Zur angeblichen Islamisierung des Abendlandes, der "Klima-Lüge" oder dem nie eingeführten Impfzwang gesellen sich Verschwörungsmärchen über den Krieg in der Ukraine. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) hat zu den "Verschwörungserzählungen über den Angriffskrieg gegen die Ukraine in der Gesellschaft" vergangene Woche ein Research Paper veröffentlicht.
Eines der zentralen Ergebnisse des CeMAS-Papers lautet: Impfstatus und Verschwörungsglauben haben einen Zusammenhang. Ungeimpfte sind zu rund 56 Prozent auch den Verschwörungserzählungen im Zusammenhang mit Russland und der Ukraine zugetan. Bei den Geimpften sind es nur 14,5 Prozent, die den Phantasiegeschichten zum Ukraine-Krieg nicht abgeneigt sind. Die Forscher befragten in einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung 2.031 volljährige Personen.
Der Aussage "Putin geht gegen eine globale Elite vor, die im Hintergrund die Fäden zieht" stimmen immerhin gut zwölf Prozent voll und fast 20 Prozent der Befragten teilweise zu. "Der Krieg in der Ukraine dient nur der Ablenkung von der Corona-Pandemie" – davon sind knapp vier Prozent der Deutschen vollkommen überzeugt, über acht Prozent glauben, dass diese Aussage teilweise zutreffen könnte. "Die westliche Welt hat sich gegen Russland und Putin verschworen, um die eigene Macht auszubauen" – etwa ein Viertel der Deutschen meint, diese Aussage treffe ganz oder teilweise zu.
Telegram als Informationsquelle
Zwar sei das Gesamtergebnis erfreulich, schreiben die Autor*innen, aber fast jede siebte Person glaubt, dass man westlichen Medien nicht mehr trauen könne, wenn sie über den Krieg in der Ukraine berichteten (13,7 Prozent). In Bezug auf das Geschlecht habe es keine signifikanten Unterschiede gegeben, wohl aber in Bezug auf das Alter: Am häufigsten ist Verschwörungsglaube mit 24,3 Prozent bei den 40- bis 49-Jährigen zu finden. Die über 60-Jährigen glauben nur zu 13,1 Prozent an Schwurbelgeschichten.
Verschwörungsanhänger*innen informieren sich überwiegend über Social-Media-Kanäle, heißt es in dem Paper. Der Messenging-Dienst Telegram hat für sie einen hohen Stellenwert: Etwa 27 Prozent der Befragten mit einem besonders hohen Verschwörungsglauben (z. B. "Der Krieg ist nur eine Ablenkung von der Corona-Pandemie") nutzen Telegram täglich oder mehrfach die Woche. Im Vergleich dazu: Menschen, die nicht an Verschwörungserzählungen glauben, nutzen lediglich zu 6,3 Prozent Telegram als Informationsquelle.
AfD-Wähler*innen glauben gerne an Verschwörungen
Eine signifikante Korrelation fanden die Forscher*innen nicht nur bei der Impfbereitschaft und dem Glauben an Verschwörungen, die Parteipräferenz steht ebenfalls in Beziehung zu der Offenheit gegenüber Verschwörungserzählungen: Über ein Drittel der AfD-Wähler*innen sehen etwa die Schuld am Krieg bei der Ukraine, über 40 Prozent machen die NATO für den Ausbruch des Krieges verantwortlich. Überhaupt ist jede zweite Person, die bei der nächsten Wahl AfD wählen möchte, Verschwörungserzählungen zum Krieg nicht abgeneigt (58,4 Prozent). Die geringste Zustimmung findet sich bei den Wähler*innen der Grünen (3,8 Prozent).
In Kriegszeiten sehnten sich viele Menschen nach Entlastung durch eine klare Einordnung der Welt, schreiben die Psychologin und Geschäftsführerin der CeMAS, Pia Lamberty, und ihre Co-Autor*innen. "Doch auch wenn dieser Krieg irgendwann vorbei sein wird, ist die Gefahr nicht gebannt", heißt es dort. Denn die Folgen des Krieges seien jetzt schon spürbar, die sozialen Konsequenzen könnten noch lange spürbar sein. Die Autor*innen warnen: Verschwörungsideolog*innen und Rechtsextreme könnten die Situation für weitere Hetze und Radikalisierung nutzen.
Die ganze Studie von CeMAS ist hier online verfügbar.
5 Kommentare
Kommentare
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
(Geistig) armes Deutschland, wer an derartige Mythen glaubt und sich nur in den Medien wie Telegram u.ä. informiert, hat längst vergessen sein Gehirn zu benutzen.
Dieses Problem ist aber leider nicht auf die BRD beschränkt, sondern weltweit zu
konstatieren.
Dabei gibt es sicher Interessengemeinschaften, welch dadurch profitieren und diese
Fehlinformationen bewusst steuern, das können politische Aktivisten oder auch religiöse Aktivisten sein, welche an einer unaufgeklärten Menschheit Interessen haben.
KDL am Permanenter Link
Bei solchen Vergleichsstudien, die 2 Items in Relation setzen, gilt es sehr vorsichtig zu sein. Hierbei werden häufig Schlussfolgerungen gezogen, die anderweitig empirisch erhärtet werden müssen.
Im Ansatz ist auch erkennbar, dass der Autor dieser Richtung zuneigt, wenn er Differentes versucht in einen Topf zu werfen.
Damit ist der Erkenntnis nicht gedient.
Carsten Ramsel am Permanenter Link
@KDL: Meinten Sie so etwas?
„Wir haben verschiedene statistische Analysen durchgeführt um die Qualität der Analysen zu garantieren. Dazu haben wir eine explorative Faktorenanalyse durchgeführt, die klar zeigt, dass eine einfaktorielle Lösung genutzt werden sollte. Dies spiegelt sich auch in den hohen Reliabilitätswerten der erstellten Skala wider (α= .931) Zur Qualitätssicherung wurden alle berichteten Zusammenhänge - wie beispielsweise der Glaube an Verschwörungen und Impfstatus oder Parteipräferenz - mit interferenzstatistischen Verfahren noch einmal berechnet. Diese werden an dieser Stelle allerdings nicht berichtet“ (Seite 6, FN 9)
„Empirische Erhärtungen“ finden Sie außerdem in weiteren Studien, die während der Corona-Proteste erhoben wurden. Z. B. https://blog.gwup.net/2021/11/28/neue-studie-anthroposophie-und-alternativszene-als-triebfedern-der-querdenken-bewegung/
KDL am Permanenter Link
Danke für ihre kenntnisteiche Expertise.
Wie immer bleiben Fragen offen.
Mein Punkt: Auf die Gefahr hinweisen, unbequeme Positionen vorschnell - ohne wissenschaftliche Validierung - dem Verschwörungskontext zuzuschlagen.
Hans Trutnau am Permanenter Link
Der Punkt ("Auf die Gefahr hinweisen ...") ist m.E. berechtigt.
Aussagen wie "Impfstatus und Verschwörungsglauben haben einen Zusammenhang" sind in ihrer banalen Intention (Kausalität statt bloßer Korrelation?) m.E. kaum zu überbieten.
Der Verschwörungskontext im Artikel-Teaser der Autorin setzt dem eigentlich nur die Krone auf.