Die evangelische Kirche verzeichnet für das vergangene Jahr einen neuen Negativrekord bei ihren Mitgliedszahlen. Erstmals sank die Zahl der Protestanten in Deutschland unter die Grenze von 20 Millionen. Besonders verantwortlich scheint dafür die Corona-Pandemie zu sein.
Dass sich die Mitgliederzahlen der beiden großen Kirchen in Deutschland seit geraumer Zeit konstant im Sinkflug befinden, ist hinlänglich bekannt. Gerade bei den Katholiken führte der Missbrauchsskandal zu regelrechten Austrittswellen und ausgebuchten Abmeldeterminen, was gerade in der Pandemiezeit zu einer Herausforderung werden konnte.
Doch auch bei der evangelischen Kirche sieht die Lage kaum besser aus. Die EKD veröffentlichte am 9. März in Hannover die genaue Anzahl ihrer Kirchenmitglieder: Diese lag zum gemessenen Stichtag, dem 31. Dezember 2021, bei 19.725.000. Damit ging die Zahl der Mitglieder um etwa 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurück, als sie noch bei knapp über 20 Millionen lag.
Bemerkenswert ist allerdings der traurige Grund, den die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) für ihren vermehrten Mitgliederschwund ausgemacht hat: So ist laut EKD die Corona-Pandemie mit ihrer erhöhten Mortalitätsrate gerade für alte Menschen schuld an dem gestiegenen Maß des Mitgliederschwunds. 360.000 Kirchenmitglieder seien verstorben. Dagegen seien 2021 "nur" 280.000 Menschen aus der evangelischen Kirche ausgetreten. Im Vorjahr verstarben dagegen deutlich weniger Mitglieder (257.000) und es traten 220.000 Personen aus der evangelischen Kirche aus.
Die Taufen können die Verluste schon lange nicht mehr ausgleichen; im Jahr 2021 waren es 115.000. Zwar stieg die Anzahl der neu getauften Protestanten im Vergleich zum Vorjahr, dies könnte jedoch an der coronabedingten Zurückhaltung liegen, die 2020 für eine massive Taufmüdigkeit gesorgt hatte. An das Vor-Pandemie-Niveau kamen die Zahlen des letzten Jahres dennoch nicht heran. Man wolle jedoch die "anhaltend hohe[n] Austrittszahlen nicht als gottgegeben hinnehmen", sagt die EKD-Ratsvorsitzende, Annette Kurschus, dazu, "sondern dort, wo es möglich ist, entschieden gegensteuern." Die EKD plant daher gezielter junge Familien zur Taufe zu ermutigen, um die ausgefallenen Taufen während der Lockdowns nachzuholen.
Das Sozialwissenschaftliche Institut der EKD ist der Frage nach den zunehmenden Austrittszahlen nachgegangen und stellte vor allem schlicht "persönliche Irrelevanz" als Hauptgrund für die Abkehr von einer konfessionellen Bindung fest. Lediglich jeder vierte ehemalige Protestant (24 Prozent) und immerhin nur jeder dritte Ex-Katholik (37 Prozent) gab als Austrittsgrund konkrete Themenpunkte an, die ihn an seiner religiösen Institution gestört hätten. Die Soziologin und Autorin der Studie, Petra-Angela Ahrens, macht die etwas höhere Unzufriedenheit bei den ehemaligen Katholiken an den jüngst wieder vermehrt aufgetretenen Skandalen fest.
Der Hauptgrund für die Austritte aus beiden Kirchen sei jedoch einfach die fehlende Bindung zur Institution. Durch kaum religiöse Prägung im Kindesalter würde später als Erwachsener eine simple Kosten-Nutzen Abwägung zum Austritt führen. Die meisten ehemaligen Protestanten wollten sich einfach die Kirchensteuer sparen, so das nüchterne Fazit.
Die katholische Kirche will ihre genauen Zahlen des Jahres 2021 erst im Sommer bekannt geben. Eine Tendenz, die von einem konstanten Rückgang der Mitglieder abweicht, wäre jedoch mehr als verwunderlich. Gut möglich ist daher, dass vielleicht schon in diesem Jahr über 50 Prozent der Deutschen keiner der beiden großen Kirchen mehr angehören werden.
14 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Mir kommen die Tränen über die steigenden Austrittszahlen, am Ende erkennen immer mehr Menschen, dass sie von den Kirchen nur verarscht werden und mit dem erfundenen Gott, den Kirchen nur zu Reichtum und Macht verholf
sich Freiheiten herausnehmen, Sodass diese sich ungestraft an Kindern vergehen können.
Dies alles sollte zu der Erkenntnis führen, dass der angebotene Humanismus sich nur um die Belange der Menschen kümmert und dies den Mittelpunkt des Zusammenlebens bildet.
Auch wird keine Humanistensteuer erhoben, sondern das Augenmerk auf ein friedliches
Zusammenleben der Menschen weltweit gesetzt.
Das Christentum gibt es seit ca. 2500 Jahren, davor gab es hunderte von Göttern auf Erden. Was die Christen im laufe ihrer Geschichte an Massenvernichtungen und Abschlachten von Menschen sich geleistet haben, ohne dass ein "Gott" je eingegriffen hätte, beweist doch eindeutig, dass dies NUR eine Erfindung derjenigen ist, welche sich
damit zu Reichtum und Macht hochgemordet haben.
Auch im "aufgeklärten" 21. Jahrhundert fordern diese noch immer ihre Privilegien ein.
Wann wacht die Menschheit endlich aus diesem Alptraum auf.
Joachim Stelling am Permanenter Link
Die Kirche sagt, Pandemie und Steuern seien die Austrittsgründe. - Wie wär's damit: Wertlose theologische Antworten der Kirche sind keine Steuern wert.
Klaus Bernd am Permanenter Link
Die Gründe für den Kirchenaustritt werfen auch ein bezeichnendes Licht auf die Gründe für die Mitgliedschaft: religiöse Prägung im Kindesalter, dann lange Jahre des Desinteresses, dann vielleicht mal eine Rückbesinnun
Die Aussage „Durch kaum religiöse Prägung im Kindesalter würde später als Erwachsener eine simple Kosten-Nutzen Abwägung zum Austritt führen.“ kann daher kaum überschätzt werden.
Daher versuchen die Kirchenfürsten mit allen Mitteln den Zugriff auf die Jüngsten zu sichern; durch KITAs unter Pfaffenherrschaft, Kinderkirchen, Kinderbibeln und sogar einen Kinderkatechismus gibt es, und nicht zu vergessen den Religionsunterricht in der Schule.
Wenn man sich z.B. mal eine Kinderbibel anschaut, dann kann einem kotzübel werden angesichts der schönfärberischen Schnulzengeschichten, die den Kindern da vorgesetzt werden. Dagegen sind die Märchen der Gebrüder Grimm noch realitätsnah und lehrreich.
Paul München am Permanenter Link
Nicht zu vergessen in der Aufzählung, es gibt laut Aushang sogar "Kindergottesdienste" für die Kleinsten.
Hermann Krah am Permanenter Link
"Die EKD plant daher gezielter junge Familien zur Taufe zu ermutigen, um die ausgefallenen Taufen während der Lockdowns nachzuholen."
Und führe mich nicht in Versuchung, sondern erlöse mich von jeglichem religiösen Lockangebot.
A.S. am Permanenter Link
Naja, die Menschen merken halt, wie unheilig die Kirchen sind.
Und was die "frühkindliche Prägung" betrifft: Dieses wording verschleiert "religiöse Indoktrination im Kindesalter".
Werden die Menschen nicht zur Religion gezwungen, wenden sie sich ab. Richtig so!
Klaus Weidenbach am Permanenter Link
Ich hoffe, dass die Günde für die Kirchenaustritte nicht allein so sehr an der Oberfläche liegen. Es ist hoffentlich das Produkt, das die Kirchen verkaufen, nämlich die Vorstellung von einem Leben nach dem Tod.
Roland Weber am Permanenter Link
Vielleicht es es ja nicht nur der Kindesmissbrauch, den die evangelische Kirche ohnehin nur am Rande trifft, der zur Kirchenmüdigkeit führt, sondern einfach die Zwangspause bzw.
Petra Pausch am Permanenter Link
Ich finde es bemerkenswert traurig, dass bislang keiner der Kommentare darauf eingeht, dass so viele Menschen im Zuge der Corona-Epidemie verstorben sind, dass sich das in den Zahlen der Kirchenmitgliedschaften signif
Daniela am Permanenter Link
Ja, da muss ich zustimmen, Humanismus ist das hier nicht. Eher erbärmlich, was man hier so liest.
Rene Goeckel am Permanenter Link
"Papst erbittet Schutz Mariens für Russland und Ukraine". Wundert mich nicht, wenn das Publikum diese Operette zunehmend ausbuht. Wer glaubt denn noch an Zauberer?
M.S. am Permanenter Link
Ich sehe da eigentlich eher, dass es keinen überzeugenden Grund gibt, in einer Kirche zu bleiben, der man nie selbst beigetreten ist und deren "Leistungen" man nicht in Anspruch nimmt.
Felix Ramsch am Permanenter Link
Es geht doch in der Institution Kirche schon lange nicht mehr um die Botschaft der Bibel. Es ist ein humanistischer dem Zeitgeist anhängender Wirtschaftsbetrieb geworden.
Paul München am Permanenter Link
"Da fielen Gottesdienst/Versammlungen aus, da wurde nicht zu Gottes Ehre gesungen, da wurden Menschen ausgesperrt, da fand keine Seelsorge statt usw. usf...."
Und nicht wenigen Menschen ist dadurch ein Licht aufgegangen, sie haben erkannt, dass man auf den Hokuspokus von Gottesdiensten und Andachten ohne weiteres verzichten kann, dass "Gott" nicht erzürnt ist und ein Strafgericht sendet, wenn nicht mehr zu seiner Ehre gesungen wird.
"Die Bibel lehrt etwas ganz anderes. Jesus ist sogar zu den Kranken hingegangen und hat sie geheilt. Er hat auch niemanden ausgeschlossen."
Menschenfreundlich wäre gewesen, wenn Jesus (so er denn wirklich existierte) sein medizinisches (?) Wissen weitergegeben hätte. Statt dessen brauchte die Menschheit Jahrtausende (!), um erfolgreiche medizinische Behandlungsmethoden zu entwickeln für Krankheiten, an denen Menschen zuvor elend und qualvoll gestorben sind, und gegen die "Beten" und Weihwasser nichts geholfen hat.