In Schweden gibt es derzeit heiße Diskussionen um das Verbrennen "heiliger" Bücher, konkret um das Verbrennen von Koran und Thora. Sollte dies gesetzlich erlaubt oder verboten sein? Ein Kommentar aus säkular-humanistischer Sicht von hpd-Redakteurin Daniela Wakonigg.
Im Januar wurde in Schweden auf einer rechten antitürkischen Demonstration ein Koran verbrannt, was zu Protesten in der muslimischen Welt führte. Weitere Ankündigungen öffentlicher Koranverbrennungen folgten, die kurzfristig verboten, dann aber wieder erlaubt wurden. Dies wiederum führte zur Ankündigung einer öffentlichen Thora-Verbrennung, die in dem skandinavischen Land zu weiteren Diskussionen um das Verbrennen von "heiligen" Büchern führten.
Bücher sind eine faszinierende Sache. Objektiv betrachtet sind sie nichts weiter als mit Buchstaben bedruckte Papierseiten zwischen zwei Buchdeckeln. Und doch können sie Bemerkenswertes bewirken. Sie können Menschen ihrer eigenen Gegenwart entrücken, sie in Fantasiewelten entführen, an weit entfernte Orte und Zeiten oder in erstaunliche Gedankengebäude. Insofern wohnt allen Büchern eine gewisse Magie inne – wobei diese Magie vollkommen rational zu erklären ist.
Sogenannte "Heilige Bücher" stellen eine besondere Kategorie dieser erstaunlichen Objekte dar. Für die Anhänger von Religionen steht jede einzelne Ausgabe ihres jeweiligen "heiligen" Buchs gewissermaßen in direkter Verbindung mit der heiligen Gottheit, die sie verehren. Ein Angriff auf dieses Buch stellt für sie einen Angriff auf ihre Gottheit, ihren Glauben und damit auch auf sie selbst dar.
Wer nun "Heilige Bücher" öffentlich verbrennt, kann hierfür sehr unterschiedliche Gründe haben. Allein bei den jüngsten Ereignissen in Schweden zeigte sich dies sehr deutlich. Die Koran-Verbrennung durch Rechtsextreme im Januar hatte eindeutig muslimen- und ausländerfeindliche Gründe. Auch eine gewisse Bedrohung lässt sich daraus ablesen, denn bekanntlich belassen es Rechtsextreme nicht immer beim Anzünden von Koranen, sondern zünden mitunter auch Asylbewerberheime an.
Die nächsten Koran-Verbrennungen wurden mit anderen Intentionen angemeldet: Eine Gruppe wollte auf diese Weise Schwedens NATO-Beitritt verhindern, nachdem bereits die Koran-Verbrennung im Januar dazu geführt hatte, dass der türkische Präsident Erdoğan empört genug war, Schwedens NATO-Beitritt zu blockieren. Aber auch ein Mann, der aus einem mehrheitlich muslimischen Land stammt, beantragte eine Koran-Verbrennung. Er wollte sie als Kritik am Islam verstanden wissen.
Die Diskussionen um die Koran-Verbrennerei empörten dann wiederum einen Muslim, der prompt beantragte, eine jüdische Thora öffentlich verbrennen zu dürfen, um herauszufinden, wie liberal man in Schweden denn nun wirklich sei in Hinblick auf das Verbrennen "heiliger" Bücher – oder ob diese Liberalität eventuell nur in Hinblick auf das "heilige" Buch des Islam bestünde. Dass das Verbrennen eines "heiligen" Buchs der Juden nach dem Holocaust und aufgrund in der muslimischen Welt weit verbreiteter Vernichtungsfantasien gegen den Staat Israel noch einmal ganz anders konnotiert ist als das Verbrennen einer Bibel oder eines Korans, sei hier nur am Rande erwähnt.
Diese unterschiedlichen Intentionen, die mit dem Verbrennen "heiliger" Bücher verbunden sein können, machen die Sache für Gesetzgeber und Ordnungsbehörden nicht gerade einfach. Sollte es einfach per se gesetzlich verboten oder per se gesetzlich erlaubt sein, Bücher, die einer relevanten Anzahl von Menschen "heilig" sind, zu verbieten? Oder sollte es der Ordnungsbehörde oder Polizei überlassen werden, im Einzelfall und je nach vorgetragener Intention über Verbot oder Erlaubnis des Verbrennungsvorhabens zu entscheiden?
Und wie könnte eigentlich eine sinnvolle säkular-humanistische Haltung zu dem Thema aussehen? Für einen säkularen Staat müsste es eigentlich klar sein, dass kein Buch objektiv "heilig" ist. Es gibt Bücher, die Menschen wichtig sind, den einen Koran, Bibel, Thora oder Bhagavadgita und den anderen Harry Potter, Goethes Faust oder Darwins "Entstehung der Arten". Das Verbrennen oder Zerstören jedes Buchs zu verbieten, das irgendjemandem wichtig ist oder wichtig sein könnte, dürfte deshalb weder praktikabel noch sinnvoll sein. Die Bevorzugung Religiöser gegenüber Nicht-Religiösen und damit ein Verbot nur für das Verbrennen oder Zerstören von Büchern, die Religiöse für "heilig" halten, verbietet sich jedoch in einem säkularen Staat. In einem solchen muss also das Verbrennen auch sogenannter "heiliger" Bücher erlaubt sein.
Aber sollte man es deshalb auch tun? Nein. Jedenfalls nicht ohne triftigen Grund. Hier käme dann der Humanismus ins Spiel. Denn warum soll ich absichtlich Menschen verletzen, indem ich etwas beschädige, das ihnen wichtig ist – egal für wie unsinnig ich persönlich dieses Etwas halte?
39 Kommentare
Kommentare
Roland Fakler am Permanenter Link
Ein kluger und abgewogener Text!
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
Gut so Roland
Helmut Lambert am Permanenter Link
"....Menschen verletzen, indem ich etwas beschädige, das ihnen wichtig ist...", das reicht m.E. nicht.
Darin liegt auch ein Unterschied zur in Erwägung gezogenen Thoraverbrennung. Ich habe noch nicht gehört, dass die Juden einem anderen Staat aus Glaubensgründen mit Vernichtung drohen oder ihren Glauben mit Sprengstoffgürteln verbreiten.
Daher halte ich die Verbrennung Heiliger Bücher zur Verteidigung einer aufgeklärten Gesellschaft für gerechtfertigt und lediglich unter Zweckmäßigkeitsgründen zu entscheiden, z.B. unerwünschte Solidarisierungen etc.
MfG
Weber am Permanenter Link
Hallo, ich kann Ihren Standpunkt nicht nachvollziehen. Warum sollen Bücher verbrannt werden? Das Verbrennen von Büchern zeugt von geistiger Armut, denn das Verbrennen von Büchern beseitigt keinesfalls deren Inhalt.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Die Frage war: Dürfen Bücher....? Natürlich geht es zunächst um das Verstehen durch lesen! Verbrennen ist ja eine Form der öffentliche Missbiligung eines Textes. Warum soll das nicht erlaubt sein?
Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Nur Extremisten verbrennen Bücher, Humanisten ist das fremd.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Wie kommen Sie dazu, mich mit Ihrem Dogma vom Humanismus auszuschließen? (...) (von der Redaktion gemäß unserer Netiquette bearbeitet)
Weber am Permanenter Link
Weil das Verbrennen von Büchern nur von radikalen Kräften gemacht wird und der Humanismus nicht in der Tradition der Bücherverbrenner des 3.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Keine Antwort auf meine Frage, wieso Sie mir mit Ihren Dogmen absprechen ein Humanist zu sein. Da habe ich eher bei Ihnen Zweifel, weil Sie nicht argumentieren sondern behaupten.
Weber am Permanenter Link
Informieren Sie sich mal über den Begriff Dogma. Ich bezie mich nicht auf kirchliche Ansichten.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Oh Gott! Sie meinen Dogmen gäb es nur im eeliösen Zusammenhang! Und raten mir, mich zu informieren!
Es ist noch schlimmer als ich dachte!
Volkmar H. Weber am Permanenter Link
Ach ja .....Gott ..... und dann meinen Sie Humanist zu sein. RIDIKÜL!!!
Willi Stockem am Permanenter Link
Erlaubt - nicht erlaubt?
Warum fragen sie nicht einfach bei den Kirchen nach. Die sollten doch Experten sein. Immerhin haben die Päpste Bücher mit ihnen nicht genehmen Inhalten gleich haufenweise verbrannt.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Das war nicht meine Frage sondern die, des Artikels von Frau Wakoning, incl. der Anregung an die Leser, ihre Meinung mitzuteilen.
Weber am Permanenter Link
Sollte es zu Ihrer Behauptung auch belastbare Fakten geben?
hpd-Redaktion am Permanenter Link
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Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Man sollte generell Bücher nicht verbrennen. Auch nicht wegschmeißen, schreddern. Aber wenn man es nicht verbieten kann (Verfügungsgewalt über das Eigentum), dann ist es zwangsläufig erlaubt.
Ein säkularer Staat kann damit aus meiner Sicht nur so umgehen, indem er bei Buchverbrennungen die Gesinnung der Verbrennung erforscht und bei radikalen Ansätzen einschreitet. Das ist aber sehr dünnes Eis und nur möglich, wenn die Verbrennung von entsprechenden Hassbotschaften flankiert wird. D. h. wenn damit öffentlich zur Vernichtung der Menschen aufgerufen wird, denen die Werke wichtig sind.
So, wie Bücherverbrennungen der Nazis heute negativ bewertet werden, weil sie auf der Absicht, Gedankengut und Haltungen zu vernichten, basierten. Oder wie es einer der Erfinder der Bücherverbrennungen aus ideologischen Gründen tat: D. Martin Luther, der das Judentum, den Islam und die Meinung Andersdenkender (z. B. Nicht-Reform-Williger) in Deutschland vernichten wollte.
Aber parallel dazu müsste der säkulare Staat auf religiöse Vertreter einwirken, dass sie sich nicht provozieren lassen, wenn jemand sein eigenes Buch - und sei es eine sogenannte heilige Schrift - zerstört. Denn praktisch alle Bücherverbrennungen dieser Werke basieren auf Provokationsabsicht. Ließen sich Gläubige nicht mehr provozieren, wäre dieser Idee der Stecker gezogen...
Gerhard Baierlein am Permanenter Link
@ Bernd Kammermeier: Zum Thema Bücher verbrennen oder vernichten eine kleine Anekdote von mir. In meiner Straße wohnt ein radikaler Christ, bei diesem ich mir erlaubt habe,
dessen Haus vorbeiging, lag mein Büchlein auf der Strasse im Dreck, soviel zu der Kommunikationsbereitschaft von streng gläubigen Christen. Mein Versuch ein Gespräch zu
erreichen war damit klar abgelehnt. Was soll man da noch machen?
David Z am Permanenter Link
In einer freien Gesellschaft darf jeder sein persönliches Eigentum behandeln, wie er möchte. Das Verbrennen an sich muss gesetzlich erlaubt sein.
Jurisitisch relevant ist der Kontext. Genau so wie bestimmte Äusserungen im öffentlichen Kontext problematisch und damit u. U. strafrechtliche Relevanz haben können, gilt das auch für Handlungen, in diesem Fall für die Bücherverbrennung oder jegliche andere herabwürdigende Handlung (zb Koran mit Schweinekot beschmieren) , die unreflektiert den öffentlichen Frieden stören oder sogar zur Gewalt aufrufen. Ich könnte mir sogar Situationen vorstellen, die die Verbrennung von "Mein Kampf" aus gutem Grund strafrechtlich ahnden bzw verbieten.
Die Abwägung ist zugegebenermassen sehr schwierig, Stichwort "Gotteslästerung". Grundsätzlich sollte mMn im Zweifel die juristische Tendenz zu freien Meinungsäusserung bzw Handlung gehen.
Walter Otte am Permanenter Link
Zur Anekdote: mir ist völlig unbegreiflich, wie man auf eine solche Art und Weise eine Kommunikation mit einem "radikalen" Christen - was immer das genau sein mag - aufbauen will. Und warum überhaupt?
"Erfolgreicher" könnte sein: Religiösen, aber Zweifelnden, solche Bücher zugänglich zu machen. Das könnte die Zweifel verstärken.
Werner Helbling am Permanenter Link
Diese «heiligen Bücher» sind vor etwa zwischen 1300 + 3500 Jahren entstanden. Dies in einem Umkreis von etwa 1500 Km um Jerusalem. In einer Zeit als 99 % der Bevölkerung nicht lesen und schreiben konnten.
Mit dem Verbrennen dieser Schriften, bringt man nur die fundamentalen Gläubigen auf die Palme. Das Thema Aufklärung (möglichst keine Finger verbrennen) wird damit kontraproduktiv verdrängt und unterdrückt statt dringend angegangen.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Ihre Ausführungen münden in die pragmatische Überlegung der aufklärerischen Wirkungen von Bücherverbrennungen, die Sie bei fanatischen Anhängern aufgrund der Provokation nicht erwarten.
Norbert Schönecker am Permanenter Link
"Im Römischen Reich einschließlich der Provinzen waren weite Teile der Bevölkerung alphabetisiert." (laut Wikipedia: Alphabetisierung)
"Pythagoras (von -580 bis -495) und Platon (von -428 bis -348) gaben der Erde eine Kugelform, die als rationaler angesehen wurde. Aristoteles (von -384 bis -322) erbrachte schließlich durch Beobachtung die ersten Beweise für die Kugelform der Erde. ... Diese Tatsache, dass die Erde eine Kugel war, schien die Welt damals nicht wirklich zu schockieren." Quelle: https://www.futura-sciences.com/de/wer-hat-herausgefunden-dass-die-erde-rund-ist_8478/
"Die kürzeste Entfernung zwischen Jerusalem und Rom beträgt 2.302,84 km Luftlinie." Quelle: Google (Anm.: Philipperbrief und Philemonbrief)
Ja, Aufklärung ist immer gut.
Bruder Spaghettus am Permanenter Link
"Hier käme dann der Humanismus ins Spiel. Denn warum soll ich absichtlich Menschen verletzen, indem ich etwas beschädige, das ihnen wichtig ist – egal für wie unsinnig ich persönlich dieses Etwas halte?"
Das sollten Humanisten tatsächlich nicht tun, absichtlich Menschen zu verletzen. Sie sollten sich aber auch nicht davon abhalten lassen, etwas, was sie für notwendig halten, zu tun, weil sich durch dieses Tun Menschen verletzt fühlen könnten. Das wäre nicht nur das Ende von Religionskritik, sondern das Ende jeglicher auf Gruppen bezogener Kritik. Da spielt es auch keine Rolle, ob völlig sicher ist, dass diese Gruppen sich verletzt fühlen. Es spielt lediglich eine Rolle, ob das Verletzen das Hauptanliegen der Aktion ist oder Nebenprodukt.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Bruder Spaghettus: Im zweiten Teil deines Textes relativierst du die etwas dogmatische Aussage des ersten Teils "...Humanisten sollten nicht...".
A.S. am Permanenter Link
Bücher sind Bündel von bedrucktem Papier. Wenn ein Buch verschlissen ist, kann man es in den Müll oder den Ofen werfen. In beiden Fällen wird es verbrannt.
Warum also die Aufregung?
Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt ins Spiel bringen:
Wer ein "heiliges" Buch verbrennen kann, hat keine Angst vor diesem beschissenen Gott. Viele Gläubige trauen es sich nicht. Insofern ist die Verbrennung von heiligen Büchern oder anderen heiligen Gegenständen ein Test, ob eine Person noch die Hose voller Gottesschiss hat.
Klarsicht(ig) am Permanenter Link
Ich biete die Möglichkeit an, einen Blick in den Inhalt des nachstehend aufgeführten Links zu werfen.
Religiöse Verblödung dominiert den Intellekt !:
https://klarsicht-blog.blogspot.com/2015/12/religiose-verblodung-dominiert-den.html
Gruß von
Klarsicht(ig)
David Z am Permanenter Link
Muslime identifizieren den Islam und den Koran als Teil ihrer Persönlichkeit.
Udo Endruscheit am Permanenter Link
Auf den Punkt. Es ist nicht die Sache eines säkularen Staates, über "Erlaubnisse" oder "Verbote" von Bücherverbrennungen zu entscheiden, er sollte gar nicht erst diese Thematik an sich ziehen.
Die Causa sollte eigentlich nur eine ordnungsrechtliche sein. Abfackeln von irgendwas im öffentlichen Raum sollte einer einfachen ordnungsrechtlichen Ahndung zugänglich sein. Im deutschen Immissionsschutzrecht käme dann auch noch die Verbrennung von Papier dazu, was selbst auf Privatgrundstücken in den meisten Kommunen nicht gestattet ist.
So könnte man jede Art von öffentlichen Verbrennungsaktionen ahnden, entzöge sich dem Vorwurf der religiös konnotierten Parteilichkeit und betriebe auch noch aktiven Immissionsschutz. In dem Moment, wo man so unvorsichtig ist, staatlicherseits über eine Erlaubnispflicht oder umgekehrt über Verbotskriterien zu diskutieren, ist man mittendrin.
SG aus E am Permanenter Link
"Und wie könnte eigentlich eine sinnvolle säkular-humanistische Haltung zu dem Thema aussehen? Für einen säkularen Staat müsste es eigentlich klar sein, dass kein Buch objektiv 'heilig' ist."
Ist es auch. Jedenfalls in Deutschland. Man muss die Diskussion nicht jedes Jahr neu auflegen. Das deutsche Recht ist säkular und schützt weder einheimische noch zugewanderte Religionen vor Kritik. Geschützt durch die einschlägigen Paragraphen (§§ 126, 130, 140, 166 StGB) wird 'der öffentliche Friede'. Wenn dieser gefährdet erscheint, können Demonstrationen und öffentliche Verbrennungen verboten werden. Damit sollten sich auch die überzeugtesten Säkularisten anfreunden können.
Ein häufig zu hörendes Argument gegen den § 166 StGB (Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen) ist, dass die Beschimpften (z.B. die Muslime) nur heftig genug Rabatz machen müssten, um unangenehme Kritik zu verhindern. Es greift aber nicht, wenn man sich zu Gemüte führt, was das Bundesverfassungsgericht zum Thema 'öffentlicher Friede' entschied:
"Die Wahrung des öffentlichen Friedens bezieht sich insoweit auf die Außenwirkungen von Meinungsäußerungen etwa durch Appelle oder Emotionalisierungen, die bei den Angesprochenen Handlungsbereitschaft auslösen oder Hemmschwellen herabsetzen oder Dritte unmittelbar einschüchtern." (1)
Man muss nicht gleich Heine zitieren – "Das war ein Vorspiel nur! Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." (2) – um für möglich zu halten, dass solche Inszenierungen dazu anstacheln können, die eigene Verachtung gegenüber Menschen anderer Religion bzw. einer bestimmten Religion in aktive Tätlichkeiten zu überführen.
—
(1) zitiert nach: https://de.wikipedia.org/wiki/Öffentlicher_Friede
(2) zitiert nach: https://hpd.de/artikel/spur-verbrannten-buecher-18038
SG aus E am Permanenter Link
Nachbemerkung:
Helmut Lambert am Permanenter Link
SG aus E: Das Heinezitat ist mir zu pazifistisch, fatalistisch und ahistorisch.
SG aus E am Permanenter Link
@ Helmut Lambert: An sich haben Sie recht, man muss nicht gleich Heine zitieren. Ich habe das Zitat stehen lassen, weil mir die Ereignisse der Jahre 1992/93 und 2015/16 in den Sinn kamen.
Es fragt sich nur: Kann der öffentliche Friede auch durch Häufung von Einzeltaten gefährdet sein? Und zählt die Sicherheit (bzw. das Sicherheitsgefühl) von Nicht- oder Neu-Staatsbürgern auch zum öffentlichen Frieden? Einige gute Gedanken zum Thema bietet Thomas Fischer hier: (2)
Ein letzter Satz für heute, da Sie von der Verteidigung 'userer' Freiheit sprachen: Wessen Freiheit war eingeschränkt, als sich monatelang Zweifelnde und Kritische zu PEgİdA trafen? Wer hat hat sich montags kaum noch auf die Straße getraut? Waren es 'wir' oder 'die', und warum zählen Sie 'die' nicht auch zum 'wir'?
—
(1) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2020-09/rechte-gewalt-todesopfer-bundeskriminalamt-wiedervereinigung/komplettansicht
(2) https://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/volksverhetzung-strafrecht-fischer-im-recht/komplettansicht
Helmut Lambert am Permanenter Link
Zu SG aus E: Zu1. Brandstistung an bewohnten Häusern hat doch nichts damit zu tun, dass oder ob vorher Bücher verbrannt worden sind.
zu 3v Wenn jemand sich nicht mehr auf die Straße traut, kann es an objektiver Gefährlichkeit liegen oder an unangemessener Ängstlichkeit. Dass jeder Bürger friedliche Demonstrationen mit welchem Inhalt auch immer hinnehmen muss, ist doch unfraglich. Die Verhinderung von Gewalt ist Sache der Polizei. Den Zusammenhang zwischen der Frage, ob man Bücher verbrennen darf und Pegida sehe ich nicht.
SG aus E am Permanenter Link
Nun, ich hatte versucht darzulegen, dass der freiheitliche, religiös / weltanschaulich neutrale und säkulare Rechtsstaat die "Heiligkeit" bestimmter Schriften nicht zur Grundlage seiner Entscheidungen macht,
Am 28. April 2023 um 13:24 Uhr schrieb Helmut Lambert:
"Daher halte ich die Verbrennung Heiliger Bücher zur Verteidigung einer aufgeklärten Gesellschaft für gerechtfertigt und lediglich unter Zweckmäßigkeitsgründen zu entscheiden, z.B. unerwünschte Solidarisierungen etc."
Ich wünsche gutes Gelingen! Auch betreffs der sicherlich zu erwartenden "unerwünschten Solidarisierungen etc." Inhaltlich distanziere ich mich selbstverständlich von allem, was Sie geschrieben haben.
Mark am Permanenter Link
Diese Form des Protests ist nicht sehr klug, weil es zu sehr an die Methoden der Nazis gleicht.Mit so etwas sollte man sich nicht identifizieren.
Helmut Lambert am Permanenter Link
Ich finde, 75 Jahre nach dem Ende der Nazidiktatur sollte man mit entsprechenden Vergleichen wegen der grundsätzlich anderen Voraussetzungen sparsamer umgehen.
Rene Goeckel am Permanenter Link
Angesichts des begangenen Unheils sollten diese Bücher noch in der Druckerei verbrannt, geschreddert oder recycelt werden.
Martin am Permanenter Link
Meines Wissens ist der Koran in anderer Art "heilig" als die Bibel.
Christen ist die Bibel als "Gottes Wort" heilig, aber nur den Inhalt, nicht das physische Buch aus Papier. Ein Christ kann eine alte, zerfledderte Bibel ins Altpapier-Recycling werfen und sich eine neue zuzulegen.
Beim Koran ist es anders: Wie alt und zerfleddert eine Ausgabe auch sein mag, das physische Material bleibt "heilig". Die Koran-Ausgabe kann allenfalls in einer Moschee abgegeben werden und wird dann ggf. "beerdigt".
Spannend wird es, wenn man ein E-Book-Reader hat. Wenn ein Muslim eine Kopie des Korans darauf installiert — darf er die Kopie jemals wieder löschen? Oder muß er das Gerät auch beerdigen, wenn es mal defekt ist? Das widerspräche dem Ziel des Elektrogeräte-Recyclings, was wohl höher zu bewerten ist als eine "heilige" Schrift.
Kennt jemand die genauen Regeln? Danke!