltliche Vorbestimmung hinaus, die dem Freiheitsgedanken des Grundgesetzes fremd ist."

Eine fallweise Bedenkzeitverkürzung ist ebenfalls abwegig. Was soll denn ein grundsätzlicher Zweck einer solchen Bedenkzeit sein, wenn er doch auch verzichtbar sein soll? Wenn schon Bedenkzeit, dann müsste sie für alle gleich lang sein, da sie sonst diskriminierend wäre.

Pflichten

"Niemand – auch kein Angehöriger medizinischer Berufe – kann zur Unterstützung eines Suizids verpflichtet werden."

In anderen Angelegenheiten können Menschen durchaus wegen unterlassener Hilfeleistung zur Verantwortung gezogen werden. Einige Staaten zwingen ihre Bürger gar zu Militär- oder Ersatzdienst. DIGNITAS-Deutschland ist niemand bekannt, der mit Blick auf Suizidhilfe je Pflichten oder Zwang für potenzielle Helfer gefordert hätte. Nicht von Individuen. Von Gemeinschaften und Staaten könnte allerdings durchaus erwartet werden, dass sie humanitäre Hilfe gewährleisten.

Suizidhilfe kann als humanitärste aller Angelegenheiten erachtet werden. Und natürlich können Stipendien, Zuschüsse, Kredite und Ähnliches an bestimmte Bereitschaftserklärungen geknüpft werden, auch solche zu humanitären Hilfeleistungen. Wer Ärzten oder Suizidhelfern jedoch keinerlei Subventionen zukommen lassen möchte, der sollte Menschen und ihren Helfern aber vielleicht wenigstens keine schikanierenden Steine in den Weg legen. Das hätte seinen Kollegen sicherlich auch ein freisinniger Ökonom geraten, wenn unter den Autoren der Leopoldina einer zugegen gewesen wäre.

"Kommerzielle Angebote der Suizidassistenz" sollen unterbunden werden wie auch "Werbung für die Suizidassistenz"?

Sollen suizidhelfende Ärzte wirklich gänzlich ehrenamtlich, respektive pro bono, arbeiten? Auch dann, wenn sie andere Arbeit, für die sie bezahlt würden, dafür aufschieben müssen? Soll dies von privatkreditfinanzierten Arztpraxen verlangt werden können? Und falls ja, warum dann nur in der Suizidhilfe? Warum sollen nicht auch Palliativmediziner, Gerontologen und Onkologen unbezahlt arbeiten müssen? Warum nicht alle Ärzte? Warum nicht auch alle Krankenpfleger? Was ist mit Bestattern, Pfarrern, Trauerrednern? So wird bestimmt nicht dafür gesorgt, dass über Spezialisierung und Professionalisierung die Sicherheit für Hilfesuchende zunimmt, sondern Suizidhilfe würde ein gefährliches Laiengeschäft.

Kommerzuntersagung im Bereich der Suizidhilfe würde im Übrigen auch aus Pflegeberufen kommende Freitodbegleiter betreffen. Dass Krankenpfleger an breiter Front überlastet und unterbezahlt wird, wird eigentlich kaum bestritten. Sollen sie Suizidhilfe also tatsächlich ernsthaft noch neben ihrer Erwerbstätigkeit leisten? An welchem Empathieverlust muss man leiden, um dies von Geringverdienern zu verlangen?

Und ab wann soll Werbung beginnen? Ab einem marktschreierischen Anpreisen der eigenen Hilfsbereitschaft? Oder erst ab der Behauptung, dass man die Lösung aller Probleme habe? Oder bereits bei bloßer Informierung über eine existierende Möglichkeit für Hilfsbedürftige? Wie könnte das mit einem Anspruch vereinbart werden, wonach doch Beratungsangebote geschaffen werden sollen? Alleine die Informierung über ein Beratungsangebot könnte doch schon unter Werbung fallen. Und was sollen Berater noch sagen dürfen?

"(…) muss die Bevölkerung besser über die Möglichkeiten von Hilfe und Begleitung aufgeklärt werden." Damit widerspricht sich die Leopoldina selbst.

Sie macht es sich mit ihren kryptischen Andeutungen dann doch etwas einfach. Eine Erläuterung, wie die Dinge zusammengefügt werden könnten und sollten, wäre hilfreich gewesen. Forderungen nach Aufklärung über Möglichkeiten, Hilfe und Begleitung können sehr schnell in Widerspruch dazu geraten, Suizidhilfevereinen eine aktive Informierung über ihre Angebote zu unterbinden.

Gesetzgebung

Tatsache ist, dass in Deutschland keinerlei Verbrechen im Rahmen stattfindender professioneller Suizidhilfe bekannt sind. Welcher Bedarf nach regulierender Gesetzgebung, die Privatautonomie unterbindet und Selbstbestimmung einschränkt, soll sich da denn abzeichnen?

Normativität

Für eine Stellungnahme von Wissenschaftlern zeichnet sich die Veröffentlichung der Leopoldina durch einen imperativen Duktus aus, der nicht erforderlich wäre. Gemessen an der Kürze des Papiers ist viel von "müssen" die Rede. Unter Wissenschaftlern sind deskriptive Sprache, Ergebnisoffenheit, Wahlfreiheit sowie das Aufzeigen von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen üblich, damit sich jedermann unbeeinflusst seinen Standpunkt bilden kann. "Müssen" impliziert bereits ein ideologisch gesetztes Ziel, zu dessen Erreichung Zwang gegen den eigenen Willen erforderlich ist.

Die selbstgesetzte Maxime der Basierung "auf wissenschaftlichen Erkenntnissen" wird insofern verfehlt.

Eine Bewertung, die Prof. Dr. Dr. Dieter Birnbacher, Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und selbst Mitglied der Leopoldina, Anfang des Monats für den hpd vornahm, lesen Sie hier. Den Debattenbeitrag der Leopoldina finden Sie im dortigen Anhang.

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